Kölner Philharmonie

WDR Sinfonieorchester

Christiane Karg
Foto: Gisela Schenker
Christiane Karg
Foto: Gisela Schenker

Konzert - Schönberg & Brahms
Ein Requiem, also eine Totenmesse - aber doch weit mehr: Johannes Brahms hat mit seinem gewaltigen »Deutschen Requiem« nicht nur die Grenzen der liturgisch gebundenen Kirchenmusik überschritten. Eigentlich weist das Werk, das eher an ein Oratorium als an eine Messe erinnert, weit über die Bindung an Konfessionen, ja sogar an den sakralen Rahmen hinaus. Brahms schuf eine persönliche Auseinandersetzung mit dem unabwendbaren, alle Menschen vereinenden Schicksal des Todes.

Christiane Karg, Sopran
Andrè Schuen, Bariton
NDR Vokalensemble
WDR Rundfunkchor
Cristian Macelaru, Leitung


Arnold Schönberg (1874 - 1951)
Kammersinfonie Nr. 2 es-Moll op. 38 (1906–08, 1939)

Der Wiener Arnold Schönberg verkörpert in seinem Werdegang als Komponist die krisenhafte Wende in der Musikgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts. Als Musiker und Komponist war Schönberg nahezu Autodidakt, und er stand zunächst der Generation nahe, die die letzte Blüte der deutsch-österreichischen Spätromantik repräsentierte, also der Generation Gustav Mahlers und Hugo Wolfs, deren Musiksprache die frühen Werke Schönbergs durchaus noch verwandt sind. Doch verbindet sich mit dem Namen Schönbergs heute in erster Linie die Erinnerung an die Einführung der Zwölftontechnik in die Musik. Gemeint ist damit die endgültige Abkehr vom traditionellen Dur-Moll-System, die Schönberg seit etwa 1908 vollzog. Die Bezeichnung „Atonalität“ für die Preisgabe des Dur-Moll-Systems stammt ursprünglich von einem die neue Richtung in der Musik ablehnenden Kritiker, der mit dieser Kennzeichnung zum Ausdruck bringen wollte, dass der neuen Musik die Voraussetzungen einer tonalen Kunst fehlten. In einem engeren – und keineswegs mehr abwertenden Sinne – wird der Ausdruck später gebraucht, um bei einem Musikstück „das Fehlen einer bestimmten Tonart oder eines tonalen Zentrums“ anzuzeigen. Ungefähr die Hälfte der Kompositionen Schönbergs ist allerdings noch nicht dodekaphonisch, also der Zwölftonmusik zugewandt, sondern noch ganz traditionell im Dur-Moll-System verankert. Dazu gehören auch seine beiden „Kammersinfonien“. Die erste Kammersinfonie steht allerdings bereits am Ende von Schönbergs früher, spätromantischer, tonaler Schaffensphase und bereitet mit ihrer freien Tonalität den späteren Übergang zur freien Atonalität vor. Schönbergs Kammersinfonie Nr. 2 in drei Sätzen entstand 1939. Zwei Drittel des Werks wurden allerdings bereits 1906 verfasst. Das ist wohl auch der Grund, warum das Werk noch weitgehend tonal komponiert wurde. Schönberg komponierte und instrumentierte den ersten Satz (Adagio, es-Moll) vollständig und schrieb das Particell zum inzwischen ersten Teil des zweiten Satzes (con fuoco – „mit Feuer“, G-Dur), brach dann aber die Arbeit ab. 1911 und 1916 versuchte er sich an der Fertigstellung des Werks, instrumentierte jedoch nur einige Takte. Erst 1939, als er bereits sechs Jahre in den USA lebte, nahm er die Komposition wieder auf. Die ursprünglich geplante, dreiteilige Anlage wurde aufgegeben, anstelle eines Maestoso- Schlusssatzes schrieb er einen thematisch auf den Eingangssatz Bezug nehmenden Molto-adagio-Epilog in es-Moll, der nun den zweiten Teil des zweiten Satzes bildete. Am 15. Dezember 1940 dirigierte Fritz Stiedry in New York die Uraufführung des zweisätzigen „vollendeten Torso“ durch das Kammerorchester der "New Friends of Music"
Spieldauer: ca. 22 Min.

Johannes Brahms (1833 – 1897)
Ein deutsches Requiem nach Worten der Heiligen Schrift op. 45
für Sopran, Bariton, gemischten Chor und Orchester

