Kölner Philharmonie

Baltic Sea Philharmonic

Olga Scheps | Klavier
Foto: Uwe Arens
Olga Scheps | Klavier
Foto: Uwe Arens

Konzert - Grieg & Tschaikowsky

Olga Scheps, Klavier
Kristjan Järvi, Dirigent

Kristjan Järvi (*1972)
„Ascending Swans“ nach „Lobgesang“ aus „Schwanenweiß“ von Jean Sibelius für Orchester

1908 komponierte Sibelius die Musik zu „Schwanenweiß“, einem Schauspiel von August Strindberg. Sibelius hatte den schwedischen Dramatiker schon lange bewundert, als er auf Veranlassung von Strindbergs schauspielernder Gattin den Auftrag erhielt, diese Musik zu komponieren. Wie so oft inspirierte ihn die Welt des Theaters und er schrieb eine bezaubernde, außergewöhnlich stimmungsvolle Begleitmusik. Die Uraufführung war am 8. April am Schwedischen Theater in Helsinki, Sibelius dirigierte die dreizehn Musiker des Theaterorchesters. Ein Kritiker schrieb damals: „Es gibt kaum etwas anderes, das in Feinheit und in poetischer Schönheit mit Schwanenweiß (Joutsikki) verglichen werden kann.“ Das Stück besitzt alle Elemente eines herkömmlichen Märchens: eine Prinzessin, eine böse Stiefmutter, einen vom Vater ausersehenen, ungeliebten Bräutigam und einen echten Prinzen, den die Prinzessin natürlich bekommt. Mit dabei sind auch boshafte Stiefschwestern und allerlei Zaubergerätschaften, so ein Wunderhorn und eine von selbst spielende Harfe.
„Schwanenweiß“ besteht aus einer variantenreichen, auf das Theater zugeschnittenen Musik, angefangen bei flatternden Bewegungen aus einem einzigen Akkord bis hin zu ausgedehnten pantomimischen Szenen. Aus dem Material stellte Sibelius eine Orchestersuite zusammen – deren letzter Satz ein nahezu sakraler „Lobgesang“ ist. Denn das Gute hat über das Böse gesiegt. In der Bühnenfassung spielte hierzu eine Orgel und alle, auch die bösen Figuren, knieten in der Inszenierung nieder und dankten Gott. Durch das Arrangement von Kristjan Järvi unter dem Titel Stück „Ascending Swans“ erhält das Werk nochmals ein neues Gewand.

Pjotr Iljitsch Tschaikowsky (1840-1893)
Suite aus „Der Nussknacker“ (Arr. K. Järvi)

Tschaikowskys Ballett-Musiken waren fast ausnahmslos Auftragswerke der St. Petersburger Oper, die ein berühmtes Ballettensemble beschäftigte. Seine drei abendfüllenden Ballette („Der Schwanensee“, „Dornröschen“ und „Der Nussknacker“) wurden Marksteine des neueren russischen Balletts und wirkten noch weiter auf Komponisten wie Prokofjew und Strawinsky. Tschaikowsky konnte hier seine Erfahrungen und individuelle Behandlung der sinfonischen und opernhaften Formen zu einer glücklichen Synthese gestalten. Die Komposition der letzten Balletmusik folgt der Novelle „Der Nussknacker und der Mäusekönig“ von E.T.A. Hoffmann in der Fassung von Alexandre Dumas: Im Salon des Präsidenten Silberhaus steht ein Weihnachtsbaum. Um Mitternacht kommt Drosselmayer in den Raum und bringt den Kindern mechanische Puppen. Silberhaus lässt aber die kostbaren Figuren in sein Büro bringen, weilt er befürchtet, dass sie von den Kindern zerstört würden. Als Entschädigung gibt ihnen Drosselmayer einen Nussknacker. Dann werden die Kinder ins Bett geschickt. Marie hört Geräusche aus dem Salon, schleicht sich zurück und wird Zeugin eines erbitterten Kampfes einer Mäusegruppe gegen alle Spielzeugfiguren. Sie entscheidet den Kampf, indem sie gegen den Mäusekönig einen Pantoffel wirft. Der Nussknacker verwandelt sich in einen jungen Prinzen, der Marie in den Weihnachtsbaum hineinführt. Das Paar kommt in der Süßigkeitenburg an. Alle Süßigkeiten beginnen einen Tanz, während der Nussknacker der entzückten Marie von den Wundern seines Reiches erzählt.

Lange vor der eigentlichen Ballettmusik hat Tschaikowsky bereits eine „Nussknacker-Suite“ veröffentlicht, die sich allgemeiner Beliebtheit erfreute. Hier stellte er eigene Motive des Vorlagewerkes selbst zusammen, was dem Stück eine Fülle von liebenswürdigen und witzigen Einfällen verschaffte. Die abwechslungsreiche Suite ist sehr rhythmisch und von melodischer und klanglicher Originalität. Mit seinem bunten Kolorit gilt das Werk zu Recht als eine der volkstümlichsten Kompositionen Tschaikowskys – und der beliebte „Blumenwalzer“ als einer der bedeutendsten Walzer der russischen Ballettliteratur. In der Philharmonie erklingt eine Suite, die Kristjan Järvi zusammengestellt hat.

