Kölner Philharmonie

Gürzenich-Orchester Köln

Susanna Mälkki
Foto: Jiyang Chen
Susanna Mälkki
Foto: Jiyang Chen

Traumwandler
Konzert - Dutilleux & Schubert

Alban Gerhardt, Violoncello
Susanna Mälkki, Dirigentin

Henri Dutilleux (1916 - 2013)
»Tout un monde lointain« für Violoncello und Orchester (1967–70)

Henri Dutilleux war einer der bedeutendsten und ungewöhnlichsten französischen Komponisten des 20. Er wurde am 22. Januar 1916 in Angers in eine Familie geboren, die eng mit der Kunst verbunden war. Sein Urgroßvater war ein enger Freund der Maler Eugène Delacroix und Camille Corot. Sein Großvater mütterlicherseits, Organist und Direktor des Konservatoriums von Roubaix, war mit Gabriel Fauré befreundet. Noch zu seiner Schulzeit begann er Klavier, Harmonielehre und Kontrapunkt bei Victor Gallois am Konservatorium in Douai zu studieren. Von 1933-1938 besuchte er das Pariser Konservatorium, wo er Harmonielehre, Kontrapunkt, Komposition und Musikgeschichte studierte. Nach einem kurzen Militärdienst als Sanitäter kehrte Dutilleux 1940 nach Paris zurück, wo er zunächst als Pianist, Arrangeur und Lehrer arbeitete, bis er 1942 Chorleiter an der Oper wurde. Von 1945 bis 1963 war er Leiter der Musikproduktionen des ORTF, eine Position, die er später aufgab, um sich mehr seiner eigenen Arbeit widmen zu können. Dutilleux hat sich nie einer bestimmten Kompositionsrichtung zugeordnet oder sich einer Komponistengruppe angeschlossen, sondern seine musikalischen Ideen frei von Systemen und Dogmen entwickelt. So studierte er zwar die Werke der „Zweiten Wiener Schule“, wandte deren Prinzipien aber nie strikt an. Er sagte einmal: „Ich mag keine tyrannischen Systeme, aber in mehreren Werken habe ich die serielle Technik auf meine eigene Weise verwendet, aber immer im Sinne einer Versöhnung zwischen der Avantgarde und den großen Klassikern“.
Zu seinem Cellokonzert wurde Dutilleux bereits in den 1960er Jahren durch den Dirigenten und Komponisten Igor Markevitch angeregt, vollendet und uraufgeführt wurde das Werk jedoch erst 1970. Dutilleux war zu Beginn seiner Arbeit von den Gedichten seines Landsmanns Charles Baudelaire geradezu „besessen“; das Violoncello schien ihm „das ideale Instrument, um zwischen dem Universum Baudelaires und der Welt des Klangs zu vermitteln“. Der Titel „Tout un monde lontain" (Eine ganze Welt in der Ferne) ist ein Auszug aus dem Gedicht „La Chevelure“ (Das Haar) aus Baudelaires berühmtem Zyklus „Les Fleurs du Mal“ (Die Blumen des Bösen). Der Dichter schrieb dieses sinnliche Gedicht über das Haar seiner Geliebten Jeanne Duval. Es lautet: „Tout un monde lontain, absent, presque défunt“ (Eine ganze Welt, abwesend, fast tot). Bei Dutilleux beziehen sich die Titel der fünf Sätze der Komposition jeweils auf ein bestimmtes Gedicht aus dieser Sammlung. Ein Vers oder einige Verszeilen sind auch in der Partitur jedem Satz als Motto vorangestellt. Der Kopfsatz Énigme (Rätsel) trägt das Zitat „...et dans cette nature étrange et symbolique...“ (...und in dieser seltsamen, symbolischen Natur...) aus dem 27. Gedicht des Fleurs du Mal-Zyklus. Eine Kadenz des Solo-Cellos eröffnet diesen scherzoartigen Satz, in dem eine Zwölftonreihe, serielle Formen und Variationstechniken zur Anwendung kommen. Das Orchester setzt Klangfarbentupfer in pointillistischer Manier, der Solist spielt in den hohen Lagen seines Instruments, der Gestus ist „sehr frei und flexibel“. Es folgt – langsam und liedhaft angelegt – Regard (Blick) mit dem Motto „...le poison qui découle / De tes yeux, de tes yeux verts, / Lacs où mon âme tremble et se voit à l’envers...“ (...das Gift, das aus deinen Augen fließt / Aus deinen grünen Augen / Seen, in denen meine Seele zittert und sich umgekehrt erblickt...) aus dem Gedicht Le Poison (Das Gift). Der Solo-Cellist, dessen Partie abermals in technisch schwierigen hohen Lagen notiert ist, wird von Streichern, einigen Holzbläsern und Pauken begleitet. Houles (Wogen) – der zentrale dritte Teil des Konzerts – ist überschrieben mit den Gedichtzeilen „...Tu contiens, mer d’ébène, un éblouissant rêve / De voiles, de rameurs, de flammes et de mâts...“ (Du birgst, Meer von Ebenholz, einen blendenden Traum von Segeln, Ruderern, Wimpeln und Masten) aus La Chevelure. Er knüpft motivisch an den Schluss der Solokadenz im Kopfsatz an; die Orchesterbegleitung arbeitet mit den Klangfarben der Holz- und Blechbläser sowie der Streicher.
Der langsame vierte Satz Miroirs (Spiegel) nimmt Bezug auf das Gedicht La Mort des Amants (Der Tod der Liebenden). Dutilleux spiegelt hier sowohl Akkorde als auch thematische Figuren und schafft durch eine Orchesterbesetzung aus gedämpftem und sehr leise spielendem Blech, einigen Streichern, Schlagwerk und Harfe ein ganz eigenes, apartes Kolorit. Dem bewegten Finale mit dem Titel Hymne sind als Motto Zeilen aus dem Gedicht La Voix (Die Stimme) beigegeben: „...Garde tes songes; / Les sages n’ent pas d’aussi beaux que les fous!“ (Hüte deine Träume, / die Weisen haben nicht so schöne wie die Narren!). Dutilleux nimmt in diesem kurzen Epilog Elemente aus früheren Sätzen auf (Houles, Miroirs, Regard, Énigme) und entfaltet noch einmal den Klang des gesamten Orchesterapparats, bevor er dem Solisten das letzte Wort überlässt und das Werk fast unhörbar verklingt.
Spieldauer: ca. 30 Min.

