Kölner Philharmonie

WDR Sinfonieorchester

Tanja Ariane Baumgartner
Foto: Foto Salzburg
Tanja Ariane Baumgartner
Foto: Foto Salzburg

Konzert - Schreker, Schönberg & Zemlinsky

Tanja Ariane Baumgartner, Mezzosopran
Ingo Metzmacher, Leitung


Franz Schreker (1878 – 1934)
"Nachtstück" für Orchester (Zwischenspiel 3. Akt)
aus: Der ferne Klang op. 3 (Oper in drei Akten)

Der österreichische Komponist Franz Schreker gehört zu den kreativsten und interessantesten Komponisten des 20. Jahrhunderts und war einer der meistgespielten deutschsprachigen Komponisten seiner Zeit. Er wurde 1878 in Monaco geboren und studierte in Wien bei Robert Fuchs Komposition, der eine ganze Reihe von später berühmt gewordenen Komponisten ausbildete, unter ihnen Gustav Mahler, Hugo Wolf, Jean Sibelius und Richard Strauss. Ab 1911 übernahm Schreker die Leitung des von ihm gegründeten Philharmonischen Chores, seit 1912 leitete er selbst eine Kompositionsklasse an der Akademie für Tonkunst in Wien. Später bekam Schreker die Direktorenstelle in der Berliner Akademischen Hochschule für Musik, wo er von 1920 bis 1931 tätig war. Ab den 1920er Jahren galt Franz Schreker als einer der größten Opernkomponisten in Deutschland nach Wagner. Seine Opern erreichten zeitweise höhere Aufführungszahlen als diejenigen von Richard Strauss. Ab den späten 1920er-Jahren war Schreker aber bereits den Angriffen der Kulturpolitik der Nationalsozialisten ausgesetzt. 1932 wurde aufgrund des NS-Terrors die in Freiburg geplante Uraufführung seiner Oper „Christophorus“ von Schreker selbst zurückgezogen, und er wurde zum Rücktritt von seinem Amt als Direktor der Berliner Musikhochschule gezwungen. Von 1932/33 war er außerdem Leiter einer Meisterklasse für Komposition an der Preußischen Akademie der Künste. Kurz nach seiner Zwangsversetzung in den Ruhestand starb er am 21. März 1934 an einem Herzinfarkt. Von den Nationalsozialisten als „entartet“ diffamiert, gerieten Schrekers Werke nach 1933 fast in Vergessenheit. Ab Ende der 1970er Jahre setzte jedoch eine Schreker-„Renaissance“ ein, die bis heute fortdauert. Schrekers erste Oper „Flammen“ entstand 1902, sie erfuhr zu Lebzeiten des Komponisten allerdings keine Bühneninszenierung. Ein weitaus bedeutenderes Projekt stellte seine zweite Oper „Der ferne Klang“ dar. Sie trägt stark autobiografische Züge, wie Schreker selbst bekannte, wurde 1912 in Frankfurt am Main uraufgeführt und machte ihn schlagartig berühmt. Das Stück spielt um 1900 in Deutschland und Venedig und dreht sich um den jungen Komponisten Fritz, der die kleinbürgerliche Enge zu Hause nicht mehr erträgt, weshalb er seine Verlobte Grete verlässt und sich nach Venedig begibt. Dort hofft er, einen „rätselhaften, weltenfernen Klang“ zu finden. Das im November 1909, bereits vor der Opernpremiere uraufgeführte „Nachtstück gehört zum III. Akt,
wo es als Zwischenspiel vom 1. zum 2. Bild erklingt und dort eine etwas andere Gestalt erhielt. „Das Nachtstück“, schrieb Schreker in einer Einführung anlässlich der Uraufführung der Konzertfassung, „versucht, seelische Stimmungen und Kämpfe einer durchwachten Nacht zu schildern. Ein verfehltes Leben gleitet am Auge des Helden vorüber und erst das Morgengrauen und der seltsame Vogelchor, der es in früher Frühlingsmorgenstunde begleitet, bringt ihm Ruhe und Erlösung. Der Grundton des Stückes ist der einer unruhvollen Sehnsucht.“ Beginnend mit dem „Todessehnsuchtsmotiv“ Fritzens entsteht im raffinierten Ineinander mehrerer Erinnerungsmotive und der Chiffre des „fernen Klangs“ (Nonenakkord aus übereinander geschichteten Terzen, von Celesta und Harfe angedeutet) ein klangliches Psychogramm. „Welche Ausdrucksmöglichkeiten“, so Schreker, „welch unerhörter Stimmungszauber ein Klang, ein Akkord in sich bergen kann! Der eine Klang, ohne jede motivische Beigabe, ist, mit Vorsicht gebraucht, eines der wesentlichsten musikdramatischen Ausdrucksmittel, ein Stimmungsbehelf ohnegleichen.“
Spieldauer: ca. 18 Min.

