Das perfekte Dreieck - kultur 67 - Juni 2010

Pfiffige Geometrie: Das perfekte Dreieck im Kleinen Theater

Ein perfektes Trio: Der Homosexuelle mit seinem Mann und seiner Frau. Gemalt von der entzückenden jungen Milly, deren künstlerische Fähigkeiten deutlich unter denen liegen, die der nicht mehr ganz so junge Harold an ihr schätzt. Dessen Tendenz zu außerehelichen Eskapaden ist leider etwas ausgeprägter als seine Intelligenz. Ein ganz normaler Hetero halt: „der Mann – das bekannte Unwesen“. Erstaunlich ist eigentlich nur, dass die elegante, reiche Helen diesen in jeder Hinsicht durchschnittlichen Typen vor etlichen Jahren geheiratet, ihm einen gut bezahlten Job in der Firma ihres Vaters verschafft hat und seine Irrwege eher einkalkuliert als eifersüchtig verfolgt. Klar: Ein biss­chen Empörung über die notorische Untreue des Angetrauten muss sein. Außerdem ist es ganz niedlich, wie er auf ihren mechanischen „Sexdetektor“ reinfällt, das Handy mit der Telefonnummer seines aktuellen Verhältnisses offen rumliegen lässt und sich ständig in seinen eigenen Geschichten verheddert.
Glücklicherweise hat Milly einen treuen Freund, der gern wie Peter Pan durchs Fens­ter hereinschneit. Peter heißt dieses reizende Flugobjekt, das dem weiblichen Geschlecht nicht zugetan ist und deshalb ein blitzgescheiter Frauen- und Männerversteher ist. Womit das heitere Versteckspiel erst richtig beginnt…
Der bekannte Regisseur und Schauspieler Folker Bohnet (zuletzt in Bad Godesberg der „Garderobier“ an der Seite von Prinzipal Walter Ullrich) hat die freche kleine Komödie Das perfekte Dreieck im Kleinen Theater höchst charmant inszeniert. Verfasst hat das Stück der in Brasilien geborene, seit 1952 in Israel lebende Autor Arieh Chen, an dessen hintergründigem Humor die Regie noch mal hübsch gefeilt hat. Für die flotten Wechsel von der bescheidenen Chelsea-Mansarde zum gepflegten Londoner Upper-Class-Ambiente sorgt das raffinierte Einheitsbühnenbild von Katrin Reimers.
Harold (sehr komisch zwischen List, Lust und Notlügen: Dirk Waanders) turtelt also mit seiner lebenslustigen Milly (keck und jugendfrisch: Sigrid M. Messner). David Imper spielt den Sunnyboy Peter wunderbar sicher zwischen ‚echtem’ Männerfreund und allen notgedrungen vorgeführten Schwulen-Klischees. Der Junge hat Format und einen schwarzen Humor, dem sogar seine geliebte Mama im noblen Cambridge zum Opfer fällt, was möglicherweise die etwas weniger noble Cam­bridge-Bar gleich um die Ecke meint.
Als souveräne Spielerin erweist sich Myriam Stark in der Rolle der klugen Helen. Dass Harold ihr seine angebliche Neigung zum männlichen Geschlecht verheimlicht hat, lässt ihre anfängliche Wut und weibliche Frustration in eine geradezu unheimliche Begeisterung für alle verfolgten sexuellen Minderheiten umschlagen. Wobei ihre unwiderstehliche Toleranz nicht nur Harold und seinem jungen ‚Lover’ ziemliche Probleme bereitet. Helen entwickelt einen fast mütterlichen Beschützerinstinkt für das vermeintlich zärtlich verbundene Männerpaar. Dass sie sich ihren schwarzen Anzug zum Besuch in Millys Atelier, das flugs zum schwulen Liebesnest unfunktioniert wird, gleich beim Herrenausstatter besorgt (hübsche Kostüme von Sylvia Rüger), geht ein bisschen weit. Dass sie den netten Peter am liebs­ten in der ehelichen Wohnung einquartieren möchte, in der Millys zweifelhaftes Dreier-Porträt natürlich einen Ehrenplatz bekommt, bringt Harold an den Rand der Verzweiflung. Selbstverständlich hat Helen sich mit Stapeln von Büchern schlau gemacht über diverse Varianten männlichen Sexualverhaltens. Dennoch scheint in ihrem Kopf mehr los zu sein, als alle anderen ahnen. Myriam Stark macht aus dieser Mischung zwischen süßer Rache und präziser Strategie ein brillantes Kabinettstück.
Welche Rolle dabei das schönste Call-Girl Londons namens Schmusi (mit vollem Körpereinsatz: Barbara Maria Sava) spielt, sei hier nicht verraten. Das Mädchen scheint sogar Helens Papa (Walter Ullrichs Stimme aus dem Off) imponiert zu haben… Egal: Das Vermögen reicht locker für fünf (oder gar sechs) Familienmitglieder in amüsanten Kombinationen. Das perfekte Dreieck mit seinem irrwitzigen Tempo und seiner verrückten Situationskomik ist nebenbei eine hübsch ironische Abrechnung mit der ach so freisinnigen Verlogenheit der Toleranzgesellschaft. Leicht, völlig schmerzlos mit einer feinen Dosis Hintersinn.
E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 2 Std., eine Pause
Nur bis 23. 05. im Spielplan

Montag, 14.02.2011

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