The Next Generation of Dance - Tanzgastspiel im Opernhaus - kultur 163 - Februar 2020

Mitreißende Energie

Sie gelten zwar als Nachwuchscompany des weltberühmten ­Alvin Ailey American Dance Theatre, sind aber längst eine ganz eigenständige Truppe von sorgfältig ausgebildeten jungen Talenten. Vor der 1958 von Alvin Ailey (1931 – 1989) gegründeten legendären Hauptcompany braucht sich das fabelhafte Ensemble ­­Ailey II wahrhaftig nicht zu verstecken. Kein Wunder also, dass die beiden Abende ihres Gastspiels The Next Generation of Dance im Bonner Opernhaus schnell ausverkauft waren. Die zwölf jungen Tänzerinnen und Tänzer begeisterten das Publikum durch ihre mitreißende Energie und ihr stupendes Können.
Den Rahmen ihres vierteiligen Programms bildeten zwei neuere Stücke. Das 2018 uraufgeführte Where There Are Tongues (Wo es Sprachen gibt) des südafrikanischen Choreografen Bradley Shelver ist eine Folge von dramatischen Szenen, die viel über individuelle und kollektive Beziehungen erzählen. In den Lichtkreisen auf dem Bühnenboden treffen Paare in virtuosen Duetten aufeinander, mal kokett verführerisch, mal aggressiv und verletzend. Die Jungs geben sich im Kollektiv als kraftstrotzende Machos, die Mädels in luftig wirbelnden ­Röcken setzen dagegen ihr starkes weibliches Selbstbewusstsein. Das emotional berührende Spiel mit Anziehung und Abstoßung verbindet sich organisch mit dem rhythmisch komplexen Gesang der französischen Gruppe Lo Cór de la Plana in einem archaisch klingenden okzitanischen Dialekt, den man nicht verstehen muss, um die zeitlose Dynamik von zwischenmenschlichen Prozessen zu begreifen.
Weniger narrativ folkloristisch ist das 2017 uraufgeführte Breaking ­Point der aus Jamaika stammenden Choreografin Renée I. McDonald zur ruppigen Klangkulisse von Audiomachine. Es geht erneut um die „Bruchstellen“ zwischen privaten Leidenschaften, Selbstverwirklichung und alltäglicher Selbstbehauptung in einer globalisierten Welt, die mechanische Zurichtung von Individuen und die notwendigen Grenzüberschreitungen für ein humanes Dasein. In einer atemberaubend getanzten Folge von Duetten, Solonummern und Ensemble-Szenen entwickelt sich ein Hochspannungsblick in eine geistesgegenwärtig reflektierte Zukunft.
Dazwischen gab es zwei Klassiker aus dem Ailey-Repertoire. Choreografiert von dem Afroamerikaner Robert Battle (*1972), seit 2011 Mitglied der künstlerischen Leitung des AAADT und einer der wichtigsten Impulsgeber der Company. Sein 1999 uraufgeführtes, witziges kurzes Solostück Takademe – am 14. Januar virtuos präsentiert von der Tänzerin Grace Bergonzi – ist inspiriert vom indischen Kathak-Tanz und akustisch untermalt von einem rasanten Silben-Plappern der Musikerin Sheila Chandra. Brutal in die Eingeweide kracht danach das Heavy-Metal-Schlagwerk von Les Tambours du Bronx, das das sehr maskuline The Hunt (Uraufführung 2001) begleitet. In rot unterfütterten schwarzen Röcken (Original-Kostüme: Mia McSwain) werden Jäger zu Gejagten. Alte Instinkte und Gladiatorenrituale verbinden sich mit modernem Kampfsport zu einer explosiven Mischung aus animalischer Wildheit und zivilisierter Körperbeherrschung. Für den tosenden Beifall bedankten sich die Tänzer mit artistisch brillanten Zugaben.
Die großartige Show von Aileys „Next Generation“ mit ihrem Rückblick auf immer noch aktuelle Werke überzeugte mit lustvoller Intensität und tänzerischer Exzellenz. Nach rund zwei Stunden inkl. zwei Pausen Riesenjubel aus dem Zuschauerraum. E.E.-K.

Freitag, 24.04.2020

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