Die Schatzinsel - JTB im Thalia - kultur 156 - Mai 2019

Die Schatzinsel
Foto: Thomas Kölsch
Die Schatzinsel
Foto: Thomas Kölsch

Rasante Abenteuergeschichte

Es ist schon reichlich kühn, mit nur zwei Darstellern auf die Reise zu gehen zur berühmtesten Schatzinsel der Welt. Weder über deren geografische Lage noch über den Marktwert des Schatzes von Captain Flint erfahren wir mehr, als uns der schottische Schriftsteller Robert Louis Stevenson in seinem 1883 erstmals in Buchform erschienenen Abenteuerroman verraten hat. Aber mit welch wahnwitzigem Tempo das Theater alle durch die Kinos geisternden Piraten überholen kann, beweist die Inszenierung von Andreas Lachnit im Metropol-Kuppelsaal. Mit Stevensons Schatzinsel eröffnete das Junge Theater Bonn 1979 sein großes Haus in Beuel. Mit der Schatzinsel feiert das JTB nun das fünfjährige Bestehen seiner Studiobühne in der Thalia-Buchhandlung am Marktplatz.
Regisseur Lachnit hat den Stoff neu für die Bühne bearbeitet und mischt dabei pfiffig erzählerische und szenische Passagen. Präsentiert wird die spannende Geschichte von zwei Schauspielern, die mit rasanten Rollenwechseln rund ein Dutzend Figuren verkörpern. Pascal Scurk, am JTB auch zu sehen in Der kleine Rabe Socke, ist der junge Jim Hawkins. Thomas Krutmann, zum ersten Mal am JTB engagiert, zuvor schon am Euro Theater Central, spielt den alten Jim, der sich viele Jahre später an sein großes Abenteuer erinnert. Aber das ist nur der Anfang einer atemberaubenden Theaterreise. Krutmann gibt auch den versoffenen alten Piraten Bill Bones, dessen frühere Kumpane Schwarzer Hund und Blinder Pew, den gerissenen einbeinigen Long John Silver, den zwielichtigen Ben Gunn und den reichen Gutsherrn Squire John Trelawney, der unter seinen blonden Lo­cken nicht allzu viel Verstand verbirgt. Ihm ist es immerhin zu verdanken, dass das Segelschiff „Hispaniola“ in See stechen kann, nachdem Jim in den Besitz der Schatzkarte des berüchtigten Piraten Captain Flint gelangt ist. Trelawneys Redseligkeit ist leider auch der Grund dafür, dass die Mannschaft überwiegend aus Mitgliedern von Flints einstiger Piraten-Crew besteht.
Mit weißer Perücke und noblem Gehrock mimt Scurk den tüchtigen, menschenfreundlichen Arzt Dr. David Livesey, Jims väterlichen Freund. Zudem überzeugt er als heimtückischer Bootsmann Israel Hands. Scurk gelingt sogar das Kunststück, mitunter gleichzeitig in zwei Rollen auf der Bühne anwesend zu sein, im Apfelfass die Verschwörer zu belauschen und ihnen gerade noch zu ­ent­wischen. In der Ausstattung von Katharina Kastner (Bühne und Kostüme) funktionieren die raschen Wechsel zwischen Identitäten und Schauplätzen einfach fabelhaft. Da genügen ein paar ­Perü­cken und kleine Kostümveränderungen, um die Figuren kenntlich zu machen. Da werden Segel gehisst, die auch als Projektionsfläche taugen. Alles ist anschaulich vorhanden: die Seemannskneipe von Jims früh einer Krankheit erliegendem Vater, der flackernde Kamin in Trelawneys Herrenzimmer, die halsbrecherische Schiffstakelage, Flints Blockhaus, Inselwald und Meeresrauschen.
Gern werden Messer gewetzt, Pistolen gezückt und pulverdampfende Schlachten imaginiert zum Sound-Design von Christian Steinborn. Es geht also ziemlich robust und politisch herrlich unkorrekt zu beim Kampf um einen ungeheuren Seeräuberschatz. Dabei wird der rote Faden der gegen Ende des 18. Jahrhunderts angesiedelten Story ungemein witzig versponnen. Alles ist spielerische Illusion, und echtes Seemannsgarn fließt bekanntlich aus Buddeln voller Rum. Dennoch entstehen in dem lustigen Tumult differenzierte Charaktere, die weder nur gut noch böse sind, sondern einen gerechten Anteil am unrechtmäßig eroberten Besitz haben wollen.
Man muss diese Botschaft – Stevenson verfasste auch die weltbewegende Doppelgänger-Geschichte von Dr. Jekyll und Mr. Hyde – jedoch nicht überbewerten, sondern darf schlicht Spaß haben an dem tollkühnen Bühnenabenteuer. Hingerissener Premierenbeifall! E.E.-K.

Spieldauer ca. 70 Minuten, keine Pause
Die nächsten Vorstellungen: 18.05. //29.05. // 8.06. // 29.06.19
Empfohlen für Publikum ab 8 Jahren.

Montag, 26.08.2019

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