Franz Schubert (1797 - 1828)
Sinfonie Nr. 8 C-Dur D 944 »Die Große« (1825/28)

Als nach Schuberts Tod 1828 sein Vermögen geschätzt werden sollte, stellte der zuständige Beamte fest: „Außer einigen alten Noten im Wert von zehn Gulden hat Schubert nichts hinterlassen.“ Zu diesen „alten Noten‘“ gehörte auch die Originalpartitur der C-Dur-Symphonie, deren Wert heute allerdings bei etwa einer Million Euro liegt. Schuberts Bruder Ferdinand hatte Robert Schumann bereits einen Blick auf den Nachlass des Verstorbenen werfen lassen und riet nun dringend dazu, die posthume Uraufführung der Symphonie in die Hände von Felix Mendelssohn zu legen und lag dabei goldrichtig: Die Uraufführung im März 1839 im Leipziger Gewandhaus geriet zu einem Triumph – für Schubert, aber auch für Mendelssohn, dessen Beiträge zum Musikleben kaum hoch genug eingeschätzt werden können. „Alle Musiker des Orchesters waren ergriffen und entzückt von dem vortrefflichen Werk“, schrieb Mendelssohn nach der Premiere an Robert Schumann. Aufgrund der von Schubert selbst zugeschriebenen Bedeutung dieser Sinfonie und auch zur klaren Unterscheidung von seiner wesentlich kürzeren 6. Sinfonie in C-Dur, die oft als "Kleine C-Dur" bezeichnet wird, erhielt sie später den Beinamen "die Große". Gemäß aktuellen Forschungsergebnissen ist sie in Schuberts Sinfonienreihe als Nummer 8 klassifiziert. Mit einer ungefähren Spieldauer von 60 Minuten galt sie über viele Jahre hinweg als das längste Instrumentalwerk ihrer Zeit. Der Erfolg der ersten von Mendelssohn geleiteten Aufführung war außerordentlich. Schumann selbst ließ dem Werk in seiner „Neuen Zeitschrift für Musik“ eine enthusiastische Besprechung zuteil werden, die einige der seitdem immer wieder zitierten Urteile enthält: „Sag ich es gleich offen: Wer diese Symphonie nicht kennt, kennt noch wenig von Schubert, und dieses mag nach dem, was Schubert bereits der Kunst geschenkt hat, als ein kaum glaubliches Lob angesehen werden. [ ... ] Hier ist, außer meisterlicher, musikalischer Technik der Komposition, noch Leben in allen Fasern, Kolorit bis in die feinste Abstufung, Bedeutung überall, schärfster Ausdruck des Einzelnen, und über das Ganze endlich eine Romantik ausgegossen, wie man sie schon anderswoher von Franz Schubert kennt. Und diese himmlische Länge der Symphonie, wie ein dicker Roman von Jean Paul, der auch niemals endigen kann und aus den besten Gründen zwar, um auch den Leser hinterher nachschaffen zu lassen. Wie erlabt dies, dies Gefühl von Reichtum überall, während man bei andern immer das Ende fürchten muss und so oft betrübt wird, getäuscht zu werden. [ ... ] Die Symphonie hat denn unter uns gewirkt, wie nach den Beethoven'schen keine noch.“ Die ausgedehnte und von Bläsern dominierte „Andante“-Einleitung des Kopfsatzes („Allegro ma non troppo“) führt zu dem rhythmisch straffen Thema der Streicher, das die Holzbläser mit schwebenden Triolen begleiten. Dieses Thema entfaltet sich nun im Wechselspiel der Instrumentengruppen und wird in immer neuen Klangkombinationen durchgespielt. Ein zweites Thema schließt sich an, das erneut durch die verschiedenen Instrumente variiert und moduliert wird. Formal gesehen weist der Satz dem Sonatenhauptsatzschema entsprechend zwar eine Durchführung, eine Reprise und eine Coda auf, aber im Gegensatz etwa zu Beethovens Sinfonien und Sonaten tragen solche formalen Kennzeichnungen zur Erhellung des Individualstils der Schubertschen Sinfonien wenig bei: Die Kraft und der Reichtum der melodischen Erfindung dominieren gegenüber dem formalen Aufbau. Das wird auch deutlich im zweiten Satz („Andante con moto“), in dem verschiedene rhythmisch teilweise stark ausgeprägte Melodien einander folgen, verklingen, wieder auftauchen und variiert werden. Das folgende „Scherzo: Allegro vivace“) lebt zunächst von einem viertaktigen von den Streichern energisch vorgetragenen Motiv und führt dann zu einer ländlerartigen Melodie. Wieder werden beide Themen in buntem Wechsel
fort- und weitergeführt. Ruhig strömt die Melodie im Mittelteil des Scherzos, dem Trio, dahin. Die Fülle der melodischen Eingebungen kennzeichnet auch das abschließende „Finale: Allegro vivace“ mit seinem raschen Wechsel der musikalischen Stimmungen.
Spieldauer: ca. 50 – 60 Min.
Christoph Prasser

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Letzte Aktualisierung: 27.04.2024 21:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn