Kölner Philharmonie

WDR Sinfonieorchester

Midori | Violine
Foto: Timothy Greenfield-Sanders
Midori | Violine
Foto: Timothy Greenfield-Sanders

Konzert - Mitropoulos, Bernstein, Schostakowitsch u.a.

Midori, Violine
Constantinos Carydis, Leitung

Gustav Mahler (1860-1911)
„Blumine“ aus: „Titan“. Sinfonie in 2 Abteilungen und fünf Sätzen – Erstfassung der Sinfonie Nr. 1 D-Dur

Gustav Mahler wurde als Sohn eines jüdischen Kaufmanns im böhmischen Kalischt, einem kleinen Marktflecken in der Nähe der böhmisch-mährischen Grenze, geboren. Am Wiener Konservatorium konnte er nur studieren, weil sich ein Lehrer bereitfand, einen Teil der Studiengebühren zu übernehmen. Als Kapellmeister fand er später in Leipzig und Budapest eine Anstellung. 1891 wurde er als erster Kapellmeister nach Hamburg berufen. 1897 errang Mahler für die Dauer von 10 Jahren die begehrte Stelle des Hofoperndirektors in Wien. Dort wurde er immer wieder wegen seiner künstlerischen Tätigkeit und seiner jüdischen Herkunft angefeindet. Dennoch leitete er die Hofoper mit großem Erfolg. Aber die Anforderungen dieses Musikbetriebes brachten es auch mit sich, dass er sich lediglich in den Ferienmonaten intensiv mit seinen Kompositionen beschäftigen konnte. 1907 legte Mahler, der andauernden Auseinandersetzungen müde, die Leitung der Hofoper nieder, auch um sich verstärkt seinem kompositorischen Schaffen widmen zu können. Doch noch im gleichen Jahr schloss er einen Vertrag mit der Metropolitan Opera in New York und begann am Neujahrstag des Jahres 1908 mit „Tristan und Isolde” seine Dirigententätigkeit in den Vereinigten Staaten. 1911 gab er sein letztes Konzert in New York, wenige Monate vor seinem Tod.
Nach ersten Kapellmeisterstationen in Laibach, Olmütz in Mähren und Wien hatte der junge Mahler 1883 das Angebot erhalten, eine Stelle als zweiter Kapellmeister am Königlichen Theater zu Kassel zu übernehmen. Hier entstand sein Zyklus der „Lieder eines fahrenden Gesellen“ – und hier begann er auch die Komposition seiner ersten Sinfonie, die mit den Liedern in engem stimmungsmäßigen und thematischen Zusammenhang steht. Aber erst 1888, als er inzwischen zweiter Kapellmeister in Leipzig war, vollendete er die Sinfonie – und anderthalb Jahre später erklang das Werk erstmals in Budapest unter der Leitung des inzwischen zum Direktor der dortigen Oper avancierten Komponisten. Den Beinamen „Titan“ für diese Sinfonie wählte Mahler in Anlehnung an den Roman gleichen Titels von Jean Paul.
Der Satz „Blumine“ war zunächst Teil dieser autobiographisch konzipierten Sinfonie. Geschrieben hatte Mahler ihn schon 1884 als junger Kapellmeister – und zwar „über Hals und Kopf“ in zwei Tagen, als er unglücklich in eine Sopranistin verliebt war. Doch später empfand er diese lyrische Episode „zu sentimental“, nannte sie eine „Jugendeselei“ und tilgte sie wieder aus der Sinfonie. Erst 1959 kam die verloren geglaubte Partitur mit dem „Blumine“-Satz überraschend bei einer Auktion wieder zum Vorschein. Es ist ein anmutiges Stück, das für sich alleine stehen kann. Denn ursprünglich war diese von Mahler auch als „glückselige Schwärmerei“ bezeichnete Musik als eine Mondscheinserenade für das historische Schauspiel „Der Trompeter von Säckingen“ gedacht – als bezauberndes Ständchen, das der Musiker seiner Angebeteten darbietet.

Leonard Bernstein (1918-1990)
Serenade (after Plato's „Symposium“) für Violine, Streicher, Harfe und Schlagzeug

