Wolf-Guido Grasenick - kultur 162 - Januar 2020

Wolf-Guido Grasenick
Foto: Kleines Theater Bonn
Wolf-Guido Grasenick
Foto: Kleines Theater Bonn

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Wolf-Guido Grasenick - Johannes, Thomas und George

In diesem Jahr feierte er sein 30-jähriges Bühnenjubiläum, und seit fast einem Vierteljahrhundert ist er regelmäßig im Kleinen Theater zu sehen. 1995 debütierte der vielseitige Schauspieler und Musiker dort in der Titelrolle von Peter Shaffers Amadeus an der Seite von Walter Ullrich als Salieri. Daraus wurde eine enge Beziehung zu dem Haus am Bad Godesberger Stadtpark und zu den Kollegen auf und hinter der Bühne. Ein festes Ensemble gibt es an dem privaten Theater nicht, aber doch so etwas wie einen Stamm von Künstlern, die häufig dort auftreten. Wolf-Guido Grasenick ist jetzt der ­‚dienst­älteste‘ Schauspieler am Kleinen Theater.
In dieser Spielzeit unter der neuen Leitung von Frank Oppermann spielte er den alten Juristen Johannes in der Komödie Wir sind die Neuen und dann den Ermittler Thomas in dem Verhörthriller Heilig Abend – übrigens zusammen mit seiner Ex-Gattin Sandra Krolik, die er damals bei seiner ersten Rolle am Kleinen Theater kennenlernte. Aktuell ist er zu erleben als George in dem Drama ­Nächs­tes Jahr, gleiche Zeit, in dem es um eine über 25 Jahre laufende Liebesbeziehung geht, aber vor allem um historische Veränderungen, reflektiert in einer privaten Paargeschichte. In einer Szene darf er da auch mal trommeln, was ihm viel Spaß macht. Denn Grasenick ist ausgebildeter Schlagwerker.
Geboren wurde er 1964 im brandenburgischen Fürstenwalde und wuchs in Ostberlin auf. Musik spielte eine große Rolle in der Familie. Sein Großvater spielte ein bisschen Trompete, sein Vater Kontrabass und arbeitete beim Rundfunk der DDR als Toningenieur. Zum Schlagzeug kam der zehnjährige Grasenick eher zufällig: „Mein Vater schleppte mich zur Musikschule Berlin-Karlshorst. Auf Cello oder Fagott hatte ich keine Lust. Der erste Aufnahme-Termin galt den Schlaginstrumenten, also entschied ich mich dafür.“ Schon als Schüler spielte er in verschiedenen Profi-Rockbands, wollte dann aber gern auch klassische Musik machen. „Die Vielfalt bei der Perkussion ist riesig. Dazu gehören ja nicht nur Pauke, Becken und Trommeln, sondern die unterschiedlichen Stabspiele wie Marimba und Vibraphon.“ 1989 schloss er sein Studium an der Musikhochschule Carl Maria von Weber in Dresden ab mit dem Staatsexamen als Musiker und zusätzlich einem Diplom als Musikpädagoge. Bereits als Student wirkte er gelegentlich im Orchestergraben der Semperoper mit und erlebte so viele berühmte Dirigenten und große Opernaufführungen.
Es folgte drei Jahre lang ein festes Engagement als Bühnenmusiker und musikalischer Leiter am Theater am Kulturpalast Dresden. „Diese Funktion kann sich heute kaum noch ein Schauspielbetrieb leisten. Aber es war eine spannende Aufgabe, ganze Stücke zu begleiten, die Musikauswahl zu gestalten und mit den Darstellern zu arbeiten.“ Die Wendezeit 1989 erlebte er sehr intensiv und nahm regelmäßig an ­Protest­demonstrationen teil. Das Theater am Kulturpalast wurde 1992 geschlossen zugunsten des Ausbaus als Kongresszentrum. Da stand Grasenick schon kurz vor dem Abschluss seiner Schauspiel-Ausbildung an der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn-Bartholdy in Leipzig.
