Die Nase - Werkstatt - kultur 157 - Juni 2019

Die Nase
Foto: Thilo Beu

Grotesker Albtraum

Kollegienassessor Kovalev wacht in einem klinisch weiß gekachelten Raum auf mit einem Klotz vor dem Kopf. Ein Brotlaib, in dem sich seine Nase versteckte, um dann plötzlich auf dem Petersburger Newski-Prospekt in der Uniform eines Staatsrates herumzuspazieren. Für den ehrgeizigen jungen Herrn, der vom Majorsrang und einer lukrativen Heirat träumt, ist das buchstäblich ein Gesichtsverlust. Timo Köhler spielt im grauen Anzug mit kurzer Hose (Ausstattung: Maria Strauch) den verzweifelten Kovalev, der das bizarre Malheur irgendwie in den Griff zu bekommen versucht. Wilhelm Eilers mimt witzig sowohl das rauschebärtig verpuppte Organ, wie auch den unerschütterlichen Zeitungsredakteur, den Polizisten und den Arzt, die alle dem zunehmend verwirrt und vergeblich zum Telefon greifenden Kovalev nicht helfen können. Bis nach pausenlosen 45 Minuten das naseweise Ding seinen angestammten Platz wieder einnimmt.
Frederik Werth (*1992), seit 2016/17 Regieassistent am Schauspiel Bonn, gelingt mit seiner ersten eigenen Inszenierung (ein Sonderlob verdienen Licht und Ton!) eine leichtfüßige Interpretation von Gogols 1836 erschienener Novelle, die als surrealistischer Klassiker avant la lettre in die Literaturgeschichte einging. Bei der besuchten zweiten Vorstellung freuten sich viele russischsprachige Zuschauer*innen über die zeitlose Bürokratie-Satire.
Das Schauspiel Bonn stellt erfreulicherweise regelmäßig Talentproben seiner Nachwuchskünstler*innen vor. Gern empfehlen wir in diesem Zusammenhang auch Die Ratte von und mit dem Ensemble-Mitglied ­Sandrine Zenner (*1991) auf der Foyerbühne des Schauspielhauses, eine eigenwillige Auseinandersetzung mit Gerhart Hauptmanns vielschichtigem Drama Die Ratten, seinen Theaterillusionen und sozialen Abgründen. E.E.-K.
Spieldauer ca. 45 Minuten, keine Pause
Die nächsten Vorstellungen:
12.06. // 19.06. // 26.06.19

Mittwoch, 04.09.2019

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