Ceri Williams - kultur 134 - März 2017

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Ceri Williams
- Cornelia, Martha, Auntie und immer wieder Erda

Ihren Vornamen spricht man „Keri“ aus. Die Mezzosopranistin Ceri ­Williams ist Waliserin und wuchs in einer Kleinstadt nördlich von Swansea auf. „Meine erste Oper erlebte ich mit 19 Jahren als Studentin in Cardiff. Schon als Kind hatte ich eine tiefe Stimme und sang sehr gern. Eigentlich alles: Als Jugendliche trat ich mit Popgruppen in Miners-Clubs auf, also bei den Arbeitern der inzwischen verschwundenen Kohleminen meiner Heimat. Außerdem sang ich in der walisischen Rock­band ‚Ffradach‘. Der Name bedeutet ‚Sturm‘ oder ‚Chaos‘. Das machte mir ebenso viel Spaß wie die klassische Musik, die ja auch oft allerhand ­wilde Mächte entfacht.“
Als Neunjährige erhielt sie ihren ersten Klavierunterricht, lernte dann auch Bratsche und wurde schon mit einem Begabten-Stipendium Jungstudentin am Welsh National College of Music and Drama in Cardiff. Dort machte sie dann ihre Diplome als Pianistin und als Klavierbegleiterin und schloss später noch eine Ausbildung als Chorleiterin an. Ihre erste Solorolle sang sie in einer Hochschulproduktion: Die Frugola in Puccinis Il Tabarro. „Diese Oper verfolgt mich regelrecht. 1997 war ich für ein Jahr fest im Chor der Opéra de Lyon engagiert – wunderbare Zeit an einem tollen Haus! – und sang eher im Hintergrund. Fast genau zehn Jahre später gas­tierte ich dort in David Pountneys Neuinszenierung als Solistin.“ Die Frugola hatte sie zuvor schon an der Deutschen Oper Berlin in der Regie von Katharina Wagner verkörpert.
Bevor Ceri Williams nach Lyon zog, hatte sie ihr erstes professionelles Engagement im Chor der britischen Tournee-Truppe „D‘Oyly-Carte“, die sich in der Tradition von Gilbert und Sullivan auf populäres Musiktheater spezialisiert hat. „Das war eine echt harte Schule. Montags früh losreisen, irgendwo proben, oft zwei Vorstellungen am Tag spielen, bevor man mit etwas Glück am Sonntag wieder frei hatte. Eine Schauspiel-Ausbildung habe ich nie gemacht, sondern bin quasi ins kalte Wasser gesprungen. Aber ich merkte, dass ich mich auf der Bühne ziemlich wohl fühlte. ‚Learning by Doing‘ braucht viel Energie, ist jedoch auch beglückend.“
1998 kehrte Ceri Williams nach Großbritannien zurück, um weiter Operngesang zu studieren. Nebenbei machte sie noch eine Ausbildung zur Musikpädagogin und unterrichtete ein Jahr lang an einer öffentlichen Schule. „Natürlich auch, um Geld zu verdienen, denn das Studium in England ist teuer. Außerdem weißt du nie, wie lange du wo deinen Lebensunterhalt mit deiner Stimme tatsächlich verdienen kannst. Große Opern-Partien für einen dramatischen Kontra-Alt gibt‘s nicht gerade reichlich. Das hängt immer vom laufenden Repertoire ab.“ In der ersten Hälfte dieser Spielzeit war Ceri Williams an der Oper Bonn, wo sie seit der Saison 2015/16 zum festen Solisten-Ensemble gehört, folglich nur selten zu erleben. Dafür kommt nun richtig viel auf sie zu. Grandios singt sie seit dem 1. Januar die mütterliche Cornelia in Händels Giulio Cesare in Egitto, die gleich mehrere Männer im Zaum halten muss.
