Clara - Theater im Ballsaal - kultur 156 - Mai 2019

Missratenes Projekt in der Gender-Falle

Clara Schumanns Porträt zierte den letzten Hundertmarkschein vor der Einführung des Euro. Sie war ein gut bezahlter Star in der europäischen Musikszene und kein Herdheimchen, das selbst Kinder und Küche hüten ­musste. Sie taugt auch nicht für die weltweit beliebte feministische Wehleidigkeit, sondern machte als selbstbewusste Frau eigenständig ihren Weg.
„Meine Kunst lasse ich nicht.“ Dieser trotzige Spruch ist das Grundmotiv des Theaterprojekts Clara, das kürzlich im Theater im Ballsaal seine Premiere feierte. Dafür haben sich das Bonner Schumannfest und das fringe ensemble zusammengetan. Es ist eine Stückentwicklung der vielseitigen Düsseldorfer Künstlerin Marlin de Haan, die die Textfassung erstellt und auch Regie geführt hat bei der rund 60-minütigen Vorstellung. Es geht mitunter schon um Clara Schumann, deren 200. Geburtstag in diesem Jahr an vielen Orten gefeiert wird. Jedoch nicht in Form einer Biografie oder einer dokumentarischen Materialsammlung. De Haan geht es um die Situation von Künstlerinnen in einer männerdominierten Gesellschaft, um die Veränderung von Rollenbildern und den Blick auf Ungleichgewichte bei der Wahrnehmung der Leistung von Frauen.
Clara Wieck war eine der bedeutendsten Musikerinnen ihrer Zeit. Vom dominanten Vater in eine Wunderkind-Karriere gepresst, bald eine europaweit gefeierte Pianistin. Eine durchsetzungsfähige junge Frau, die sich eigenständig die Heirat mit Robert Schumann erkämpfte, acht Kinder gebar und dennoch weiter lange Konzertreisen unternahm. Dass sie als Clara Schumann an der Seite des berühmten Komponisten künstlerisch ignoriert worden sei, ist so sicher nicht haltbar. Dass sie nach Roberts Tod das Komponieren fast vollständig aufgab und als Klaviervirtuosin und Lehrerin für den Lebensunterhalt der Familie sorgte, ist freilich unbestritten.
Die Musik spielt in der Inszenierung jedoch eher eine Nebenrolle. Auf der Raumbühne von Julia Rautenhaus verkörpern zwei von der Regie ausgebremste, normalerweise exzellente Schauspielerinnen die Figur der Clara. Justine Hauer und Nicole Kersten, beide übrigens wie die Regisseurin freischaffende Künstlerinnen mit Mann und Kind, zeigen weniger die widersprüchliche Identität der historischen Clara als die Konflikte heutiger Frauen zwischen Familie und Beruf. Clara, fast erdrückt von der wachsenden Menge von Puppenkindern, weibliches Multi-Tasking zwischen Bühne und Haushalt im 21. Jahrhundert. In der besten Szene rücken die beiden energisch mit rhythmisch hackenden Messern und Mixern einem Stapel Früchte zu Leibe und servieren den erfrischenden Cocktail dem sehnsüchtig aufs Ende der Aufführung hoffenden Publikum. Dessen Einbeziehung gehört natürlich zu der Performance, die nicht eine präparierte Geschichte erzählen will, sondern Impulse geben. Mit Daten- und Excel-Tabellen zur gegenwärtigen Geschlechter-Ungerechtigkeit, ein bisschen „#metoo“ und schrecklich braven Spitzen gegen die bürgerliche Ehe.
Ein nettes Lehrstück zwischen theatralem Leerlauf und der plakativen Forderung nach „Abschaffung medialer Rollenklischees“. Es bleibt der Eindruck, dass Clara da schon ein ganzes Stück weiter war. Aufs Bonner Schumannfest im Juni (2019 steht es unter dem Motto „Geliebte Clara“) kann man sich dennoch freuen. E.E.-K.


Spieldauer ca. 1 Stunde, keine Pause
Die nächsten Vorstellungen: 6.06. // 7.06.19

Montag, 26.08.2019

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