Auch die Entscheidung für ein zweites Studium war eher zufällig: „Auf unserem Spielplan stand der Monolog Reinschlagen von Michael Seyfried, eins der ersten Stücke, das sich mit dem Rechtsradikalismus befasste. Den gab es damals in der DDR ja durchaus schon längst. Horst Krause vom Staatsschauspiel, ein ziemlich bulliger Typ, sollte das spielen, fiel jedoch kurzfristig aus. Ich habe mehr aus Jux angeboten, das selbst zu machen. Mein Intendant versprach mir (tatsächlich in der Hoffnung, dass nichts draus würde), anschließend für die Finanzierung eines Schauspielstudiums zu sorgen. Die Produktion wurde ein großer Erfolg. Ich bestand die Aufnahmeprüfung in Leipzig, nahm Sprechunterricht bei einer Berliner Dozentin und sammelte eine Menge praktische Bühnenerfahrung in den mit der Hochschule kooperierenden Theatern.“
Grasenick zog danach wieder nach Berlin und arbeitete eine Zeit lang am „carousel-Theater“ (heute Theater an der Parkaue), einem der größten deutschen Staatstheater für junges Publikum. „Wieder schloss sich ein Kreis, denn als Kind hatte ich dort mein ­aller­erstes Theatererlebnis als Zuschauer bei Dornröschen und dachte nicht mal im Traum daran, irgendwann selbst auf der Bühne zu stehen.“ Weitere Engagements führten ihn ans Markgrafentheater Erlangen und an die Landesbühne Stendal. Bis dann Bonn seine zweite Heimat wurde. Am Kleinen Theater und an der Landesbühne Rheinland-Pfalz spielte er Hauptrollen in zahlreichen Komödien und literarischen Klassikern. 2017 gas­tierte er auch am Contra-Kreis in Glamour, Gauner und Juwelen. Dazwischen gab es immer wieder Auftritte an anderen Bühnen von Aachen bis Wiesbaden und bei Festspielen. Als besonders wichtig nennt er die zweieinhalb Jahre am Hamburger Ernst-Deutsch-Theater, wo er 2002 in der Regie von Jörg Pleva den Matti in Brechts Puntila spielte sowie in mehreren Molière-Komödien mitwirkte.
Für etliche TV- und Hörspiel-Produktionen und als Synchronsprecher war er auch im Einsatz, begreift sich jedoch vor allem als „Theaterarbeiter“. „Die Arbeitsumstände für Schauspieler haben sich allerdings in den letzten Jahren deutlich verschlechtert. Man braucht mehrere Standbeine.“ Er macht wieder mehr Musik, spielt – eher aus Spaß – in einer Rockband und arbeitet als Schlagzeug-Dozent beim Ausbildungsmusikkorps der Bundeswehr in Hilden. „Die Nachwuchs-Militärmusiker studieren parallel an der Robert Schumann Hochschule für Musik im benachbarten Düsseldorf und machen jedes Jahr eine große Konzerttournee, um das Gelernte zu präsentieren. Es macht großes Vergnügen, mit ihnen auch mal verrückte Perkussions-Performances im Stil von Stomp einzustudieren.“
Nebenbei hat er eine Ausbildung zum Referenten für Unternehmenskommunikation gemacht und ist beispielsweise als PR-Manager für das Theater Krefeld/Mönchengladbach und die Schlossfestspiele Neersen tätig. „Natürlich sind bei dem Job die vielen künstlerischen Erfahrungen als Musiker und Schauspieler hilfreich. Als Coach muss man Leute intuitiv verstehen und manchmal auch vor sich selbst schützen.“ Klassisches Lampenfieber kennt Grasenick nicht, sondern macht seine Arbeit ehrlich mit Freude. „Ich bin ein echtes ‚Theaterschwein‘, das gern mit der Schnauze in einem Stück herumwühlt. Klar, bei Zwei-Personen-Dramen wie den letzten beiden muss man eine Menge Text lernen. Viel mehr als bei Stücken mit diversen Figuren, die sich das Kleine Theater momentan aber kaum leisten kann. Ich bin immer glücklich, wenn mein Anspruch an mich selbst sich spiegelt in den Ansprüchen des Publikums. Es gibt kaum etwas Schöneres, als wenn sich nach zwei Stunden ein gemeinsames Erleben hergestellt hat. Zugegeben: Erfolg kann süchtig machen, aber das betrifft ja nicht nur Künstler.“ Theaterproben stehen in den kommenden Wochen nicht auf seinem Terminplan, eine kleine Weile kann er sich also energisch seinen neuen musikalischen Ideen widmen.

Donnerstag, 23.01.2020

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