Schatten (Eurydike sagt) - Theater Die Pathologie - kultur 161 - Dezember 2019

Schatten (Eurydike sagt)
Foto: Theater Die Pathologie
Schatten (Eurydike sagt)
Foto: Theater Die Pathologie

Endlich glücklich in der Unterwelt

All die lärmenden Spektakel sind vorbei. Eurydike ist auf dem Weg ins Schattenreich, nachdem sie ihr Leben lang immer im Schatten ihres berühmten Gatten stand. Der Name Orpheus fällt nicht in Elfriede Jelineks Verarbeitung des bekannten Mythos aus weiblicher Sicht. Der Schlangenbiss kam ihrer Eurydike gerade recht. Das Gift rinnt in ihren Körper, so wie die Texte aus ihrer Feder rannen. In Eurydike spiegelt sich auch die Schriftstellerin und Literatur-Nobelpreisträgerin selbst. Schatten ­(Eurydike sagt) ist eine ihrer typischen assoziativen Textflächen, voller Anspielungen auf alte und neue Geschichten, mitunter bissig wütend, aber auch durchzogen von sanfter Heiterkeit. Eurydike sehnt sich nach der heiligen Stille, die ihr Mann zerstört hat. Dieser Popsänger und sein massenhaftes Gefolge sind ihr ein Gräuel: „Wenn man etwas zu fürchten hat, dann das Fangeschrei der kleinen Mädchen …“. In ihrer Wut auf den Mädchenschwarm klingen schon die wahnsinnigen Mänaden an, die den Superstar der Sage nach später zerreißen. Nein: Von diesem eitlen Typen und seiner schrecklichen Meute will sie auf keinen Fall ins Leben zurück­geholt werden. Tatsächlich überhaupt nicht, denn unbewusst in höchs­ter Lust sich von der sinnlichen Liebe zu verabschieden und als Schatten unter Schatten zu verschwinden, stimmt sie glücklicher als der ganze Rummel um den stimmgewaltigen Dummkopf, der notorisch als Opernheld die friedliche Unterwelt stört.
Die Regisseurin Maren Pfeiffer hat Jelineks Textfluss klug gestrafft und gibt in einer szenischen Lesung drei Facetten der Schattenfrau (verbindendes Element sind als Schmuck getragene zierliche Schlangen) verschiedene Erscheinungen. Pfeiffer selbst ist die junge schwarzhaarige Nachdenkerin im hellen Sommerkleid, die über das Schattendasein reflektiert. Kann ein ­(weg)ge­worfener, verlorener oder gestohlener Schatten eigenständig agieren und sich trennen von seiner bestimmenden Figur? Das romantische Schattenmotiv hängt in der Luft, während Christine Kättner mit langen braunen Locken im grauen Kleid die erwachsene, modesüchtige Schönheit verkörpert, die beim ausgiebigen Shopping ihre Individualität versteckte und gern allen materiellen Ballast (inkl. Körper) loswürde, um sich als freie Flussnymphe im Wasser aufzulösen. Helga Bakowski spielt im eleganten schwarzweißen Outfit die abgeklärte weißhaarige Dame, die mit einem Schuss Melancholie sarkastisch das Dasein zwischen Dies- und Jenseits kommentiert.
Eurydike will sich ruhig auflösen und ihre wiedergewonnene Unscheinbarkeit genießen, leistet also energisch Widerstand gegen das männlich dreiste Erlösungsverlangen des prominenten Gesangskünstlers. Er soll sich bitte (warum auch immer) bloß umwenden, damit sie ihm nicht in sein Leben folgen muss. Es gelingt: „Ich bin nicht mehr da. Ich bin.“, lautet Eurydikes ebenso verunsichertes wie unmissverständliches Fazit. Überzeugter Beifall bei der fast ausverkauften Premiere nach der Voraufführung im August-Macke-Haus anlässlich der dortigen „Orpheus“-Ausstellung. E.E.-K.
Spieldauer ca. 1 Stunden, keine Pause
Die Nächsten Vorstellungen
(In der Pathologie!): 8. + 19.12.19

Mittwoch, 08.01.2020

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