Miriam Clark - kultur 85 - April 2012

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Miriam Clark – Lakmé, Norma und die Königin der Nacht

Bei der Gala zum 60. Geburtstag der Theatergemeinde BONN im Oktober 2011 hatte Miriam Clark ihren ersten großen Bühnenauftritt im Bonner Opernhaus. Sie sang die Arie „È strano“ aus La Traviata und erntete stürmischen Applaus. Alle waren sich einig, gerade eine Ausnahmestimme erlebt zu haben. Wenige Monate später wird die junge Sopranistin bereits überregional als neuer Star gefeiert. Die Violetta, auf die das Publikum bei der Gala einen Vorgeschmack bekam, wird sie tatsächlich in der nächsten Spielzeit verkörpern bei der Wiederaufnahme der beliebten Traviata-Inszenierung von Andreas Homoki. Außerdem wird sie in Bonn als Donna Anna debütieren bei der Wiederaufnahme von Klaus Weises Don Giovanni-Inszenierung.
„Es ging alles so atemberaubend schnell, dass ich’s noch nicht ganz fassen kann“, gesteht sie, „und ich bin sehr glücklich, hier in Bonn zu sein. Das Ensemble ist wunderbar. Ich erfahre eine tolle Unterstützung. Christian Firmbach (Anm. der Redaktion: Künstlerischer Betriebsdirektor und Chefdisponent Musiktheater) hat ein sicheres Gespür für die Entwicklung von Stimmen.“
Seit dieser Spielzeit ist Miriam Clark fest in Bonn engagiert und gab hier Ende Januar ihr umjubeltes Debüt als Lakmé. Sie liebt diese wunderschöne Aufführung sehr: „Paul-Emile Fourny hat die Oper höchst sensibel inszeniert und Szenen geschaffen, die mich selbst tief berühren.“ Und sie ist begeistert vom ­Beethovenorchester: „Die können mit Klängen wirklich zaubern. Mit dem Dirigenten Stefan Blunier fühlt man sich als sicherster Mensch auf der Welt. Er schafft eine intensive musikalische Kommunikation zwischen Bühne und Orchestergraben. Bei den Proben gab es einen tollen Ausgleich von Spaß und Konzentration. Sehr gut verstanden habe ich mich sofort auch mit meiner Kollegin Alexandra Kubas, die hier als Lakmé gastiert. Wir arbeiten auf gleicher Wellenlänge; das Klischee von Primadonnen-Rivalitäten bei Doppelbesetzungen amüsiert uns eher.“ Neben der Lakmé singt Miriam Clark in dieser Spielzeit – alternierend mit Julia Kamenik – die Arminda in Mozarts La Finta Giardiniera. „Das Bühnenbild ist echt eine sportliche Herausforderung. Wahrscheinlich sieht’s für die Zuschauer aber gefährlicher aus als für uns.“ Außerdem hat Bonn das neue Ensemblemitglied ‚ausgeliehen’ nach Dortmund. Als von Publikum und Presse enthusiastisch gefeierte Norma erregte sie dort großes Aufsehen und pendelt deshalb noch zwischen Ruhr und Rhein. „Ich habe zwar ein Zimmer in Dortmund, versuche aber meistens, nach den Vorstellungen noch nach Hause zu fahren. Ich lebe nicht gern in Hotels, sondern brauche einen vertrauten Ort in einer Stadt. Und Bonn ist schnell meine zweite Heimat geworden.“
Mit Bellinis Belcanto-Meisterwerk beschäftigt sie sich gerade erneut, denn am 28.Oktober hat in Bonn eine Neuinszenierung der Norma Premiere. „Das ist ein tolles Geschenk für mich. Merkwürdig: Genau an dem Tag, an dem mein großes Vorbild Joan Sutherland starb, erhielt ich das ‚Norma’-Angebot aus Dortmund. Ich singe sogar Sutherlands Koloraturen und bin sehr stolz, wenn Leute sagen, dass meine Stimme wie ihre klingt.“ Miriam Clark ist dramatischer Koloratursopran, ein heute recht seltenes Fach.
Geboren wurde sie 1980 in Frankfurt am Main und wuchs in Obernburg bei Aschaffenburg auf. Ihr Vater (Banker und Doktor der Philosophie) ist US-Amerikaner aus St. Louis/Missouri mit adeligen schottischen Vorfahren, ihre Mutter ist Deutsche ungarischer Herkunft. Umgangssprachen in der Familie waren also Englisch, Deutsch und Ungarisch. Hinzu kam die Musik: „Meine Mutter sagt, dass ich früher singen als sprechen konnte. Mein Vater liebte Pop, Soul und Rock. In meiner Schulzeit sang ich viel Gospel in Kirchen, wirkte in etlichen Chören mit und entdeckte allmählich die klassische Musik. Mein allerers­tes Opernerlebnis war eine Kassette mit Mozarts Zauberflöte. Die habe ich so oft gehört, dass irgendwann das Band bei der Arie der Königin der Nacht klemmte. Für mich gab es überhaupt keinen Zweifel: Ich werde Opernsängerin.“ Es kann kein Zufall sein: Ihr professionelles Debüt gab sie 2008 an der Frankfurter Oper als „Königin der Nacht“.
Nach dem Abitur bewarb sie sich erfolgreich an der Bayerischen Theaterakademie August Everding – allerdings für den Studiengang Musical. Ein Jahr lang war sie in Hamburg die Hyäne Shenzi in der Erfolgs-Produktion König der Löwen. Bis ihr das zu eintönig wurde. „Die Musical-Ausbildung hat mir viel gebracht für Tanz, Bewegung und Bühnenpräsenz. Aber die Oper ist unendlich vielschichtiger und hat ganz andere Möglichkeiten, über den Gesang immer neu echte Gefühle auszudrücken.“ Ihr Professor Dennis Heath, selbst ein Heldentenor, unterstützte ihren Fachwechsel in die Opernklasse an der Münchner Hochschule für Musik und Theater. „Weil meine Stimme schon ziemlich weit war, kam ich gleich ins 5. Semester, was bedeutete, Unmengen von Stoff nachzulernen.“ Für die Weiterbildung ihrer Stimme sorgte die Professorin Fenna Kügel-Seifried, die bis heute ihre Mentorin ist. „Sie lehrt eine sehr gesunde, nachhaltige Technik. Singen ist ja eine Art Hochleistungssport. Die Kehle ist ein komplizierter physischer Apparat, der sorgsam trainiert und gepflegt werden muss.“ 2009 bestand Miriam Clark in München ihr Diplom mit Auszeichnung.
Knapp ein Jahrzehnt zuvor hatte Rolando Villazón sie schon zu einer Opernkarriere ermutigt. Bei den Bregenzer Festspielen wirkte sie an seiner Seite in La Bohème als Statistin mit und freut sich, dass der berühmte Kollege sie kürzlich bei einem Treffen gleich wiedererkannte. Noch während des Studiums sang sie am Münchner Prinzregen­tentheater die Gräfin Zedlau in der Operette Wiener Blut und die Regisseurin/Aida in der witzigen Kammeroper Radames von Peter Eötvös. 2009 gab sie ihr Debüt an der Hamburger Staatsoper als Mademoiselle Isabelle bei der Uraufführung der Opernfarce Le Bal von Oscar Strasnoy unter der musikalischen Leitung von Simone Young. Im selben Jahr eroberte sie den zweiten Platz beim internationalen Gesangswettbewerb „Concurso Caballé“ in Zaragosa. 2010 gewann sie sowohl den Opern- als auch den Medienpreis beim internationalen Gesangswettbewerb in Hertogenbosch. 2011 war sie Finalistin beim internationalen Gesangswettbewerb „Francisco Vinas“ in Barcelona.
Neben ihrem breit gefächerten Opernrepertoire singt sie gern Konzerte. Beim letzten Beethovenfest war sie in Carmina Burana zu hören, im Juli 2011 im Münchner Gasteig im Requiem von Andrew Lloyd Webber. Am 29. April 2012 wird sie neben etlichen anderen Stars aus der Bonner Talentschmiede mitwirken bei der festlichen Gala für die Deutsche Aids-Stiftung. „Deren DREAM-Programm für HIV-positive Mütter in Afrika möchte ich gern persönlich unterstützen. Es ist fantastisch, wenn dadurch über 90% der Kinder ohne Infektion zur Welt kommen und eine Zukunft erhalten. Es wäre toll, wenn gerade ich mit meinen sichtbaren afrikanischen Wurzeln eine Botschafterin für dieses Ziel sein könnte.“
Bei der Frage nach ihrer Traumrolle auf der Opernbühne zögert sie keine Sekunde: Lucia di Lammermoor. „Da steckt so viel an widersprüchlichen Emotionen drin. Überhaupt: Man lernt beim Singen viel über sich selbst und geht manchmal an psychische Grenzen, weil man die Gefühle quasi hautnah erlebt. Zwingend zum Beruf gehört allerdings auch das Wörtchen ‚nein’ bei verlockenden Angeboten, für die die Stimme noch nicht reif ist.“
Natürlich freut sie sich riesig auf eine Woche in Bayreuth 2012 als neue Stipendiatin des Richard Wagner Verbandes Bonn/Siegburg. „Die Anerkennung meiner Arbeit durch das wunderbare Publikum in Bonn ist fabelhaft. Man spürt hier eine besondere Herzlichkeit bei den Menschen im Zuschauerraum, die einen mitträgt und beglückt.“

Dienstag, 25.02.2014

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