Geboren am 25. August 1918 in Lawrence (Massachusetts), erhielt Leonard Bernstein mit 10 Jahren seinen ersten Klavierunterricht. 1934 gab er sein erstes öffentliches Konzert. Von 1935 bis 1939 studierte er an der Harvard University Klavier und Komposition sowie Philologie und Philosophie. 1937 trat er erstmals als Klaviersolist auf. In diesem Jahr lernte er auch Aaron Copland kennen, der zu seinem Mentor wurde. Nach dem „Bachelor of Arts“ 1939 studierte er zwei Jahre lang am Curtis Institute in Philadelphia, u.a. Dirigieren bei Fritz Reiner. Außerdem belegte er Kurse bei dem Dirigenten Serge Koussevitzky, der ihn 1942 zu seinem Assistenten bei den Sommerkursen in Tanglewood machte. 1943 wurde Bernstein „Assistant conductor“ bei den New Yorker Philharmonikern. Der Durchbruch als Dirigent gelang ihm, als er dort 1943 kurzfristig für Bruno Walter einsprang und sensationellen Erfolg hatte. Er wurde zum zweiten Dirigenten ernannt und war von 1945 bis 1948 Leiter der New Yorker Philharmoniker. Es folgten Gastdirigate bei berühmten Orchestern. 1953 hatte er sein Debüt an der Scala in Mailand. Besonders verbunden blieb er den New Yorker Philharmonikern, deren Music Director er von 1957 bis 1969 war, dem Israel Philharmonic Orchestra und den Wiener Philharmonikern. 1987 wurde er Chefdirigent des London Symphony Orchestra. Als Komponist handhabte Bernstein virtuos die verschiedensten Stilrichtungen: Spätromantik und traditionelle jüdisch-liturgische Musik, serielle Techniken, Jazz, Pop und Rock. Er vermochte sie aussagekräftig miteinander zu kombinieren, geradezu schockierend in „Mass“, aber auch in seinem berühmtesten Werk, dem Musical „West Side Story“. Bernstein starb am 14. Oktober 1990 in New York.
Die fünfsätzige Serenade nach Platons „Symposium“ für Violine, Harfe, Schlagzeug und Streicher, die eigentlich ein Violinkonzert ist, komponierte Bernstein 1954. Das „Programm“ des Werks ist dem „Gastmahl“ von Platon entnommen: Die „Musik stellt wie in Platons Dialog eine Reihe miteinander verwandter Aussagen zum Lobe der Liebe dar und folgt der von Platon gewählten Form des Auftretens nacheinander sprechender Figuren der griechischen Intelligenz“ (Bernstein). Die musikalische Form kulminiert in der Verwandtschaft der Sätze untereinander. In diesem System, das jeden Satz sich aus den Elementen des vorherigen entwickeln lässt, erweist sich Bernsteins kompositorisches Verfahren, das in vielerlei Variation, unter Einbindung aller sonstigen seine Musik charakterisierenden Zutaten immer aufscheint. Seine „Serenade“ hielt er immerhin „für das Beste“, was er geschrieben hat.
Der erste Satz „Phaidros-Pausanias“ beginnt mit einer lyrischen Lobpreisung des Gottes Eros; Pausanias weist auf die Dualität des Liebenden und des Geliebten. Ein Fugato des Solisten leitet den Satz ein, dessen Material für das folgende Sonaten-Allegro verwendet wird. Im zweiten Satz erinnert Aristophanes an die mythologische Liebesgeschichte. Der Arzt Erixymachos äußert sich in einem „Fugato presto“ über die körperliche Harmonie als wissenschaftliche Grundlage für Erörterungen über die Liebe. Im vierten Satz zeigt Agathon alle Aspekte panegyrisch auf. Im fünften Satz „Sokrates-Alkibiades“ berichtet der Philosoph über seinen Besuch bei der Seherin Diotima und ihre Dämonologie der Liebe. In das Gespräch bricht Alkibiades mit einer Rotte betrunkener Freunde ein, die mit einem Tanz zeigen, dass die Liebe einfach eine trunkene Freude ist.

Dimitri Mitropoulos (1896-1960)
„Burial“ für Orchester

Dimitri Mitropoulos war ein griechischer Komponist, Dirigent und Pianist. Er wurde am 1. März 1896 in Athen geboren und studierte Musik am Athener Konservatorium sowie in Brüssel und Berlin, u.a. bei Ferruccio Busoni. Von 1921 bis 1925 war er Assistent von Erich Kleiber an der Berliner Staatsoper „Unter den Linden“, danach hatte er verschiedene Posten in Griechenland. Bei einem Konzert mit den Berliner Philharmonikern 1930 spielte er den Solopart des dritten Klavierkonzerts von Sergei Prokofjew, wobei er das Orchester vom Flügel aus leitete. Damit griff er als der erste moderne Musiker die alte Praxis der Doppelfunktion als Solist und Leiter wieder auf. 1936 debütierte er in den USA mit dem Boston Symphony Orchestra, ließ sich dort nieder und erhielt 1946 die amerikanische Staatsbürgerschaft. Von 1937 bis 1949 war er Chefdirigent des Minneapolis Symphony Orchestra, danach beim New York Philharmonic. In der Nachfolge von Bruno Walter wurde er 1951 Musikdirektor.
Wegen seiner Homosexualität musste er 1957 diesen Posten aufgeben, den Leonard Bernstein dann übernahm. Von 1954 bis 1960 war Mitropoulos regelmäßig Gastdirigent an der Metropolitan Opera. Er leitete dort eine Vielzahl von Uraufführungen, so u.a. von Samuel Barbers Oper „Vanessa“, an deren Instrumentierung er mitgewirkt hatte. Dimitri Mitropoulos starb am 2. November 1960 in Mailand im Alter von 64 Jahren während einer Probe zu Gustav Mahlers dritter Sinfonie an einem Herzinfarkt. Sein letzter Auftritt 1960 bei den Salzburger Festspielen zusammen mit den Wiener Philharmonikern war Mahlers achter Sinfonie gewidmet. Dafür erhielt er von der „Internationalen Gustav Mahler Gesellschaft Wien“ die goldene Mahler-Medaille. Mitropoulos komponierte selbst eine Reihe von Orchesterwerken sowie Solostücken für Klavier und arrangierte Orgelwerke von Johann Sebastian Bach für Orchester. Die atmosphärische Tondichtung „Burial“ schrieb er 1915 noch während seines Studium im Alter von 19 Jahren – und setzte sich darin mit dem Schrecken des Kriegs auseinander.

