Petrushka/Gaspard/Hunt - kultur 94 - März 2013

Petrushka/Gaspard/Hunt von der Tero Saarinen Company in der Oper: Tanz-Highlights aus Finnland...

Ein mit schwarzen Fräcken und Schlapphüten bewehrtes Akkordeon-Duo begleitet live die traurige Geschichte des kleinen russischen Clowns Petruschka, der sich unsterblich in die schöne Ballerina verliebt hat, die jedoch den attraktiven Mohren bevorzugt. Alle drei sind plötzlich zum Leben erwachte Puppen eines Jahrmarktszauberers. Der finnische Choreograph Tero Saarinen hat Strawinskys Ballettklassiker Petrushka auf einen dramatischen Liebesalbtraum reduziert. Die drei Figuren probieren verspielt das heitere Bewegungsvokabular der Commedia dell’arte, bevor sie sich in einen verzweifelten Gefühlskampf hineinsteigern. Petruschka erträgt die erotische Übermacht des starken Konkurrenten nicht mehr und geht in einem emotionalen Pathostaumel zugrunde. Das gut halbstündige, virtuos getanzte Stück bewahrt den grotesken Witz und die Poesie des Originals, gewinnt seine Eindringlichkeit jedoch vor allem durch die originell arrangierte Musik.
Düsterer Nebel steigt auf bei Gaspard de la nuit. Maurice Ravels technisch kaum zu meis­ternde impressionistische Klavierkomposition kommt vom Band, während drei Frauen und zwei Männer immer neue Konstellationen erproben. Ein unterkühlter Hedonismus scheint sie anzutreiben in diesem melancholischen Nachtstück, das in Bonn seine Deutschland-Premiere erlebte.
Heller wird es bei Hunt, Saarinens eigenwilliger Neuinterpretation von Sacre du printemps. Um die Vergänglichkeit des Schönen (immer wieder wird der „Sterbende Schwan“ herbeizitiert) geht es auch hier. Vor allem jedoch um die Selbstaufopferung des Künstlers. An die tödliche „Frühlingsweihe“ einer Jungfrau in Strawinskys vor 100 Jahren komponiertem Schlüsselwerk des modernen Tanzes erinnert der vom Himmel schwebende weiße Rock, den Saarinen sich überstreift, um dann mit nacktem Oberkörper wie in ritueller Ekstase in sich zu kreisen. Videoprojek­tionen und strobos­kopische Lichteffekte fragmentieren seinen Körper, schaffen Zerrbilder von betörender und zugleich beängstigender Raffinesse. Jäger und Opfer werden eins in dieser genialen tänzerischen Selbstreflexion, mit der Tero Saarinen 2002 bei der Biennale in Venedig seinen Weltruhm begründete. In 30 Ländern hat er dieses Solo seitdem über 150 Mal getanzt. 2013 wird aber Schluss sein; danach soll ein jüngerer Tänzer aus Saarinens Compagnie die Rolle übernehmen. Das Bonner Publikum kam also in den Genuss einer der letzten Aufführungen mit dem Schöpfer dieses Multimedia-Ereignisses. Der Beifall blieb trotzdem etwas ratlos.

Donnerstag, 26.09.2013

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