Edvard Grieg (1843-1907)
Klavierkonzert a-Moll op. 16

Grieg hatte sich im Sommer 1868 auf die Insel Sjaelland in ein kleines Gartenhaus zurückgezogen, um in Ruhe an seinem Klavierkonzert zu arbeiten. Ein Jahr später wurde er als junger Stipendiat von Liszt nach Rom eingeladen, dem er mehrere seiner Werke zeigte, darunter auch das a-Moll-Klavierkonzert. Liszt spielte es am Klavier durch und staunte über das Können des jungen Kollegen. Als er im Finale eine Stelle erreichte, an der Grieg die erste Orchestertriole unerwarteterweise um einen halben Ton verändert hatte, gab Liszt Begeisterungsrufe von sich, „unterbrach plötzlich, erhob sich in seiner vollen Größe, verließ das Klavier und ging mit gewaltigen theatralischen Schritten und erhobenem Arm durch die große Klosterhalle und sang nahezu brüllend das Thema. Beim oben erwähnten ‚g’ streckte er wie ein Imperator seinen Arm aus und rief: ’g, g, nicht gis! Famos!’“ – berichtete Grieg stolz seinen Eltern.
Das Klavierkonzert op. 16 trägt einen unverwechselbaren Tonfall. Es ist verwurzelt in der Tradition der deutschen Romantik: Form und Stimmungsgehalt des dreisätzigen Werkes erinnern zum Teil an Robert Schumann, die Durchführung aber mehr an Franz Liszt; dennoch handelt es sich um eine völlig eigenständige, norwegische Musik des Komponisten. Das gesamte Werk weist mit Ornamentierungen und virtuosen Figurationen, naturlyrischen Echowirkungen und elfenhaft huschenden Passagen eine rhapsodische Prägung auf. Der erste Satz („Allegro molto moderato“) beginnt vollgriffig mit einem für Grieg typisch absteigenden Motiv. Dann folgt das Hauptthema, anfänglich rhythmisch markant, dann sanglich-lyrisch; auch das Seitenthema der Celli ist stark lyrisch. Nach einer rhapsodischen Durchführung folgt eine große Kadenz mit kurzer Coda, die die Einleitung wiederholt. Der zweite Satz („Adagio“) bringt eine ruhige, breit angelegte Melodie, die das Klavier zu einer mächtigen Steigerung führt. Dieser Satz lädt den Zuhörer zum Träumen ein – hinein in die stille und einsame Atmosphäre der norwegischen Landschaft. Gerade der Satzbeginn und das langsam einsetzende Klavier entfalten den vollen Zauber spätromantischer Musik, gepaart mit skandinavischem Charme. Im unmittelbar anschließenden Finale („Allegro moderato molto e marcato“) trägt das Klavier norwegische Tanzrhythmen vor, und zwar den des Springtanzes „Halling“. Eine Flötenkantilene folgt, dann setzt nach einer kurzen Kadenz eine Stretta ein, die mit dem lyrischen Seitenthema im Fortissimo triumphierend ausklingt.

Variation IX: „Nimrod. Adagio“ aus: „Variations on an Original Theme“ op. 36 für Orchester

Elgar war bereits Anfang 40, als er an einem Oktoberabend des Jahres 1898 von einer Unterrichtsstunde als Geigenlehrer nach Hause kam. Nach dem Essen entspannte er sich mit einer Zigarre am Klavier, wo er ein wenig improvisierte. Als dann seine Frau rief, das wäre doch ein hübsches Thema, antwortete er, daraus könne durchaus etwas werden. In den nächsten Monaten schrieb Elgar die „Variations on an Original Theme“. Die Orchestrierung des Werkes nahm er im Februar 1899 vor. Erst später fügte er das griechische Wort „Enigma“ hinzu – Rätsel. Die Reihe kleiner Charakterstücke überzeugte nach der erfolgreichen Londoner Uraufführung am 19. Juni 1899; die „Enigma-Variationen“ traten ihren Siegeszug um die Welt an. Viele Vermutungen gibt es bis heute über das Geheimnis, das sich in dem Werk verbirgt. Wer hinter den Initialen und Spitznamen der 14 Variationen steckt, wurde bald gelöst. Doch Elgar hatte noch von einem anderen verborgenen Thema gesprochen, das nicht gespielt wird und den wissenschaftlichen Suchtrupps bis heute eine harte Nuss aufgegeben hat, denn Elgar hat dieses Rätsel mit ins Grab genommen.
Die „Enigma-Variationen“ sind ein Variationen-Zyklus, in dem Elgar enge Freunde und Vertraute porträtiert hat. Wie ein in Noten gesetztes persönliches Skizzenbuch mutet die Partitur an. Zwischen seiner Frau in der ersten Variation und ihm selbst im Finale lässt Elgar eine ganze Reihe von Eigenheiten und Charakterzügen der ihm lieben Menschen Revue passieren: Sie erscheinen lachend, stotternd oder hektisch, Elgar fand Töne für seine Kammermusikpartner oder eine ehemalige Bratschenschülerin. Außerdem gibt es Porträts eines Freundes mit schnarrender Stimme, eines energischen Edelmannes, eines schrulligen Schriftstellersohnes, eines ungestümen Architekten, einer herrschaftlichen Familie, einer stammelnden Freundin, einer reisenden Lady und sogar eines Hundes. Seinen Freund August Johannes Jaeger, mit dem er sich intensiv über Musik austauschte, hat er in der gewichtigen „Nimrod“-Variation (Nr. 9) verewigt – obwohl sie streng genommen nicht sein Porträt ist, sondern die Geschichte von etwas, das zwischen ihnen passiert ist: Im Oktober 1898 war Elgar, „im Herzen von Musik sehr krank“, im Begriff, alles aufzugeben und keine Musik mehr zu schreiben. Sein Freund versuchte ihn aufzumuntern, indem er über Beethoven sprach, der viele Sorgen hatte, aber immer schönere Musik schrieb. Elgar bedient sich in dieser wunderbaren Variation jenes vollstimmigen, satten Streichersounds voll träumerischer Sehnsucht, wie er beispielsweise auch im wenig später geschriebenen Adagietto aus Mahlers fünfter Sinfonie erscheint.


Heidi Rogge

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Letzte Aktualisierung: 28.04.2024 13:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn