Tobias Sudhoff - kultur 164 - März 2020

Sinnlichkeit ist mein Steckenpferd: Tobias Sudhoff ist Musiker, Koch und Kabarettist

von Thomas Kölsch

Wenn die Sinne jubilieren, ist Tobias Sudhoff in seinem Element. Die Entfaltung der Lebenslust in all ihren Facetten ist das erklärte Ziel des 47-Jährigen, die Harmonisierung von Geschmack, Geruch und Gestaltung, am bes­ten noch gepaart mit Klang und Witz. Nicht ohne Grund ist er nicht nur leidenschaftlicher Koch, sondern auch Kabarettist und Jazz-Musiker, ein Tausendsassa im Dienst des Genusses und der Sinnlichkeit. „Das ist mein ­Steckenpferd“, bekennt Sudhoff im Interview mit der kultur. „Nur über unsere Sinne erschließen wir uns die Welt, und wenn daraus auch noch ein Lustgewinn entsteht, ist das eine Offenbarung.“ Die will er mit den Menschen teilen – und so nutzt er zum einen sein Bühnenprogramm Iss was als auch seine „Neue Westfälische Stube“ in Münster, um neue kulinarische Perspektiven auf unterhaltsame Weise aufzuschließen.

Dabei hat sich vieles eher zufällig ergeben. „Ursprünglich habe ich Medizin, Philosophie und Niederlandistik studiert, aber das war mir zu fachspezifisch. Weil ich die ganze Welt in mich aufnehmen und immer mehr wissen wollte, habe ich stattdessen mein Leben zu einer Art Studium Universale gemacht“, erklärt Sudhoff. „Ich habe außerdem schon immer nebenher Musik gemacht, um mir meinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Irgendwann bin ich dann dabei geblieben.“ Und auch zum Restaurant ist er 2017 letztlich gekommen „wie die Jungfrau zum Kinde“. „Ich habe keinerlei Koch-Ausbildung, habe mich aber immer für gute Küche interessiert und verschiedene Programme zu dem Thema gemacht.“ 2014 war er sogar Gründungsmitglied des Foodlab Muenster, einer Experimentierstation der Fachhochschule Münster. „Ein paar Küchenprofis haben zwar anfangs die Augen verdreht, wenn ich mit Lebensmittelchemie oder Ernährungswissenschaften anfing, aber die merkten schnell, dass ich durchaus weiß, wovon ich rede und
auch am Herd was auf dem Kasten habe“, sagt Sudhoff. „Auf jeden Fall waren einmal auch die Betreiber des Hotels Surenburg in meiner Show. Wir haben uns später mehrfach getroffen, und sie waren sowohl von meiner Kochkunst als auch von meinem Konzept der Nahrungsmittelwende angetan.“ Die propagiert angesichts wachsender weltweiter Bevölkerungszahlen ein Umdenken in der Küche – und das geht nur, wenn die neuen Gerichte auch schmecken. Eine Herausforderung für den experimentierfreudigen Sudhoff, der immer neue Kreationen auf den Tisch bringt. „Als dann der Küchenchef ihres Restaurants 'Westfälische Stube' in den Ruhestand gehen wollte, haben die Surenburg-Chefs mich gefragt, ob ich mir dessen Posten zutrauen würde. Da wäre ich ja bescheuert gewesen, das abzulehnen.“ Wirklich? Er, ein ungelernter Hobbykoch, sollte ein Sterne-Restaurant übernehmen? „Ich gebe zu, das war die ­steils­te Lernkurve meines Lebens“, sagt Sudhoff. „Allerdings sehe ich das Leben immer als Spiel, und dazu gehört auch, dass man mal vor die Wand läuft und Fehler macht. Das ist mir oft genug passiert. Aber in diesem Fall hat es geklappt.“ Zumindest für anderthalb Jahre, bis das Parkhotel Insolvenz anmelden musste und damit auch das Restaurant Geschichte war.

Sudhoff macht trotzdem weiter: In einem Club bietet er gelegentlich Spitzenküche für 20 bis 25 Gäste an. „Mehr schaffe ich einfach nicht“, gesteht er. „Ich habe erst mühsam lernen müssen, wo meine Grenzen liegen. Ich könnte nie in einem Sterne-Restaurant arbeiten, in dem 50 oder mehr Menüs und noch À-la-Carte-Gerichte rausgehen müssen – und ich könnte auch nie als Studiomusiker arbeiten, dem man Noten in die Hand drückt und ihn auffordert, das Stück vom Blatt zu spielen. Aber ich habe zehn Jahre mit ­Charlie Mariano gespielt, ich habe mit Markus Stockhausen gearbeitet, und ich bin extrem gut darin, in der Küche einen überaus feinen Geschmack herauszuarbeiten.“ Und zwar ohne künstliche Aromastoffe und andere Wirkstoffe der Lebensmittelindustrie. „Die Konzerne verkaufen den Menschen den letzten Dreck als Essen“, schimpft er. „Das ist Müll, wirklich. Dabei gibt es so coole Alternativen. Was kannst du zum Beispiel alles mit Roter Beete machen. Oder auch mit Insekten. Ich gebe zum Beispiel gerne in Schulen Kochkurse und biete ihnen dabei Ameisen an. Die können echt lecker sein, man muss es nur einmal versuchen.“ Und wissen, was man tut. „Darum geht es mir ja, auch in meiner Bühnenshow. Ich will zeigen, wie wir nachhaltig, anders und trotzdem lecker kochen können und wie leicht das sein kann. Wir haben keine andere Wahl, als radikal umzusteuern, wenn wir 2050 mehr als zehn Milliarden Menschen ernähren wollen. Und das wird nur gelingen, wenn die Menschen durch Genuss überzeugt werden.“

Montag, 04.05.2020

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