Rockstar - GOP. Varieté-Theater - kultur 155 - April 2019

Rockstar (Phil Os)
Foto: Frank Wilde
Rockstar (Phil Os)
Foto: Frank Wilde

Born to be wild

Der Rockstar als Identifikationsfigur für mehr als eine Generation Jugendlicher steht für eine raue, körperliche, laute, (scheinbar) ehrliche Welt, die aber voller Brüche ist. Seine Musik sprach die Gefühle an, war manchmal schrill und musste nicht perfekt sein. Wenige Akkorde reichten oft zum Million-Seller.

Wie aber macht man eine familientaugliche ­Varieté-Show mit einem solchen Titel?
Das GOP. Varieté-Theater zeigt in seiner neuen Produktion unter der Regie von Detlef Winterberg, dass das funktionieren kann. Man nehme ­Rockmusik der 70er bis 90er Jahre des letzten Jahrhunderts, eine kräftige Portion Ironie in Form von gleich zwei (verhinderten) ­Rockstars und verbinde neun großartige Künstler zu einem rockmusikalischen ­Artistencocktail, der im Publikum große Begeisterung hervorruft.

Die schwierige Aufgabe, die einzelnen artistischen Nummern miteinander zu verbinden, gelang dem Duo Akascht überwiegend gut. Hans von Chelius (*1968) und Stefan Erz (*1965), ein wenig zu spät geboren, ­ver­passten die ganz große Rockstar-Karriere – trotz diverser Versuche, auf den fahrenden Zug aufzuspringen. So ­lan­deten sie bei der Musik-Comedy und betrachten sich (und den ­Rockstar) im Laufe des Abends mit viel (Selbst-) Ironie. Dazwischen deuten sie aber auch immer wieder an, dass sie gute Musik machen können.

Individuell, authentisch, körperlich – Vokabeln aus der großen Zeit des Rock – gepaart mit absoluter Perfektion bestimmen den artistischen Teil des Programms. Immer eingerahmt in den nie endenden Strom von ­Rocksongs und ein großartiges Lichtdesign (Knut Gminder).

Silea, Multitalent mit Ausbildung an der Staatlichen Ballettschule und Schule für Artistik in Berlin, zeigt drei völlig unterschiedliche Nummern: Eine fast schon vergessene Kunst des traditionellen Varietés, die Flaschenbalance; eine leichtfüßig dargebotene Drahtseilakrobatik und schließlich verspeist sie zur Musik der Scorpions in Art früherer Side-Shows Rasierklingen – Weggucken erlaubt.

Elizabeth Williams zeigt elegant und wunderschön zu Zombie der Cranberries dynamische Akrobatik an von der Decke hängenden kalten Eisenketten.

Pippa the Ripper beweist mit gleichzeitig mehr als 15 selbstgebauten, zum Teil leuchtenden Reifen, dass Hula Hoop in dieser Perfektion eine hohe Kunst ist.

„... weil die Kraft, die sie in die Lüfte erhebt, größer ist, als jene, die sie an der Erde fesselte.“ Diese Worte aus Kleists „Über das Marionettentheater“ kommen einem in den Sinn, wenn man mit staunenden Blicken dem Duo Ogor folgt: Ihre Bodenakrobatik, voller Anmut und Ruhe und doch extrem kraftvoll, ist einer der Höhepunkte des Abends (und vielleicht der einzige, bei dem man sich eine andere, ruhigere Musik gewünscht hätte). Mariusz Ogor und Milana Ogorova verzaubern das Publikum mit ihrer Adagio-Akrobatik.

Perfekt passt die Rockmusik dagegen zu der Darbietung von Phil Os: Charmant und mit großer Dynamik schleudert er seine Diabolos zum Rhythmus der Musik durch die Luft. Ein Augenschmaus, der die Schwierigkeiten auch dieser Performance vergessen lässt.

Kraftvoll, sexy, elegant – man könnte viele Attibute nennen für die Pole Dance-Nummer von Anna Weirich. Hier treffen sich Tanz und Akrobatik, und wenn sie im rechten Winkel zur Stange in der Luft liegt, fragt man sich wiederum, wer wohl die Schwerkraft abgeschaltet hat.

Maxim Krigers Metier ist die Rola Rola Akrobatik: Er stapelt Bretter und Rollen zu Türmen übereinander, die so instabil wirken, dass seine Kletterübungen darauf unvorstellbar erscheinen. Welch eine Körperbeherrschung!

Nicht unerwähnt bleiben darf natürlich der Kanadier Maxime Poulin alias Jerry Tremblay: Dieser Roadie gibt sich nicht mit Hilfsdiensten im Hintergrund zufrieden, sondern schiebt sich im Laufe des Abends immer wieder in den Vordergrund: manchmal unbeholfen wirkend, aber mit coolen Gesten, mit clownesken Auftritten und skurrilen akrobatischen Fahrradeinlagen ist er der geheime Star des Abends.
Rockstar – eine großartige Show für die ganze Familie.
Vorausgesetzt, dass die älteren in ihrer Jugend nicht nur Heintje oder Brahms gehört haben und keine Angst vor wummernden Bässen haben (müssen). ubi


Spieldauer ca. 2 Stunden, inkl. einer Pause
Die nächsten Vorstellungen:
Mittwoch - Sonntag bis zum 28.04.19

Sonntag, 25.08.2019

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