Dmitrij Schostakowitsch (1906-1975)
Sinfonie Nr. 9 Es-Dur op. 70

Schostakowitsch erhielt früh privaten Musikunterricht und besuchte das Konservatorium in St. Petersburg, wo er Klavier und Komposition studierte. Noch währenddessen hatte er sensationellen Erfolg mit seiner ersten Sinfonie. Eine vielversprechende Pianistenkarriere begann. Während der vorstalinistischen Jahre bis ca. 1930 lernte er die vorherrschenden westlichen Stile, aber auch die modischen Strömungen des Jazz und der Music-Halls kennen. Von 1937 bis 1957 lehrte er an den Konservatorien in Leningrad und Moskau. 1935/36 wurde er erstmals durch das Zentralkomitee gemaßregelt. Der Vorwurf war der eines abstrakten Rationalismus und Schostakowitsch wurde zu den massenwirksamen Grundsätzen des „Sozialistischen Realismus“ ermahnt. 1940 wurde ihm dann wieder der Vorwurf übermäßiger Komplikation der musikalischen Sprache gemacht. Doch bereits 1941 erhielt er einen ersten Stalinpreis für seine siebte Sinfonie. Neue Angriffe folgten, als seine Opernkonzeption in das Schussfeld der Parteikritik geriet. Im gleichen Jahr rehabilitierte er sich mit dem Oratorium „Das Lied der Wälder“. Dann nahm er eine Reihe von hohen offiziellen Ämtern wahr, was mit einem wesentlichen Einfluss auf das sowjetische Musikleben verbunden war. Er starb am 9. August 1975 in Moskau.
Schostakowitschs neunte Sinfonie wurde am 3. November 1945 in Leningrad uraufgeführt. Bei dieser fünfsätzigen Sinfonie wurde gerade das Nicht-Monumentale, unbeschwert Heitere, Unbombastische dem Komponisten zum Vorwurf gemacht. Eine pathetische Apotheose zur Feier des Sieges, eine Hymne auf Josef Stalin und das Ende des Zweiten Weltkrieges, wäre gerade von einer „Neunten Sinfonie“ erwartet worden. Schostakowitsch enttäuschte diese Erwartung mit einem Stück von stellenweise ausgelassenem Mutwillen, der auch Ausflüge ins Triviale nicht scheut. Die Sinfonie reiht sich so an seine theatralischen Eskapaden der frühen 1930er-Jahre (es ist wieder die parodistische zeichnende Solotrompete zu finden); dies alles profitiert aber von der Seriosität und der strengen Form seines neugewonnenen Klassizismus. Zu den parodistischen Mitteln gehört – hier besonders ausgeprägt – eine harmonische Technik der „eristischen Modulationen“, des willkürlich rückenden Melodie-Niveaus und der unvermuteten melodischen Wendungen. Der Rückgriff auf Triviales ist keineswegs ein Zugeständnis an „Realismus“-Forderungen, sondern geschieht mit souveräner Freude am Spott. Tatsächlich scheint die Düsternis seiner sonstigen Schöpfungen zurückgedrängt, fast völlig überwunden in einer an Haydn erinnernden, naiven Heiterkeit. Mit der Verwendung der Tonart Es-Dur nahm Schostakowitsch einerseits den geforderten heroischen Charakter einer Siegessinfonie auf, führte allerdings die Erwartungen, die sich mit dieser Tonart verbanden ad absurdum. Die lehrbuchgleiche Anwendung einer strengen Form paart sich mit der Verwendung geradezu stupider musikalischer Mittel, scheinbar sinnloser Läufe und sarkastisch übersteigerten Allegri. Diese musikalischen Mittel steigert Schostakowitsch im Laufe der Sinfonie zu einem grotesken Zirkusmarsch an der Stelle, an der ein heroisches Finale stehen sollte.


Heidi Rogge

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Letzte Aktualisierung: 27.04.2024 21:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn