Am Katzenmoor - kultur 98 - Juli 2013

Am Katzenmoor von Marina Carr in der Halle Beuel: Gespenster auf mythischem Grund

Wenn die alte Schwänin Black Wing stirbt, wird auch Hester Swane endgültig gehen müssen. So ist es vorhergesagt in dem düsteren, symbolisch aufgeladenen Stück Am Katzenmoor (uraufgeführt 1998 in Dublin) der mehrfach ausgezeichneten irischen Dramatikerin Marina Carr. Generalintendant Klaus Weise hat die Autorin noch während seiner Oberhausener Zeit in Deutschland bekannt gemacht und in Bonn die deutschsprachigen Erstaufführungen ihrer Stücke Ariel und In Marmor inszeniert. Die letzte Premiere seiner Amtszeit hat er dem Regisseur Ingo Berk (*1975) anvertraut, einem der vielen Talente, die in Bonn durchstarteten.
Um es gleich vorwegzusagen: Berk ist mit Am Katzenmoor in der Halle Beuel ein Meisterwerk gelungen, das man nicht verpassen sollte, zumal die meisten mitwirkenden Schauspieler nach dieser Saison nicht mehr am Theater Bonn engagiert sind.
Die Bühne von Damian Hitz, um die sich an vier Seiten die Zuschauer gruppieren, ist ein riesiger Sarg, gefüllt mit weichem, feuchtem Torf, der die Bewegungen der Akteure mühsam und lautlos macht. Hester Swane lebt in einer Moorhütte am Rand einer irischen Kleinstadt. Nina Tomczak spielt ungeheuer intensiv die Außenseiterin, die als fremde „Zigeunerin“ von allen gemieden wird. Sie hat jedoch eine siebenjährige Tochter mit Carthage Kilbride (der Name hat wie fast alle einiges zu sagen). Das Mädchen ist genau in demselben Alter wie ihre Mutter, als diese von ihrer Mutter verlassen wurde. Die zierliche Marina Lubrich (*1975 wie der Regisseur, mit dem sie schon mehrfach zusammenarbeitete) ist als kindliche Josie ein Ereignis. Die Schauspielerin, die bereits an etlichen großen Bühnen engagiert war, gastiert zum ersten Mal in Bonn und ist allein schon einen Besuch der Vorstellung wert.
Ihren Vater verkörpert Hendrik Richter, der wie Jason in der zugrunde liegenden Medea-Geschichte verzweifelt hin und her gerissen ist zwischen der einstigen Geliebten und einer reichen jungen Braut. Caroline Cassidy (selbstbewusst: Julia Goldberg) weiß durchaus, dass es nicht um Liebe geht, sondern um den Hof und die Viehställe, die sie als Mitgift in die Ehe bringt. Rolf Mautz stapft als stolzer Papa Xavier Cassidy ebenso machtbewusst wie väterlich hilflos durch den Sumpf der Vergangenheit. Carthages schrill aufgetakelte Mutter Mrs. Kilbride (Kostüme: Eva Krämer), die sich auf ihre Weise rührend um ihre Enkelin Josie kümmert, hält die Hochzeit für eine passable Lösung des Fehltritts ihres Sprösslings. Die großartige Tatjana Pasztor ist das tragikomische Element an der Oberfläche der abgründigen Verstrickungen, die die ganze Sippschaft irgendwann einholen. Birte Schrein ist die außerhalb der Familienbande agierende Monica Murray, die tapfer zwischen den Parteien laviert.
Für deren dunkle Geheimnisse stehen der seltsame Geisterfreund (Arne Lenk) und der Geist von Hesters totem Bruder Joseph Swane (Konstantin Lindhorst). Zwei Spukgestalten aus der sagenhaften Moorwelt, die Hester später wütend in Flammen setzt. Wie alle Brände dort untergründig weiterschwelen, weiß sehr genau das geheimnisvolle Katzenweib, das sich schön eklig von Mäusen ernährt. Tanja von Oertzen gestaltet dieses Geschöpf zwischen Hexe und Prophetin, Verrücktheit und Hellsicht absolut fabelhaft. Vollkommen irreal und boshaft gegenwärtig als Figur aus schwarzer Poesie und mythologischen Albträumen.
Zur Hochzeit erscheinen alle in festlichem Weiß. Selbst Josie hat ihr Kommunionskleid angezogen, um mit ihrem Papa und dessen neuer Gemahlin in die Flitterwochen zu fahren. Es wird nicht dazu kommen, denn Hester Swane mordet, was sie am meisten liebt. Alles Weiße ist dreckig und blutig, wenn der Sargdeckel sich wieder schließt über einer mythischen Erzählung, die die bösen Geister in die Gegenwart holte. Und mit einem traumhaft guten Ensemble in eine irritierende Theatermagie entführte, wie man sie nur selten erlebt. E.E.-K.

Spieldauer ca. 2 Stunden, keine Pause
Die letzten Termine:
2.07. / 4.07.2013

Dienstag, 10.12.2013

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