Prix Pantheon 2010 - kultur 67 - Juni 2010

Prix Pantheon 2010: 27. und 28.04. im Pantheon

Am 27. und 28.04. fand, moderiert vom Hausherrn Rainer Pause, der diesjährige Prix Pantheon, der zum 16. Mal ausgetragene Wettkampf der Kleinkunst zwischen zwölf vielversprechenden Newcomern der Szene um den Gewinn des jeweils mit 3.000 e dotierten Jurypreises und des durch geheime Wahl bestimmten Publikumspreises statt.
Die im Folgenden beibehaltene Reihenfolge der jeweils 20-minütigen Auftritte wurde am Morgen des 27.04. ausgelost.
* Frieda Braun aus Winterberg im Sauerland könnte eine Schwägerin von Frau Jaschke sein, oder vielleicht nicht-bayerische Nichte von Else Kling. Sie berichtet von Erlebnissen mit ihren Freundinnen, dem (= Dativ von „et”) Hanni und dem Fine, kecken Dorffrauen der Generation 50+. Die beiden schaffen es, Frieda ganz neue Reize zu entlocken: Sie will sich ihrem Mann zum Geburtstag als liegendes kaltes Buffet darbieten, bei Kerzenschein auf dem Küchentisch... Am Anfang etwas langatmig, aber gutes überraschendes Finale!
* Nordkvark
Mit größter Ernsthaftigkeit und minimalistischster Mimik Ironie zur Perfektion gebracht: Drei lappländische Halbbrüder, wie einem Kaurismäki-Film entsprungen, singen (englisch mit speziellem Akzent) von der Sehnsucht nach „domethink to drink” und einem „uptown girl”, und von der Last mit den Mücken. „Popolski auf Finnisch”? Großer Applaus, auch wenn es nicht zum Preis gereicht hat.
* Max Uthoff
Politisches Kabarett, tagesaktuell und sarkas­tisch, Thema: „Worüber regen wir uns auf in diesem Land?” Ein zu weites Feld für 20 Minuten? Ja, aber von Uthoff gut auf den Punkt gebracht: „Moral - ein sagenhafter Anspruch?”
Originell: Uthoffs Bild vom „politischen Körper” mit Herz (Kanzler), Beinen (Bundestag), Leber (CDU), Blinddarm (FDP), Milz (SPD)... aber ohne Gehirn, das laut Uthoff dank des klaren Reiz-Reaktions-Schemas nicht nötig sei...
* Sebastian Pufpaff aus Unkel war der Lokalmatador und schließlich Gewinner des Publikumspreises. Pufpaff geht mit kindlicher Neugier den von vielen Erwachsenen längst übersehenen Fragen nach. Warum gibt es im Kühlschrank Licht, in der Tiefkühltruhe nicht? Warum sieht man nie Baby-Tauben? Wie ist das mit Ursache und Wirkung, wenn die Wind­räder stillstehen – dann gibt es keinen Wind mehr, oder? Pufpaffs Botschaft: „Wir müssen Helden werden. Verändern Sie die Welt, seien Sie crazy – aber auch gewarnt: Wer Fragen stellt, bekommt auch welche gestellt....” Großer Applaus, sicherlich regionalbedingt, aber auch verdientermaßen!
* David Werker berichtet live aus dem Studentenleben 2010. Neben besonderen Tipps wie „Schmutziges Geschirr schimmelt nicht, wenn man es einfriert”, präsentiert er seine Analyse geschlechtsspezifischer Besonderheiten. So hat er festgestellt, dass bei Klausuren Frauen ihre Grundangst nicht nur mit Glücksbringern vermindern, sondern sie in Einzelsorgen aufteilen, z.B. Verhungern (Gegenmittel: Obst, kiloweise) und Verdursten (Gegenmittel: Wasser, literweise). Ein weiteres Forschungsgebiet ist die generationenspezifische Mediennutzung: „Meine Mutter hat noch nie eine CD gebrannt, ich habe noch nie eine gekauft.” Und was tun, wenn man von allen 12 Tanten auf Facebook „angegriffen” wird? Witzig und originell, aber auf ein studentisches Publikum zugeschnitten.
* Axel Pätz sitzt am Flügel, auf geblümtem Stuhl auf Orientteppich. Da kommt Ruhe ins Pantheon? Nicht wirklich, denn Pätz sorgt mit schwungvollen Melodien und überraschenden Themen für Abwechslung und gute Laune. Vom mutigen Ansingen gegen die Wirtschaftskrise („Morgen gründen wir ´ne Bank“) über das Outing als Bayernfan bis zum Versuch einer musikalischen Bewältigung des Geburtstraumas: erfrischend anders!
* Das Geld liegt auf der Fensterbank, Marie, das Ensemble, das den Preis für den ungewöhnlichsten Namen verdient hätte, sind Fridolin Müller und Wiebke Eymess, ein Pärchen um die 30: Da geht es um das gemeinsame Stellen von Lebensweichen bei gleichzeitig weiterhin gepflegten studentischen und Junggesellen-Gewohnheiten (Lied Mitternachtsspaghetti morgens um 8) – natürlich nicht ohne gepflegte Diskussionen von höherer oder minderer Bedeutsamkeit. Mit verstecktem Witz wird der Zeitgeist ironisch in Frage gestellt.
* Thomas Kreimeyer stellt einen Ministuhl auf die Bühne und eine Eieruhr auf 20 Minuten. Er macht Stehgreif-Kabarett in stetem Dialog mit dem Publikum. Wer nicht mehr folgen kann, darf den Stuhl fixieren – zur Rückkopplung, damit das Niveau bei mehrheitlichem Stuhlanschauen wieder heruntergeschraubt werden kann. Hierzu kam es nicht, denn das sich verstrickende Gespräch zwischen Kreimeyer, einer Lehrerin und einem ihrer Schüler ließ alle mitlachen und ein bisschen -leiden. Risiko statt Vorbereitung? Auf jeden Fall ist Kreimeyer aufs Mitmachenwollen des Publikums angewiesen – in diesem Fall ein gelungener Versuch!
* Markus Barth, ein Franke in Köln („dort sollte man mal gewohnt haben, so lange es noch steht“), hat sich mit der „Grundentspanntheit“ der Rheinländer gut arrangieren können. Ihm fremd bleibt hingegen die deutsche Panikrhetorik von der „Schweinegrippe“ über den „Horrorwinter“ bis zum vulkanischen „Blutregen“. Wie schön, dass man sich mit nützlichen Alltagsgegenständen aus dem Drogeriemarkt ablenken kann, wie dem Geruchsneutralisierer für Bad und WC, den man nur in gut gelüfteten Bereichen nach dem Entfernen von Vögeln anwenden soll. Dass Barth die Themen ausgehen, steht nicht zu befürchten…
* Sebastian 23 (Sebastian Rabsahl) hat sich in den letzten Jahren als Poetry-Slammer einen Namen gemacht. Die Heimat im Ruhrgebiet und das Philosophie-Studium bieten ein reiches Spektrum für kreative Programmideen und Spontaneität (teilweise auch in Liedform mit Sebstbegleitung an der Gitarre vorgetragen), z.B. die Fabel vom Pavian auf der Suche nach seiner Identität. Das wurde belohnt: mit dem diesjährigen Jurypreis!
* Alexandra Gauger alias Fräulein Cäsar hätte den Preis für das abgestimmteste Outfit verdient: konsequent schwarz mit weißen Punkten, inklusive Handtasche. Fräulein Cäsar ist Musiklehrerin, plaudert aus dem Berufsalltag und der Musikszene von Margot Hellwig bis Whitney Houston. Grandios:?ihre stimm- und gesten­gewaltige Hymne a la Montserrat Caballé!
* Als letzter Kandidat sorgte die Cello Mafia für ein temporeiches Finale: Vier sizilianische Brüder in schwarzen Nadelstreifenanzügen, mit Zigarren und Sonnenbrillen, im Kampf um eine Schwes­ter, alle fünf mit Celli ausgerüs­tet: eine musikalische Show mit James-Bond-Note und Umbruch ins Komische, inkl. Macarena-Tanz mit Publikumsbeteiligung.
Alle Kandidaten haben eine weitere Chance: den Gewinn des TV-Publikumspreises. Die beiden Wettkampfveranstaltungen werden am 16. und 23.05. um 23.15 Uhr im WDR gesendet. Im Internet (http://www.wdr.de/tv/comedy/ sendungen/fernsehen/prix_pantheon_2010/kuenstler.jsp) kann jeder (auch Sie!)?seine Stimme abgeben. Bei der Prix-Pantheon-Gala am 15.06. wird der Gewinner des TV-Preises bekanntgegeben und der Gewinner des diesjährigen mit 4.000 e dotierten Prix-Pantheon-Sonderpreises, Georg Schramm, auftreten, dazu die Gewinner des Nachwuchswettbewerbs und weitere Ehrengäste. J.S.

Donnerstag, 19.01.2012

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