Der Brandner Kaspar und das ewig’ Leben - kultur 65 - April 2010

Unwiderstehlich lebendig: Der Brandner Kaspar und das ewig’ Leben im Kleinen Theater

Der liebe Gott muss ein Herz für die Bayern haben. Die weiß-blaue Abteilung im Himmel ist jedenfalls ein solch kurzweiliger Ort, dass man es dort glatt für die Ewigkeit aushalten könnte. Doch erstmal fühlt sich der Brandner Kaspar mit seinen 72 Jahren in seiner bescheidenen Hütte noch ganz wohl. Bei den herzoglichen Jagden ist er immer noch munter dabei, ein bisschen Wilderei sichert den Lebensunterhalt. Dass plötzlich der Boandlkramer (hochdeutsch: Gebeine-Händler) an die Tür klopft, passt ihm überhaupt nicht. Der Tod ist freilich auch nur ein armer Kerl, im Paradies wie auf Erden unbeliebt, und folglich nicht abgeneigt, sich in Kaspars guter Stube äußerlich und innerlich ein wenig aufzuwärmen. Was der lis­tige Kaspar dazu nutzt, ihm nach etlichen Stamperln Kirschgeist gleich 18 weitere Jahre abzuhandeln.
Franz von Kobells 1871 erschienene Erzählung vom ewigen Leben des Brandner Kaspar gehört zu den Klassikern der bayerischen Literatur. 1975 machte Kurt Wilhelm (1923 – 2009) aus dem populären Werk seines Ururgroßonkels ein Theaterstück. Es wurde der größte Erfolg des Bayerischen Staatsschauspiels und steht dort bis heute im Repertoire. Trotzdem: Ein Volksstück in bayerischer Mundart in Bad Godesberg erscheint schon leicht fremdartig. Und ist es in der höchst vergnüglichen Inszenierung von Manfred Molitorisz (gesprochen wird ein auch für rheinländische Ohren gut verständliches süddeutsches Idiom) keineswegs. Er setzt mit feinem Humor auf die Allgemeingültigkeit der Geschichte, die ja durchaus ernsthaft vom unvermeidlichen letzten Weg handelt.
Außerdem spielt der Regisseur selbst einfach hinreißend den schwarz gewandeten, zähneklappernden (das Gebiss ist schließlich nicht mehr das neueste!) Gesellen, der überall zur Unzeit auftaucht und selten Dank erntet. Die strengen Auftraggeber dort oben müssen den Knochenjob ja nicht machen, und Irren ist menschlich angesichts eines Schlitzohrs wie Kaspar. Theo Gründling spielt wunderbar vielschichtig den verschmitzten alten Brandner, dem vor Jahren die Frau wegstarb, und der ums Verrecken noch was vom Leben haben will. Nicht zuletzt wegen der Enkelin Marei (entzückend: Ivana Langmajer), die doch den Knecht Florian (Ingo Heise) liebt und Großvaters Unterstützung braucht. Ums Marei bemüht sich auch der nette Jäger Simmerl (Jürgen Clemens). Und dann muss das Mädel bei einem Unwetter im Gebirge unversehens dran glauben – 18 Jahre zu früh, wie die himmlische Buchhaltung zugeben muss.
Folglich ist der unglückliche Kaspar nicht mehr ganz abgeneigt, als der Boandlkramer ihm an seinem 75. Geburtstag einen Blick ins Paradies anbietet. Nur zur Probe und selbstverständlich mit Rückkehrgarantie. Der Tod ist schließlich ehrlich. Was Bühnenbildner Rolf Cofflet für die Himmelszenerie an liebevoll gemalten Prospekten geschaffen hat, ist fast noch schöner als die irdischen Wald-, Festwiesen- und Wohnzimmeridyllen. Dass der kesse Erzengel Michael (umwerfend komisch: Rocco Hauff) mit seinen ausladenden Flügeln (tolle Kostüme: Kara Schutte) immer Probleme mit der etwas zu engen Himmelskulissentür hat, ist ebenso lustig wie das Latein des heiligen Nantwein (Stephan A. Tölle). Der würdige Pförtner Petrus (Helmut Kasimir) und der feinsinnige Kämmerer Ludwig Turmair (Lothar Didjurgis) haben gegen ein Bier in Ehren und gelegentlich Weißwürstl statt fadem Manna nichts einzuwenden. Wenn dann noch Marei glücklich auftaucht und die grantige alte Base Theres (Regina Schrott) plötzlich zur hochschwangeren jungen Schönheit mutiert, fühlt sich Kaspar wie im siebten Himmel. Die Sache mit dem langen Sündenregister und dem lästigen Fegefeuer wird sich unter Freunden regeln lassen. Hauptsache, kein depperter Preuße stört den ewigen Frieden.
Nur der Tod schaut mal wieder in die Röhre. Jetzt hat er den Kaspar mit Mühe ins Paradies geschafft und sein ‚Versehen’ ausgeglichen. Darf nicht mitfeiern, kriegt keinen Schnaps zur Belohnung, und Streikrecht hat er auch nicht. Er hätte wirklich mehr Anerkennung verdient, was eine sympathische Botschaft dieser Aufführung ist, die ihren allegorischen Hintersinn geschickt an der Oberfläche versteckt. So augenzwinkernd theaterselig, dass man’s im Diesseits nicht verpassen sollte. Das Jenseits ist sowieso sicher. E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 2¼ Std., eine Pause
Im Programm bis: 19.04.10
Nächste Vorstellungen: 2.04./3.04./4.04.10

Samstag, 05.02.2011

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