Némirowsky, Irène: Jesabel

kultur Nr. 49 - September 2008

Dieses Buch ist 1936 in Paris erschienen, 1943 wurde die Autorin in Auschwitz ermordet. Vor ein paar Jahren erschien der Titel Suite française (s. kultur 33 - Januar 2007), das Manuskript hatten ihre Töchter gefunden und überarbeitet freigegeben. Es war eine Sensation: Irène Nèmirovsky hatte detailgenau die Flucht der Pariser vor den Deutschen im 2. Weltkrieg beschrieben und anrührend die Situation von Besatzern und Flüchtlingen dargestellt. Seitdem ist sie – so viele Jahre nach ihrem Tod – bekannt und ihre früheren Werke sind nun auch veröffentlicht worden.
Jesabel spielt in der Zeit vor dem 1. Weltkrieg in einer Gesellschaft, die es so nicht mehr gibt. Es umfasst 60 Jahre aus dem Leben einer Frau, die nicht altern mag, die nur ihrer Schönheit wegen lebt und deren Bestätigung unentwegt braucht.
Als das Buch beginnt, steht sie vor Gericht, angeklagt, ihren jungen Geliebten erschossen zu haben. In der Folge entrollt sich ihr Leben, beginnend mit dem sehr jungen Mädchen, dem, noch zaghaft, die Macht seiner Schönheit bewusst wird, die Macht über die Männer natürlich, die fortan ihr Lebens­inhalt sein wird. Einen anderen hat sie nicht, sie liebt nicht, sie will geliebt werden und das pausenlos bestätigt finden. Ihre einzige Tochter soll nicht erwachsen werden, damit sie selbst nicht älter erscheint. Als die Tochter heiraten will, verbietet sie es ihr. Der 1. Weltkrieg bricht aus, der junge Geliebte ihrer Tochter fällt fast sofort, aber sie erwartet ein Kind von ihm und will es haben. Jesabel, die auf keinen Fall „Großmutter“ sein will, möchte es verhindern, doch die Tochter setzt sich durch und stirbt bei der einsamen Geburt. Das Kind, ein kleiner Junge, wird von der Großmutter fortgegeben. Sie lebt weiter wie gewohnt, und doch altert sie. Zwanzig Jahre später holt sie das Schicksal in Gestalt eines jungen Mannes ein, der ihr Enkel ist, den sie erschießt und dessentwegen sie zu Beginn vor Gericht steht. Selbst da noch lässt sie es zu, dass man ihn für ihren Geliebten hält.
Ein leises Buch voll innerer Dramatik, die heute kaum noch nachzuvollziehen ist – aber mich hat es gerade deshalb sehr berührt. So lange ist das noch gar nicht her, oder?

Jesabel,
Roman von Irène Némirovsky,
* gebunden: Knaus, August 2006, 224 S., 18,00 €.
* als Taschenbuch: Btb, August 2008, 220 S., 9,00 €.

Mittwoch, 05.01.2011

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