Arnold Schönberg (1874-1951)
Erwartung op. 17
Monodram in einem Akt für Sopran und großes Orchester

Arnold Schönberg war ein österreichischer Komponist, Musiktheoretiker und Maler. Er gilt als einer der bedeutendsten Wegbereiter der atonalen und später der Zwölftonmusik. Schönberg wurde in Wien geboren und studierte dort Komposition bei Alexander von Zemlinsky. In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelte Schönberg seine eigene musikalische Sprache, die er als "Befreiung der Dissonanz" bezeichnete. Diese revolutionäre Herangehensweise an die Musik beeinflusste nicht nur seine eigene Arbeit, sondern auch eine ganze Generation von Komponisten. Eine wichtige Beziehung in Schönbergs Leben war seine Freundschaft zu Franz Schreker (siehe unten), einem weiteren österreichischen Komponisten. Schreker war bekannt für seine expressionistischen Werke, und die beiden teilten eine gegenseitige Wertschätzung für innovative musikalische Ansätze. Die Beziehung zwischen Schönberg und Schreker war geprägt von einem regen intellektuellen Austausch, der die kreative Entwicklung beider Komponisten beeinflusste. Die Verbindung zu seinem Lehrer Zemlinsky blieb ebenfalls stark, obwohl Schönberg später seine eigene künstlerische Richtung einschlug. Zemlinsky war nicht nur sein Lehrer, sondern auch sein Schwager, da Schönberg Zemlinskys Schwester Mathilde heiratete. Diese familiäre Verbindung beeinflusste sowohl persönliche als auch künstlerische Aspekte seines Lebens. In Arnold Schönbergs zweiter Schaffensperiode, dem Jahrzehnt höchster Kreativität vor dem Ersten Weltkrieg, entstanden auf dem Weg einer allmählichen Loslösung von der Tonalität all jene seiner Werke, die das Komponieren im 20. Jahrhundert grundlegend veränderten. Ein Teil dieser epochalen Werke ist das Monodram „Erwartung“ op. 17. Es gehört zu jenen Kompositionen, in denen Schönberg das Formproblem durch Anlehnung an einen Text löste. Nach Preisgabe der strukturierenden Funktion der Harmonik fand die musikalische Struktur eine neue Basis in den formbildenden Vorgaben eines Textes wie Länge, Form, Charakter und Stimmung seiner Teile – eine kompositorische Verfahrensweise, die Schönberg rückblickend als wesentliche Station seiner Entwicklung benannte.
Zugleich ist „Erwartung“ das erste Werk, das Schönberg für das Musiktheater schrieb. Der Text, von der jungen Lyrikerin Maria Pappenheim verfasst, ist ein zerrissenes Psychogramm aus spontanen Gefühlsäußerungen und Erinnerungsfetzen. Die einzig handelnde Person, „eine Frau", irrt auf ihrer Suche nach dem untreuen Geliebten durch einen nächtlichen Wald. Alptraumhafte Visionen begleiten ihren Weg, der „Schrei eines Nachtvogels" ertönt, „tückisches“, „blutleeres“ Mondlicht erhellt die Szene. Sie findet den Geliebten schließlich erschlagen in der Nähe des Hauses jener „fremden Frau“, an den sie ihn verlor. Schönberg komponierte diesen Text, der zutiefst aus der Bilderwelt des Expressionismus lebt, in nur siebzehn Tagen, zwischen dem 27. August und dem 12. September 1909. Der Bruch mit den Traditionen des Musiktheaters ist radikal: Es gibt weder geschlossene Strukturen noch gliedernde Momente. Kurze motivische Gesten blitzen im Orchester auf, werden weitergereicht, verebben wieder. In Richard Wagners Musikdrama stand die Leitmotiv-Technik für die Stabilität der geistigen Konzeption ein, deren Motive und Symbole sie musikalisch abbildete. Schönbergs Drama indes dringt aus dem Unbewussten hervor, beschwört Ängste und Wahnbilder, die nur mehr assoziativ verbunden sind - ebenso wie die musikalischen Gestalten, die sie repräsentieren. Erst 25 Jahre nach der Entstehung fand „Erwartung“ den Weg auf die Bühne. Alexander Zemlinsky, Lehrer, Freund und Schwager Schönbergs, brachte das Werk am 6. Juni 1924 in Prag zur Uraufführung.
Die bisher eher zögernde Bühnenkarriere wurzelt zweifellos in einer eher dem Film als dem Theater angemessenen Dramaturgie: Sie heftet sich unablässig der einzigen Person auf die Fersen, verfolgt wie mit dem Auge einer Kamera den Weg der Frau durch den nächtlichen Wald. Schönberg selbst entwarf für Erwartung“ ein Bühnenmodell mit zwei Drehscheiben, das den starren Wechsel der Szenen in kontinuierliche Bewegung auflösen sollte.
Spieldauer: ca. 29 Min.

