Die lustige Witwe - Oper - Kultur Nr. 178 - Mai 2023

Mit viel Witz und Schwung ins Operettenglück

Silvester 1900: Mit den Finanzen des Kleinstaats Pontevedro steht es nicht zum Besten. In der pontevedrinischen Botschaft in Paris wird der Geburtstag des verehrten Landesfürsten dennoch fröhlich gefeiert. Der Gesandte Baron Zeta ist ein wenig nervös, denn als Ehrengast erwartet man Hanna Glawari, die mit ihren Millionen das Land noch vor dem Bankrott retten könnte. Die schwebt dann auch spektakulär vom Bühnenhimmel in die muntere Gesellschaft. Und wird sogleich von allen Herren umschwärmt. Die Lady ist nämlich nicht nur schön und jung, sondern vor allem reich. Nur der Gesandtschaftssekretär Graf Danilo lässt sich mal wieder nicht blicken, sondern weilt wie üblich bei Maxim, wo er bekanntlich alle Damen kennt und beim Kosenamen nennt. Das teure Vaterland ist ihm leider ziemlich egal. Einst waren das Bürgermädchen Hanna und der adelige Offizier Danilo ineinander verliebt, durften aber wegen des Standesunterschieds nicht heiraten. Hanna ehelichte den Bankier Glawari, der die Hochzeit nur wenige Tage überlebte, und ist nun eine „lustige Witwe“.
Mit der Operette Die lustige Witwe, uraufgeführt 1905 in Wien, gelang dem Komponisten Franz Lehár (1870 – 1948) der internationale Durchbruch. Das Werk gehört bis heute zu den beliebtesten Stücken des unterhaltenden Musiktheaters. Die ungemein spritzige Inszenierung von Aron Stiehl könnte auch den härtesten Verächter des Genres zum Operetten-Fan machen. Zumal der junge Kapellmeister Hermes Helfricht am Pult des brillant spielenden Beethoven Orchesters die Raffinesse der Musik fabelhaft pointiert erklingen lässt. Da mischen sich flirrende Erotik mit koketter Frivolität, Walzerseligkeit mit Marschrhythmen und bissige Ironie mit romantischer Sentimentalität.
Grandios präsentiert sich auch der von Marco Medved einstudierte Opernchor, der in der Choreografie von Sabine Arthold in Hochform agiert, hinreißende kleine Running Gags inklusive. Zudem sorgt ein professionelles Tanz-Ensemble für flotten Drive auf der Achterbahn der Gefühle. Dauernd in Bewegung ist die ganze Gesellschaft sowieso in diesem Tanz um Liebe, Konventionen, falschen Stolz und begehrtes Kapital. Die von Franziska Jakobsen entworfenen eleganten Kostüme sind ein Hingucker beim Ball der Sehnsüchte. Bühnenbildnerin Nicola Reichert hat dafür ein absolut sehenswertes luxuriöses Illusions-Ambiente aus floralem Jugendstil und Revueglamour geschaffen, fabelhaft beleuchtet von Jorge Delgadillo. Im Licht der Verfolgerscheinwerfer, bisweilen auch schamhaft hinter dem Vorhang, suchen Zetas junge Gattin Valencienne (mit sündhaft schönem Sopran: Marie Heeschen) und ihr Lover Camille de Rosillon (mit feins­tem Tenorschmelz: Santiago ­Sánchez, der im Februar übrigens den Ersten Preis beim Internationalen Mozart-Wettbewerb in Salzburg gewann, herzlichen ­Glückwunsch nachträglich!) Schutz vor indiskreten Blicken. Nur Zeta (als großartiger Komödiant: Der Bass Martin Tzonev) schwärmt unerschütterlich von seinem angetrauten „Unschuldsengel“, der selbstverständlich eine „anständ’ge” Frau ist. Im Kleinen Pavillon regnets rote Rosen, den Rest erledigt Hanna mit weiblicher Solidarität souverän.
Fabelhaft singt und spielt die Sopranistin Barbara Senator (regelmäßiger Gast an der Oper Bonn) die Titelpartie. Diese selbstbewusste Frau weiß genau, was sie will, und übernimmt mit Intelligenz und Charme die Regie ihres Lebens. Ihr volkstümliches Vilja-Lied ist hier fern aller Nationalfolklore pures Sentiment. Der spielerisch und stimmlich ebenso großartige Tenor Johannes Mertes als blonder Weiberheld Danilo redet seine Herzensflamme dennoch korrekt mit „Gospondina“ an. Hanna verwandelt sogar ihr Pariser Prunkdomizil in ein Varieté, um ihren Herzensmann zu erobern.
Das Studium der Weiber mag ja schwer sein, aber was ist mit den Männern? Am besten bedingungslose Kapitulation. Die Frauen an der Feminismus- und Diversitätsfront finden das Studium der Männer nämlich eher leicht. Um das Beziehungs-Eis zu brechen, müssen halt Lippen schweigen und Geigen flüstern. Das berühmte Duett singen die beiden feindlich Verliebten nicht, sondern hocken beim Klang der Melodie auf größtmöglicher Bühnendistanz. Weil Hanna aber noch einen letzten Trick ausspielt, endet alles im Glücksrausch eines schön gemalten künstlichen Paradieses.
Christoph Wagner-Trenkwitz (im wirklichen Leben Dramaturg und prominenter TV- Kommentator des Wiener Opernballs) sorgt in der Sprechrolle des Kanzlei-Beamten Njegus dafür, dass die Geschichte nicht aus dem Ruder läuft. Wie er dabei den selbstverliebt enervierenden Moderator parodiert, macht ebenso Spaß wie die unzähligen amüsanten ­Regieeinfälle. Mit frechem Witz wird dabei die Verlogenheit der amüsierwilligen Gesellschaft karikiert. Begeisterter Premierenbeifall für alle Beteiligten. Die aufwändige Inszenierung ist eine Koproduktion mit dem Staatstheater Saarbrücken und verspricht, auch in Bonn ein Renner zu werden.

Generalintendant Helmich verriet schon mal, dass Aron Stiehl in der übernächsten Spielzeit hier Wagners Meistersinger auf die Bühne bringen wird. E.E.-K.

Spieldauer ca. 2 ¾ Stunden, inkl. Pause
Die weiteren Termine:
7.05. // 14.05. // 20.05. // 26.05. // 29.05. // 11.06. // 15.06.23

Donnerstag, 01.06.2023

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