Seit nunmehr eineinhalb Jahren arbeitet sie an der Partie der Martha in John Adams‘ Opern-Oratorium The Gospel According to the Other Mary. Eine Woche nach unserem Gespräch beginnen die szenischen Proben. „Der Regisseur Peter Sellars hat schon gesagt, dass er es nicht genauso haben möchte wie bei der Aufführung an der English National Opera. Bühnenbild und Kostüme bleiben, und die Inszenierung ist prinzipiell fertig. Aber mit neuen Sängerpersönlichkeiten entwickelt sich doch etwas Anderes.“ Selbstverständlich hat Ceri Williams sich im Januar die konzertante Aufführung des Werks mit den Berliner Philharmonikern unter der musikalischen Leitung von Simon Rattle auf ihrem Rechner gespeichert und vergleicht das jetzt mit der Interpretation der Dirigentin Natalie Murray Beale. „Sie ist sympathisch und vor allem sehr präzis. Wir haben uns zwar erst in Bonn persönlich kennengelernt, hatten aber beide in Cardiff und London denselben Coach: Michael Pollock, der mir eben schrieb, dass ich mit Natalie musikalisch bestens aufgehoben sei.“
Ceri Williams lebt seit 2002 zumeist in Deutschland, wo sie am Nationaltheater Mannheim viele große Rollen sang, bevor sie zur Spielzeit 2005/6 an die Deutsche Oper Berlin wechselte. Dort debütierte sie als ­Geneviève in Pelléas et Mélisande, überzeugte u.a. als Mrs. Quickly in Verdis Falstaff und natürlich als Wagners Erda. Die hat sie mittlerweile am Teatro La Fenice Venedig ebenso gesungen wie am Teatro Massimo Palermo. Ein Highlight in ihrer Karriere war 2014 Wagners „Ring“ in der Händelstadt Halle, inszeniert von Altmeister Hansgünther Heyme und 2015 wegen des großen Erfolges wiederholt. Im Sommer 2016 folgten die Rheingold- und Siegfried-Erda halbkonzertant am Londoner South-Bank-Center in einer raffinierten Video-Installation des Licht-Designers Peter Mumford.
Besonders gemocht hat sie die Oper Brokeback Mountain des amerikanischen Komponisten Charles Wuorinen nach dem mit mehreren Oscars prämierten Film von Ang Lee über zwei schwule Cowboys. Bei der Deutschen Erstaufführung in Aachen sang Ceri Williams in Aachen in der Regie von Ludger Engels die Mrs. Twist. Mit Engels arbeitete sie bereits in Bern zusammen bei Brittens Peter Grimes. „Wir spielten in einer alten Reithalle, wo jede Figur ihre eigene Insel hatte. Ich bin nun gespannt, wie José Cura als Sänger, Regisseur und Ausstatter seine Interpretation gestaltet.“ Premiere ist am 7. Mai. Die Auntie in Peter Grimes hat Williams außer in Bern u.a. auch schon in Bielefeld gesungen.
Ihr komisches Talent bewies sie in Bonn als Abra in der Opernrarität Holofernes von Emil Nikolaus von Reznicek und zuvor schon als Mary im Fliegenden Holländer und als Hexe in Rusalka. Familienopern mag sie sehr und freut sich deshalb nach dem kleinen Auftritt als Mutter in Das Mädchen, das nicht schlafen wollte schon auf ihre Lovis in Ronja Räubertochter. „Ich find’s toll, dass hier Musiktheater für junges Publikum auf der großen Bühne stattfindet.“ Vor der Premiere am 18. Juni möchte sie unbedingt noch beim Jungen Theater Bonn Pippi Langstrumpf und Brüder Löwenherz von Astrid Lindgren anschauen. Schließlich wohnt sie in ­Beuel gerade um die Ecke.
Im Moment ist Ceri Williams allerdings mit neuen und laufenden Bonner Opernproduktionen mehr als ausgelastet. Ihre persönliche Lieblingsrolle ist die Amneris in Verdis Aida, die sie mehr als drei Jahre lang in Mannheim sang. Die Azucena in Il Trovatore singt sie ebenfalls gern. Möglicherweise bald auch wieder Puccinis Frugola. Ihr Terminkalender ist bis 2018 schon gut gefüllt, u.a. mit schönen Rollen an der Nederlandse ­Reisopera und vielen Konzertauftritten. Die Liste der prominenten Dirigenten, mit denen sie mittlerweile schon zusammengearbeitet hat, würde fast eine halbe Seite in diesem Magazin füllen. „Ein hochbezahlter Superstar wird man mit meiner Stimmfarbe kaum. Weil ich ziemlich spät angefangen habe und mich in dem Geschäft erst mal etablieren musste, bin ich besonders neugierig.“ Ceri Williams lacht gern, hat immer viele Ideen, muss jetzt aber zur nächsten Probe.

Donnerstag, 31.08.2017

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