Prix Pantheon 2011 - kultur 77 - Juni 2011

Prix-Pantheon: Nachwuchswettbewerb 2011 im Pantheon

Am 28. und 29.04.2011 fanden im Pantheon zum 17. Mal die Prix-Pantheon-„Wettkampftage” statt.
12 Athleten der Kleinkunst trafen sich zur Olympiade um den Jurypreis „Früh­reif und Verdorben” und den Publikumspreis „Beklatscht und Ausgebuht”.
Unter der bewährten Leitung und Moderation durch den Hausherrn Rainer Pause stellten die Kandidaten ihr Können in 20-minütigen Auftritten unter Beweis. Die Besucher der beiden Vorstellungen hatten jeweils ihren Sieger des Abends zu wählen (die Reihenfolge der Auftritte war zuvor durch das Los entschieden worden), Träger des Publikumspreises würde der meistgenannte Kandidat werden.

Am 29.4. gegen 23 Uhr war es dann soweit: Die Stimmen waren ausgezählt, die Fachjury (zusammengesetzt aus Vertretern der Presse und der Kleinkunstszene) hatte ihr Urteil gefällt. Die Spannung stieg auf ein Höchstmaß, als Rainer Pause mit den entscheidungsschweren Umschlägen auf die Bühne kam.
Der Jury war die Wahl sehr schwer gefallen, sodass sie sich entschieden hatte, den Preis zu „halbieren” und sowohl den 1962 in Wien geborenen Kabarettisten Gunkl (Günther Paal) als auch den 1976 in den Niederlanden geborenen Philip Simon auszuzeichnen.
In ihrer Laudatio lobte sie Simons unkonventionelle, blitzgescheite Performances, bei denen er Stand-up-Kunst mit politischem Kabarett verbindet, und Gunkl als den Wittgenstein unter den Kabarettisten, als Sprachphilosophen und Denker, der dem Zuhörer ein Großreinemachen im Schädel ermögliche.
Gewinner des Publikumspreiseswurde Frank Fischer (*1973 in Rüsselsheim).

Die Essenz der Auftritte in der Los-Reihenfolge:

* Philipp Scharri aus Bonn beleuchtet mit Reim und Rap die deutsche Hypochondrie, die „Bürger mit Infektionshintergrund” und analysiert das Vokabular der Jugend, die einen Mähdrescher auch für einen Schafe­schänder halten könnte. Viel Gestik und Bewegung, der ein wenig an Büttenreden erinnernde Reimstil ist Geschmackssache.

* Philip Simon, in Berlin und Texel zu Hause, stellt die These „Wahnsinn ist befreiend” auf und findet vom Privaten bis zur hohen Politik erschreckend viele Pro-Argumente. Fundiertes politisches Kabarett mit schauspielerischen Fähigkeiten und uneitlem Understatement serviert!

* Christoph Tiemann (Schauspieler, Kabarettist, Autor aus dem nördlichen Ruhrgebiet) stellt das Zuhörvermögen mit seiner Interpretation der Geschichte von Samson und Delila als Ursprung des Selbstmordattentäters zu sehr auf die Probe. Mehr Pointen-Würze hätte gut getan.

* Helge und das Udo (der Kieler Helge Thun und der Schweizer Udo Zepezauer) haben vermutlich nur knapp den Gewinn des Publikumspreises verfehlt. Thun als um Seriosität bemühter Moderator und Zepezauer als ­buddhistischer Guru, genialer Tierimitator unter vollem Körpereinsatz oder russischer Literaturexperte sind als Duo einfach umwerfend komisch.

* Sabine Domogala wurde in Bonn als Lokalradiomoderatorin und Mitglied des Springmaus Party Theaters bekannt und präsentiert sich nun dem Publikum als Motivationstrainerin. Das Thema ist als Abrechnung mit der Fülle fragwürdiger Ratgebermedien sicherlich gut gewählt, aber der komödiantische Funke vermochte nicht so recht überzuspringen.

* Der Lesebühnenautor Tilman Birr (*1980) begeisterte mit seinen Erfahrungen als „Stadtbilderklärer”, seiner bitteren Transposition der „Fabelhaften Welt der Amélie” ins Ruhrgebiet und einer höchst authentischen Reinhard-Mey-Persiflage. Preiswürdig!

* Gunkl: ausgereiftes anspruchsvolles Kabarett rund um die Frage, was den Menschen ausmacht. (Ein Büronamensschild zumindest nicht: nichts anderes als eine Urinmarkierung...)

* Kristian Kokol hatte Mühe, die 20 Minuten für sein Thema „Was die Langeweile so aus einem macht...” optimal zu nutzen, bot jedoch interessante Einblicke in die sinnfreie Rück­zugshöhle, die so manches Studium partiell noch bietet.

* Götz Frittrang tritt mit sympathischer Ruhe und Souveränität auf. Zu den Highlights gehörte seine Vergleichsstudie zwischen Hunden und Katzen, die allerdings klar zu Guns­ten der Hunde ausging.
* Frank Fischer ist ein Meister der Dialektimitation, nimmt die Sprachdefizite der bestens integrierten Bundesbürger aufs Korn und gibt Tipps, wie man nervende Mitbürger zum verblüfften Schweigen bringt.

* Angelika Knauer (*1960 in Köln) zeigt als schlagfertige Hamburger Pensionärin Frau Klein, was auch im Alter noch möglich ist: Rap z.B.! Ein gelungenes, aber mit der Interpretation von Friedrich Holländers Wenn ich mir was wünschen dürfte auch nachdenklich stimmendes Plädoyer für mehr Schwung im Alter.

* The Fuck Hornisschen Orchestra: Das schräge musikalische Duo zweier Ex-Kommilitonen mit Gitarre und Turnbeutel hätte den „Farthest-from-Mainstream”-Preis verdient.

Alle 12 Kandidaten haben noch die Chance, den „TV-Publikumspreis“ zu gewinnen. Bei der Großen Prix-Pantheon Gala am 7.06.11 im Brü­ckenforum wird der Gewinner bekanntgegeben, den die Zuschauer per Internetvoting im Anschluss an die Übertragungen im WDR-Fernsehen bestimmt haben.
Abschließend ein Lob an das gute Lichtdesign, das jeden der 12 Kandidaten in individuellen und variantenreichen Stimmungen unterstützte, sowie an das Team des Pantheon Theaters für seine herzliche Gastfreundschaft, die dem Festival einen optimalen Rahmen bot. J.S.
***
Weitere Sendetermine:
* 18.6., WDR Fernsehen, 23:15 Uhr: Teilnehmer Best-of
* 23.6., einsfestival, 20:45 Uhr: Teilnehmer Best-of
* 25.6., WDR Fernsehen, 22:45 Uhr: Prix Pantheon 2011 – Die Gala
* 30.06., einsfestival, 20:45 Uhr: Prix Pantheon 2011 – Die Gala

J.S.

Donnerstag, 19.01.2012

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