Das Requiem als Totenmesse der römischen Kirche hat seit 1570 eine von Pius V. festgelegte Form. Der Name ist von den Eingangsworten des Introitus „Requiem aeternam“ (ewige Ruhe) abgeleitet. Nach dem Kyrie folgen statt Gloria und Credo ein „Dies Irae“, das seit der Klassik viele Kompositionen bestimmte und Anlass zu vielen düsteren Tonbildern von den Schrecken des Jüngsten Gerichts gegeben hat. Außer der eingefügten Hymne „Domine Jesu Christe“ folgt das Requiem dem üblichen Ablauf einer Messe. Der norddeutsche und spezifisch kirchlichen Dingen fernstehende Protestant Johannes Brahms wandte sich gegen diese festgelegte Form. Er folgt Robert Schumanns (nicht ausgeführtem) Plan, ein Requiem zu schreiben, das sich von den liturgisch-lateinischen Vorbildern löste. Brahms wählte hierzu Texte aus dem Neuen Testament und den Psalmen, wobei keiner der Verse eine Hoffnung auf ein zukünftiges Leben im Sinne christlichen Glaubens macht. Da der Erlöser Christus in dem Werk nicht vorkam, wurde die Uraufführung am Karfreitag 1868 nur unter der Voraussetzung gestattet, dass nach dem vierten Satz die Arie „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ von Georg Friedrich Händel eingeschoben wurde. Insgesamt folgte Brahms weder der Form des Requiems noch der des Oratoriums. Das Werk wurde vorwiegend durch den außermusikalischen Leitgedanken zusammengehalten, den Brahms einem Freund folgendermaßen beschrieb: „Ich habe meine Trauermusik vollendet als Seligpreisung an die Leidtragenden. Ich habe nun Trost gefunden, wie ich ihn esetzt habe als ein Zeichen an die Klagenden.“ Brahms begann das Requiem 1856 unter dem Eindruck von Schumanns Tod. Er arbeitete ein Scherzo aus einer Sonate für zwei Klaviere als zweiten Satz des Requiems um. Auch der erste Satz entstand bis 1861. Nach einer längeren Pause gab 1865 der Tod seiner Mutter Brahms den Anstoß, das Werk zu vollenden. Der heutige fünfte Satz wurde allerdings erst nach der Uraufführung von 1866 eingefügt. Der erste Satz „Selig sind, die da Leid tragen“ beginnt mit dem satten Klang der Kontrabässe, die den Grundton f im gleichmäßigen Viertel-Rhythmus als Orgelpunkt spielen. Nach einer
schlichten Melodie der Celli setzt der Chor „a cappella“ mit dem Text der zweiten Seligpreisung aus der Bergpredigt Christi ein. Der Seitensatz beginnt mit einem Seufzermotiv in weichen Sexten „Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten.“ Die Durchführung verarbeitet beide Themen zu dem Text „Sie gehen hin und weinen“, wonach die Reprise mit Harfenklängen tröstlich ausklingt. Im zweiten Satz kehrt die trauermarschartige b-Moll-Melodie immer wieder. Der starre Rhythmus der gedämpften Streicher ist eine der eindringlichsten und zwingendsten Eingebungen, die sich bei Brahms finden. Der Chor „Denn alles Fleisch, es ist wie Gras“ (1. Petrusbrief) im Unisono klingt wie ein altertümliches Sterbelied. Nach einer Auflockerung der Stimmung im Gis-Dur-Satz „So seid nun geduldig, lieben Brüder, bis auf die Zukunft des Herrn“, folgt die Wiederholung des düsteren ersten Teils. Der Satz klingt mit einem scharfen Kontrast mit einem strahlenden B-Dur-Dreiklang der Posaunen und Holzbläser aus, die die Trauerstimmung zerreißen, während der Chor in einem teils fugierten, teils akkordisch verdichteten Satz singt „Die Erlöseten des Herrn werden wiederkommen und gen Zion kommen mit Jauchzen“. Den dritten Satz beginnt der Solobariton mit dem 39. Psalm „Herr,
lehre mich doch, dass es ein Ende mit mir haben muss, und mein Leben ein Ziel hat, und ich davon muss.“ Hier wird zum ersten Mal die persönliche Betrachtung angesprochen, die erlebte Erschütterung verdrängt die allgemeine Anschauung. Im Höhepunkt des Satzes fragt der Chor mit dem einem Aufschrei „Nun Herr, wes soll ich mich trösten?“. Nach einer verhalteneren Wiederholung der Frage folgt die Lösung in dem melodischen Satz „Ich hoffe auf dich“. In der gewaltigen, reich figurierten Fuge des Chores „Des Gerechten Seelen sind in Gottes Hand, und keine Qual rühret sie an“ bestätigt sich der Sieg über die Todesangst. Nach dem schlichten Chorgesang „Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth“ des vierten Satzes, der sich in der Mitte zu einer begeisterten Lobpreisung steigert, erscheint der zuletzt hinzukomponierte fünfte Satz noch schöner und ergreifender. Das Sopransolo erklingt wie eine selige Stimme vom Himmel „Ihr habt nun Traurigkeit, aber ich will euch wiedersehen und euer Herz soll sich freuen“. Der Chor vollendet die Stimmung mit leisem Gesang. Der Satz endet mit den dreimal immer leiser gerufenen Worten des Sopransolos „wiedersehen“. Der sechste Satz ist der dramatische Höhepunkt des Werkes. Mit der Verkündigung der
Auferstehung durch den Solisten wird das Vorwärtsdrängende spürbar, das diesem Satz innewohnt und ihn mit der Steigerung des Klanges, der Dynamik, der rhythmischen Bewegung und der Besetzung vorwärtstreibt bis zu der großartigen Schlussfuge des Chores „Herr, du bist würdig“. Höhepunkt des gesamten Werkes ist der strahlende C-Dur-Akkord auf dem Wort „Sieg“, bei dem der Tod durch den Glauben überwunden ist. Der Schlusssatz „Selig sind die Toten“ verschmilzt den Trost für die Trauernden und die Erlösung für die Toten musikalisch ineinander. Am Ende wird der Anfang des Werkes aufgegriffen, wodurch der Kreis
geschlossen wird, der Leben und Tod, Leid und Trost, Gericht und Erlösung umschließt.
Spieldauer: ca. 70 Min.


Christoph Prasser

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Letzte Aktualisierung: 27.04.2024 21:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn