Rolf Broman - kultur 121 - Dezember 2015

Rocco, Daland, Wassermann und der Papst

Am Abend hat der hochgewachsene blonde Bassbariton eine Bühnenprobe zu Antonin Dvoráks Rusalka. Das lyrische Märchen wird Mitte November wieder aufgenommen. Rolf Broman singt in allen Vorstellungen den Wassermann. Seit Januar hat er an der Partie gearbeitet, erzählt er: „Erstmal musste ich den tschechischen Text lernen und verstehen. Musikalisch liegt die ziemlich umfangreiche Partie zwischen hohem Bass und Heldenbariton. Es ist aber bei jeder sängerischen Aufgabe wichtig, die richtige Balance für die eigene Stimme zu finden. Die poetische Inszenierung von Mark Daniel Hirsch gefällt mir sehr. Sie hat wunderschöne Bilder, so dass die Oper trotz ihrer Länge hoffentlich auch den Kindern im Publikum gefällt.“
Rolf Broman hat selbst zwei Töchter (10 und 6 Jahre alt) und fliegt so oft wie möglich in seine finnische Heimat. „Im September habe ich schon zwölf Flüge nach Helsinki bis zum Jahresende gebucht. Mindestens zweimal im Monat möchte ich meine Familie treffen.“ Seine Frau Hedvig Paulig ist ebenfalls Sängerin und häufig unterwegs. 2011 gewann die Sopranistin den Ersten Preis beim Internationalen Sibelius-Wettbewerb und debütierte 2013 an der Finnischen Nationaloper als Fras­quita in Carmen. Zum 150. Geburtstag des Komponisten war sie im vergangenen Frühjahr mit Sibelius-Liedern auf Tournee ­ u. a. in Norwegen und Israel. „Glücklicherweise haben unsere Kinder wunderbare Großeltern ganz in der Nähe“, erklärt Broman. „Außerdem ist es toll, wenn man seine künstlerischen Interessen teilen kann und jeder Partner Verständnis hat für die Arbeit des anderen.“
Seine Eltern betrieben Musik als Amateure. Ihm machte das Singen schon als Kind großen Spaß. Mit sieben Jahren bekam er Klavierunterricht und besuchte später das Sibelius-Musikgymnasium in Helsinki. „Gesang war anfangs nicht mein Schwerpunkt, erst meine Mutter überredete mich dazu. 1994 sah ich im Fernsehen das Konzert der ‚Drei Tenöre‘ in Los Angeles und war so hingerissen, dass ich nun unbedingt meine Stimme zum Hauptinstrument machen wollte. Ok, Tenorglanz habe ich halt nicht, aber die tieferen Partien sind oft besonders interessant. Obwohl man sich dran gewöhnen muss, mit unter 40 Jahren häufig ältere Typen zu verkörpern.“
Den in Finnland obligatorischen Wehrdienst absolvierte Broman als Musiker des Militärorchesters. Schon vor dem Beginn seines Studiums an der Sibelius-Akademie wurde er am dortigen Opernstudio für kleinere Rollen engagiert. Seine Ausbildung an der renommierten Hochschule schloss er mit einem Magister-Examen und einem später folgenden Diplomkonzert ab. „Die Absolventen aus Skandinavien und dem Baltikum stellten sich bei einem Vorsingen in Stock­holm vor. Ich hatte kurzfristig die Plumkett-Arie aus Martha einstudiert.“ Unter den kritischen Zuhörern war Tobias Richter, damaliger Generalintendant der Deutschen Oper am Rhein. Er engagierte den Finnen zunächst für das „Junge Ensemble“ und dann für wachsende Aufgaben. Unter Richters Nachfolger Christoph Meyer wurde Broman festes Ensemble-Mitglied.
„Das Pendeln zwischen Düsseldorf und Duisburg war zwar manchmal anstrengend, und im ‚Jungen Ensemble‘ waren die Gagen eher bescheiden“, gesteht Broman. „Man war jedoch sofort in große Produktionen eingebunden und konnte von den erfahrenen Kollegen viel lernen.“ In über 20 Rollen war er in der Deutschen Oper am Rhein zu erleben, darunter als Geisterbote in Strauss‘ Die Frau ohne Schatten und als Antonio in Le nozze di Figaro und als Sciarrone in Tosca (Regie: Dietrich Hilsdorf). Für zwei Jahre zogen auch seine Frau und seine Kinder in die nordrheinwestfälische Hauptstadt. „Es war eine sehr schöne Zeit, aber wir wollten doch gern wieder nach Finnland.“
In diversen Städten seines Heimatlandes hatte Broman bereits große Rollen wie den Schaunard in La Bohème, den Masetto in Don Giovanni oder die Titelpartie in Mozarts Figaro gesungen, und debütierte 2011 an der Finnischen Nationaloper als Edward Teller in Doctor Atomic des zeitgenössischen amerikanischen Komponisten John Adams. Regie führte Immo Karaman, der für seine Inszenierung dieser Oper am Saarländischen Staatstheater mit dem „Faust-Preis“ ausgezeichnet wurde. 2012 gab er den Mönch in Verdis Don Carlo. 2013 gastierte Broman an der Oper Chemnitz als Oberpries­ter/Großinquisitor in Giacomo Meyerbeers Vasco da Gama, der vielbeachteten Erstaufführung einer Rekonstruktion der Urfassung der Grand Opéra L’Africaine. Regie führte Jakob Peters-Messer, der in Bonn 2014 Beethovens Fidelio auf die Bühne brachte. Bei der Premiere der Produktion, die noch einige Bonner Beethovenfeste überleben soll, sang Priit Volmer den Kerkermeister Rocco. Inzwischen hat Broman, den Generalintendant Bernhard Helmich aus Chemnitz nach Bonn holte, die Rolle hier zehn Mal verkörpert.
Priit und Rolf sind seit der Spielzeit 2013/14 fest in Bonn engagiert. „Wir haben uns erst hier kennengelernt, obwohl wir denselben finnischen Lehrer hatten und immer noch regelmäßig mit ihm arbeiten. Wir sind ja beide ‚Nordlichter‘, wohnen in Bonn nur ein paar Straßenecken voneinander entfernt und sind auch sonst gute Freunde, die sich problemlos einige Partien teilen.“ Den Luther/Crespel in Hoffmanns Erzähungen, den Timur bei der Wiederaufnahme von Turandot, den Sarastro in der Zauberflöte z. B. oder jetzt den Daland im Fliegenden Holländer.
Den Tiresias in Thebans sang Broman jedoch exklusiv, und den kokett tänzelnden Papst Clemens VII. in Benvenuto Cellini spielt er ebenfalls in allen Vorstellungen. „Die Arbeit hat riesigen Spaß gemacht. Anfangs dachte ich: Wie praktisch, ich komme erst ganz am Schluss und habe nicht viel Text. Dann habe ich gemerkt, wie kompliziert die Musik ist und welche Modulationen da drin stecken. Toll finde ich den choreografischen Rhythmus der Inszenierung. Ich mag es, wenn die Regie ein klares Konzept hat und wenn ästhetisch alles zum Text und zur Musik passt. Gespielt habe ich immer gern, das Schauspiel-Handwerk aber erst nach und nach in der Praxis gelernt. Die Proben auf der Bühne sind die wichtigste Lehre. Man muss es schaffen, dass die ausgedrückten Gefühle einem nicht auf die Kehle gehen. Schließlich soll nicht ich die Empfindungen haben, sondern du im Zuschauerraum. Aber ich bin keine Stimm-Maschine und mache auch Fehler. Ganz wichtig sind immer die Sensibilität des Orchesters und ein gutes Feedback der Kollegen.“
Derzeit arbeitet er schon an der Kinderoper Vom Mädchen, das nicht schlafen wollte, die im Februar ihre Bonner Premiere hat. Für Konzerte und Liedgesang bleibt ihm aktuell wenig Zeit. „Die Gestaltung von Liedern macht unglaublich viel Arbeit.“ In der deutschen Kirche in Helsinki wird er im nächsten Jahr aber in Mozarts Requiem auftreten – zusammen mit seiner Frau.
Zukünftige Traumrollen hat er nicht. „Man weiß nie, wohin es geht. Wichtig sind der eigene Weg und die Balance. Mir geht es vor allem darum, mein Instrument so gut wie möglich zu beherrschen und ehrlich damit meine beste Leistung zu bringen.“

Dienstag, 02.02.2016

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