Mythos Marlene - Malentes Theater Palast - kultur 156 - Mai 2019

Mythos Marlene
Foto: Stefan Mager
Mythos Marlene
Foto: Stefan Mager

Zwischen Schwanenfedern und Frack

Die Lady ist sicher: „I get no kick from champagne”. Außerdem ist sie 1992 im stolzen Alter von 91 Jahren in Paris gestorben: „Was für ein Rummel, als ich tot war.“ Kerstin Marie Mäkelburg lässt Marlene ­Dietrich aber wieder auferstehen, mimt kurz die fesche Lola aus dem „Blauen Engel“ und blickt dann amüsiert auf die prominente Trauergemeinde mit sehr speziell verteilten roten und weißen Nelken. Sie imitiert nicht das langbeinige blonde Gift aus dem gutbürgerlichen Berlin-Schöneberg, sondern kommentiert Marlenes Legendenleben lieber im coolen Hamburger Ton: „Is doch alles Quatsch, nich.“ Ehe und wechselnde Liebesaffären, Hollywood-Superstar, Lebenswerk-Oscar (okay, ab dann steht der Tod fest auf dem Programm) und unverschämter Sarkasmus – die erfahrene Musical-Protagonistin Mäkelburg spielt fabelhaft mit allen Frauenbildern von der Rabenmutter bis zur androgynen Sexbombe und liebenswürdigen Oma, die ihren Enkeln einen musikalischen Zauberdrachen gönnt. Ihre Marlene ist im weißen Schwanenfedermantel (inkl. hautnahem Diamanten-Skindress und tiefer Verbeugung vor dem geneigten Publikum) die flüchtige Königin aller Shows. Freilich mit genau der unverschämten Ironie, die man sich nur leisten kann, wenn man längst begraben ist und dennoch gnadenlos lebendig. Rückkehr-Angebot nach Nazi-Deutschland: komplette Fehlanzeige. Lieber in Afrika die Soldaten-Jungs freizügig zum Krieg für den Frieden ermuntern.
Im eleganten hochgeschlossenen Nadelstreifen-Kostüm braucht die wandlungsfähige Sängerin weder ein „Boomerang-Baby“ noch all die anderen Typen, die sie mag/mochte oder eben nicht. Zwischen einem sentimentalen „Vie en rose“ und einem sehnsüchtigen „Wenn ich mir was wünschen dürfte“ geht die Post ab an all die Kino-Helden (das Femininum braucht hier mehr als das reizende Gendersternchen) und der nüchternen Bilanz: „Man hat uns nicht gefragt“, ob wir geboren werden wollten oder lieber nicht. Egal: Marlene mit Frack und Zylinder bewahrt stets ihre eigenwillige Haltung zur verrückten Welt und holt aus ihrem legendären, mit allen Ozeanen vertrauten Schrankkoffer manche Anekdoten und viele Sehnsüchte hervor, die man im Vorbeigehen genießt und erst später ihre Kostbarkeit begreift. Bei „The Boys in the ­Backroom“ und „Jonny, wenn du Geburtstag hast“ darf Pianist Markus Schell voll in die ­Tasten hauen. Ansonsten ist er ein höchst sensibler Liedbegleiter. Bei „Sag mir wo die Blumen sind“ wird es still, denn noch einfacher als mit den wenigen Worten dieses Songs lässt sich der Schmerz kaum ­aus­drücken.
Marlenes alte Heimat Berlin ist nach dem Zweiten Weltkrieg kaputt, sie ist als ‚Vaterlandsverräterin‘ in Deutschland nicht willkommen. Die ‚ganze Wahrheit‘ ihres langen Lebens ist jedoch vollkommen überflüssig, weil Mäkelburg sie mit eleganter Stimme und gehörigem Sarkasmus genau auf die schmale Spur zwischen heller Aufruhr-Lust und dunkler Anpassung bringt. Weltstar, Stilikone, Kunstfigur und trotzdem eine Frau, die eher leise dem universalen Bild- und Tonlärm widersteht. Natürlich aus purer Eitelkeit, aber was macht das schon, wenn am Ende Lili Marleen unter der Laterne ewig warten wird auf das nie wiederkehrende Glück?

Leider ist auch dieser (inkl. Pause rund zweistündige Abend) Ende April schon wieder vorbei. E.E.-K.

Montag, 26.08.2019

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