Anna Princeva - kultur 157 - Juni 2019

Anna Princeva
Foto: Thilo Beu
Anna Princeva
Foto: Thilo Beu

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Anna Princeva - Elsa, Gräfin Almaviva und zwei Mal Hélène

Am Abend nach unserem Treffen findet die erste Bühnenprobe zu Verdis Les Vêpres siciliennes statt. Premiere ist am 25. Mai, die Arbeit mit dem britischen Starregisseur David Pountney findet sie sehr spannend. Den Dirigenten Will Humburg kennt sie schon seit Langem. Unter seiner musikalischen Leitung gab sie 2014 ihr Bonn-Debüt in der Titelpartie von Verdis frühem Meis­terwerk Giovanna d’Arco. „Ich habe hier ganz normal dafür vorgesungen. Ich kam gerade aus Baden-Baden, wo ich als Cover für Sonya Yoncheva als Marguerite in Gounods Faust engagiert war. In das Bonner Opernhaus habe ich mich auf den ersten Blick verliebt“, gesteht Anna Princeva. „Es liegt sehr zentral und vor allem direkt am Fluss. Der Blick von der Kantine auf den Rhein ist fantastisch.“ Mittlerweile wohnt sie in Bonn, wo sie in den letzten Spielzeiten regelmäßig auftrat. Ab der Saison 2019/20 ist sie hier festes Ensemble-Mitglied.
Geboren wurde die elegante Sopranistin 1980 in St. Petersburg. Beide Eltern sind Maler und sehr an Musik interessiert. „Wir hatten immer Abos im Mariinski-Theater und waren fast jedes Wochenende in der Oper. Ehrlich gesagt, hat mich das anfangs ziemlich gelangweilt; als Kind sah ich viel lieber Ballett. In der Oper faszinierten mich eigentlich nur die tollen Kostüme. Meine ältere Schwester bekam Klavierunterricht, und ich wollte das auch. Ich war ein bisschen eifersüchtig auf sie, die übrigens Elena heißt und jetzt als Musiklehrerein arbeitet. Wir haben uns sehr amüsiert, dass ich jetzt gleich zwei Mal eine Hélène spiele.“ 2016 und bei der Wiederaufnahme in diesem Frühjahr (die letzte Aufführung war am 3. Mai) sang sie in Verdis Jérusalem die gleichnamige Protagonistin, jetzt ist sie zu erleben als Hélène in der Sizilianischen Vesper.
Anna entpuppte sich schnell als begabte Pianistin. Bereits als Schülerin studierte sie am Konservatorium in ihrer Heimatstadt Klavier, Gesang und Dirigieren – anfangs Chor-, dann auch Orchesterdirigieren – und gewann mehrere Jugendwettbewerbe. Hospitanzen an der Oper gehörten zum Studium, und da hat es sie bei einer Tosca-Aufführung total gepackt. Sie war zutiefst berührt von den Ausdrucksmöglichkeiten der menschlichen Stimme und wollte nun unbedingt Sängerin werden. Mit 19 Jahren zog sie nach Italien („wegen des Belcanto“), um dort ihr Gesangsstudium fortzuführen. Ihre Eltern fanden das mutig, ihre Klavierlehrerin war ziemlich böse, dass Anna ihre vielversprechende Karriere als ­Konzert­pianistin einfach aufgab. „Die Wunderkind-Rolle gefiel mir nicht mehr“, erklärt die eigenwillige Künstlerin. „Aber es ist schon ein Vorteil, eine vielseitige, solide musikalische Ausbildung zu haben und bei einer Produktion auf verschiedenen Ebenen mitdenken zu können.“
Am staatlichen „Conservatorio G.B. Pergolesi“ in Fermo an der Adria („eine wunderschöne kleine Stadt direkt am Meer“) schloss sie 2007 ihr Gesangsstudium mit dem Diplom ab. „Dazu gehörte auch eine intensive schauspielerische Ausbildung. Schon als Kind mochte ich es, ganz verschiedene Figuren zu verkörpern, mal der Familien-Clown zu sein und mal einen ganzen Tag lang die kapriziöse Prinzessin. Wobei letzteres bei meiner strengen Mutter gar nicht so gut ankam“ (lacht). „Ich liebe das Entdecken von Personen und emotionalen Situationen. Ich probiere, die Figur nicht bloß zu spielen, sondern auf der Bühne wirklich zu ‚sein‘. Ganz stark war das im Lohengrin, wo ich das Gefühl hatte: Ich bin Elsa.“ Im Herbst 2018 gab sie in Bonn ihr umjubeltes Rollendebüt in dieser großen Wagner- Partie. „Es war Dirk Kaftans Idee, und das Angebot machte mich erst mal sprachlos, bis ich nach ein paar Tagen Bedenkzeit zusagte.“ Die Freia in Wagners Rheingold singt sie seit November 2017 regelmäßig in Dietrich Hilsdorfs Ring-Inszenierung an der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf (demnächst wieder in der kommenden Spielzeit).