Alexander von Zemlinsky (1871-1942)
Die Seejungfrau
Fantasie in drei Sätzen für Orchester nach einem Märchen von Andersen

Alexander von Zemlinsky war einer der erfolgreichsten Dirigenten und Komponisten zu Beginn des 20. Jahrhunderts, bis dessen Karriere vom Nationalsozialismus leider ebenso beendet wurde, wie die von Franz Schreker (siehe oben). Und auch wie Schrekers Werk, so wird auch Zemlinskys Werk seit den 1970er Jahren zunehmend wiederentdeckt und aufgeführt. Zemlinsky hat „Die Seejungfrau“ in den Jahren 1902 / 1903 nach einem Märchen von Christian Andersen komponiert. Die Komposition folgt recht genau der von Andersen vorgegebenen Handlung. Der erste Satz schildert zunächst das Leben der Seejungfrau im Meere. Während eines Sturmes rettet sie dann einen Prinzen vor dem Ertrinken, und sie beschließt, ihm in die Welt der Menschen zu folgen. Im zweiten Satz schließt sie einen Pakt mit der Seehexe, die ihr für eine menschliche Gestalt die Zunge herausschneidet. Als die Seejungfrau aber in den Königspalast gelangt, muss sie feststellen, dass der Prinz mit einer andern verlobt ist, weshalb sie im Finale betrübt ins Meer zurückkehrt Sie verwandelt sich in Schaum und wird vom Wind in die Lüfte getragen. Mehrfach hat Zemlinsky das Sujet einer Gestalt behandelt, die im Abseits steht und dort bleiben muss, doch dabei legt er hier weit größeren Nachdruck
auf die thematische Arbeit als auf eine bloße Illustration. Es hätte wohl kaum jemand Einspruch erhoben, wenn er „Die Seejungfrau“ als Sinfonie bezeichnet hätte. Der Komponist setzt darin die tragische Geschichte der Nixe und ihrer unerfüllten Liebe zu einem Sterblichen mit großem, warmen, hochromantischen Orchesterklang um. Ganz offenbar reflektierte Zemlinsky in dem Werk seine eigene (unglückliche) Liebe zu Alma Schindler um, die den Komponisten Gustav Mahler geheiratet hatte. Nichts desto trotz, Zemlinsky gelang hier eines seiner besten Frühwerke. Zwei überwiegend gemäßigte Ecksätze umrahmen den schnellenMittelsatz; komplexe thematische Kreuzverweise unter den Sätzen betonen den sinfonischen Charakter. Zemlinskys besonderes Talent für Melodik gibt sich deutlich zu erkennen – zum Beispiel im Thema der Seejungfrau auf der Sologeige zu Beginn des ersten Satzes –und sein fantasievoller, häufig raffinierter Orchestersatz ist geradezu verblüffend. Das Werk hätte gewiss einen bedeutenden Markstein in Zemlinskys Laufbahn dargestellt, hätte seine Uraufführung nicht unglückseligerweise zugleich mit einer anderen, noch bahnbrechenderen, stattgefunden, nämlich Schönbergs „Pelléas und Melisande“, mit dem sich die Kritiker bald mehr beschäftigen sollten. Zemlinsky war von der kühlen Rezeption dermaßen betreten, dass er das Werk schließlich zurückzog; es galt viele Jahre sogar als verschollen und wurde erst 1984 wieder aufgeführt.
Spieldauer: ca. 45 Min.


Christoph Prasser

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Letzte Aktualisierung: 28.04.2024 16:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn