Das Käthchen von Heilbronn - kultur 46 - April 2008

Traumhaft sicher durch die Feuerprobe - Das Käthchen von Heilbronn von Heinrich von Kleist im Kleinen Theater

Ein 15-jähriges Bürgermädchen verfällt scheinbar ohne jeden Grund einem jungen Grafen, verlässt Vater und Bräutigam und folgt ihrem „hohen Herrn“ gegen alle Widerstände. Dass sie ihn am Ende heiraten wird, ist beinahe nebensächlich. Denn nicht die weltliche Liebe treibt sie an, sondern die Verkündigung eines Engels, der ihr diesen Mann zugesagt hat. Der Ritter hat auch geträumt, aber weniger verstanden.
Heiliger Ernst und romantische Ironie bestimmen Heinrich von Kleists Drama Das Käthchen von Heilbronn oder Die Feuerprobe. Ein großes historisches Ritterschauspiel. Ein düsteres Femegericht steht am Anfang, ein Cherubim muss rettend eingreifen, und für den Komödienschluss bedarf es eines leibhaftigen Kaisers als Deus ex Machina.
Paul Bäcker inszeniert das im Kleinen Theater nicht als mittelalterliches Ritterspektakel sonder als poetisches Märchen. Die Ausstattung von Thomas Pekny mit variablen Stellwänden, ein paar Hockern und schlichten zeitlosen Kostümen läst fast mühelos alle Zeitsprünge und Raumverwandlungen zu. Die vielen Figuren sind auf eine übersichtliche Zahl reduziert; Kleists Sprache mit ihrem Wechsel zwischen Prosa und Blankversen beherrschen alle mit wunderbarer Klarheit.
Das Ereignis ist Claudia Kraus in der Titelrolle. Die 29-jährige Schauspielerin, von 2002 bis 2006 engagiert am Staatstheater Wiesbaden, spielt absolut glaubwürdig das kindlich unschuldige Mädchen, das völlig sicher und unbeirrbar einem Traum folgt. Sie ist dabei weder naiv noch hysterisch, sondern mit geradezu unheimlichem Selbstbewusstsein unterwegs in einer Welt, die sie weder durch Knochenbrüche, den Schmutz der Ställe, Peitschen, Feuer, Eifersucht und Gift beschädigen kann. Ihre Szene im brennenden Schloss spricht sie wie eine Traumwandlerin in halsbrecherischer Höhe, als ob die Gefahr sie selbst gar nicht beträfe.
Ingo Heise spielt sehr überzeugend den schönen jungen Grafen Wetter vom Strahl, der dem eigenartigen Käthchen längst insgeheim zugehört. Die bezaubernde Holunderbuschszene, in der er vom schlafenden Käthchen endlich aus seiner Verblendung erlöst wird, macht er zu einem sensiblen Kunststück. Silke Natho gibt der bösen Kunigunde, die als Produkt der Schönheitsindustrie die Männer betört und als intrigante Hexe ihr Vermögen an sich rafft, den nötigen Zündstoff. Lothar Didjurgis ist eindrucks­voll Käthchens verzweifelter Vater Theobald, der nur das Glück seiner geliebten Tochter im Sinn hat und sich dafür am Schluss vom Kaiser sogar zum Hahnrei machen lässt. Erwin Geisler gibt diesem vor Jahren mal ins Bürgertum verirrten Herrscher die notwendige parodistische Komik und hat als alter Knecht Gottschalk das Herz auf dem rechten Fleck. Fabienne Hesse als putzige Zofe Rosalie facht mit loser Zunge Kunigundes Illusionen an und schnürt den Panzer, der deren Putz zusammenhält. Als niedlich beflügelter stummer Engel ist sie eher überflüssig. Raphael Grosch und Bruno Lehan machen in diversen Rollen gute Figur und sorgen mit viel spielerischem Elan für den dramatischen Fortgang der Handlung.
Käthchen ist im Sinn von Kleists eigenwilliger Dramaturgie eine Marionette: Sie ist passiv und weiß nicht, dass sie spielt. Deshalb ist sie ungeheuer präsent und emotional anrührend. Überzeugter Premierenbeifall! E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 2½ Std. mit Pause
Im Programm bis: 13.04.08
Nächste Vorstellung: fast täglich

Dienstag, 07.10.2008

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