Doch zunächst wurde Italien zur zweiten Heimat der jungen Russin mit dem italienischen Namen. Nach Hochschulproduktionen gab sie 2009 ihr öffentliches Debüt als Gilda in Verdis Rigoletto, tourte danach in diversen halbszenischen Operninszenierungen durch die italienische Provinz und gastierte bei Konzerten von St. Petersburg bis Bangkok. Zeitweise lebte sie in Mailand und Rom, dann (der Liebe wegen) bis Anfang 2019 in Wien, machte Ausflüge in die Pop-Musik (mit ihrer Model-Figur und selbstbewussten Schönheit wäre sie auch in der Modeszene gut aufgehoben) und fand doch bald zurück zu ihrem eigentlichen Glückszustand Oper. Sie absolvierte Meisterkurse u. a. bei Francisco Araiza und Grace Bumbry sowie bei dem Dirigenten Gustav Kuhn und wurde 2008 Mitglied der von ihm gegründeten Accademia di Montigral in Lucca. Seitdem war sie regelmäßig zu Gast bei den von Kuhn initiierten Tiroler Festspielen Erl. Ihren internationalen Durchbruch bescherte ihr dort im Januar 2013 ihre Abigail in Verdis Nabucco im spektakulären neuen Erler Festspielhaus. Im folgenden Sommer sang sie dort die Leonora in Verdis Il Trovatore (2013 war sie in dieser Partie bereits als Cover für Anja Harteros an der Bayerischen Staatsoper engagiert) und kurz danach die Donna Anna in Mozarts Don Giovanni. Beide Rollen verkörperte sie dann in der Spielzeit 2015/16 auch an der tartarischen Nationaloper Kasan.
In derselben Saison begeisterte sie das Bonner Publikum als raffinierte Teresa in Berlioz‘ Benvenuto Cellini (Regie: Laura Scozzi, Musikalische Leitung: Stefan Blunier) an der Seite von Mirko Roschkowski, den sie seitdem als Gesangs-Partner außerordentlich schätzt. Im Sommer 2016 war sie in Erl die Mathilde in Rossinis Wilhelm Tell, bei den Festspielen in Heidenheim die Leonora in Verdis Opernerstling Oberto und im folgenden Herbst in Graz die Violetta in Peter Konwitschnys Inszenierung von La Traviata. In der von Leipzig über Bonn nach Düsseldorf gewanderten Traviata-Inszenierung von Andreas Homoki wird sie im Herbst 2019 wieder in Düsseldorf erleben sein.
Als echtes Super-Erlebnis bezeichnet sie indes ihren Auftritt als Nedda 2017 im Opernhaus von Sydney – die Partie in Leoncavallos Pagliacci singt sie demnächst auch in Bonn. Anfang 2019 gastierte sie gleich wieder in Australien, diesmal als Musetta in La Bohème, und hatte etwas mehr Zeit, sich mit dem fernen Kontinent zu beschäftigen. „Es war toll, in einem der architektonisch aufregendsten Opernhäuser der Welt zu singen und vielen wunderbaren Menschen zu begegnen.“
Sehr gemocht hat sie auch ihre Rolle als Lucrezia in Verdis I due Foscari. „Da läuten die Glocken von San Marco in Venedig, demnächst sind es die vom mittelalterlichen Palermo, die extrem komplizierte emotionale Beziehungen in einem politischen Chaos enden lassen.“ Anna Princeva denkt sich gern viel, wenn sie sich auf Opern-Figuren einlässt.
Ihr Terminkalender ist aktuell so massiv gefüllt, dass sie für Konzerte kaum noch Zeit hat. Zutiefst berührt hat sie jedoch am vergangenen Karfreitag Pendereckis Oratorium Kadisz im Bonner Opernhaus, wo sie das Sopransolo mit ganz eigener Überzeugung als Hoffnungszeichen aufleuchten ließ. Als nervöse Contessa di Almaviva in Mozarts Hochzeit des Figaro ist sie seit 2018 sowieso unübertrefflich (sie singt die Partie in einer anderen Inszenierung derzeit auch in Wuppertal) und freut sich schon auf die Bonner Fledermaus, wieder in der Regie von Aron Stiehl. Deutsch spricht sie (neben ihren Heimatsprachen Russisch und Italienisch) fast akzentfrei, Englisch sowieso, Französisch übt sie noch. Gern mal auf der Bühne interpretieren würde sie Gounods Marguerite, Puccinis Mimi und Verdis Desdemona. Denn Anna Princeva ist nicht nur eine wunderschöne und kluge Erscheinung, sondern beherrscht leidenschaftliche Fragilität ebenso wie fatale Energie. Sie will (ohne alle Starallüren) begreifen, warum sich Menschen so und nicht anders verhalten.

Mittwoch, 04.09.2019

Zurück

Merkliste

Veranstaltung

Momentan befinden sich keine Einträge in Ihrer Merkliste.



Letzte Aktualisierung: 28.03.2024 17:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn