Die Schneekönigin - Oper Bonn - kultur 154 - März 2019

Die Schneekönigin
Foto: Thilo Beu
Die Schneekönigin
Foto: Thilo Beu

Großes Musiktheater für Familien

Was der mächtige Deubeltroll da in seiner Schmiedewerkstatt treibt, verheißt nichts Gutes. Höllische Flammen züngeln über die riesige Wand, hinter der er an einem Zauberspiegel arbeitet. In dem soll alles Gute und Schöne so hässlich erscheinen, wie es nach seiner Auffassung in Wahrheit ist. Seine beiden Trollschüler sollen der Welt diesen Spiegel vorhalten. Doch als sie mit dem schillernden Machwerk gen Himmel fliegen, zerbricht es in Millionen kleiner Stücke. Das Gefährliche daran ist, dass jeder winzige Splitter die Macht des großen Spiegels behält.
Geradezu magisch beginnt hier die Geschichte von der Schneekönigin nach dem bekannten Kunstmärchen von Hans Christian Andersen. Der Komponist Marius Felix Lange (*1968) hat dazu im Auftrag von „Junge Opern Rhein Ruhr“ eine vielschichtige, sehr farbig instrumentierte Musik geschrieben, die das groß besetzte Beethoven Orchester unter der Leitung von Daniel Johannes Mayr wunderbar zum Klingen bringt. Einfach ist diese zeitgenössische Komposition mit ihren Dissonanzen und nur wenigen eingängigen Melodien für ungeübte Ohren gewiss nicht. Aber zur üppigen Tonmalerei, die von klirrenden Scherben bis zum prächtigen Blumengarten und zum eisigen Schneesturm alle Stimmungen effektvoll illustriert, kommt ja noch der fabelhafte Theaterzauber der Inszenierung von Johannes Schmid, die bereits in Dortmund, Düsseldorf und Duisburg begeisterte und nun vom Bonner Ensemble neu präsentiert wird.
Eine Augenweide sind das Bühnenbild und die Kostüme von Tatjana Ivschina, einer der derzeit besten Ausstattungskünstlerinnen deutschlandweit. Mit Video-Projektionen, tollen Lichteffekten und filmreifen Verwandlungen ohne störende Umbauten reihen sich die Szenen aneinander. Dreh- und verschiebbare Kulissenelemente lassen aus Rosenhecken Eisberge entstehen, aus sommerlich bunter Flora Schneewüsten und den schimmernden Palast der frostigen Königin. Für die Räuberhöhle wird sogar die Hubmaschinerie in Bewegung gesetzt. Es gibt also richtig viel zu sehen, bis die mutige Gerda endlich ihren Freund Kay aus seiner kalten Gefühlserstarrung befreien kann.
Das wortreiche Libretto hat der Komponist Lange selbst verfasst. Gesungen wird durchweg textverständlich. Außerdem kann man fast alles in der Übertitelung mitverfolgen, auch wenn das ein ziemliches Lesetempo erfordert. Man muss jedoch nicht jedes Wort verstehen, um der Handlung zu folgen, die nach dem teuflischen Vorspiel in die gemütliche Stube der Großmutter führt. Während es draußen hagelt, erzählt diese den Kindern von der Königin der Schneeflocken. Übermütig droht Kay, sie bei ihrem Erscheinen auf den Ofen zu setzen. Als die Sonne wieder scheint, erfreuen sich Kay und seine Freundin Gerda an den Rosen im Garten und singen das „Rosenlied“, eine Art Leitmotiv der Oper. Doch das Unheil naht: Zwei Splitter des Zauberspiegels treffen Kay ins Herz und ins Auge. Seine Lebensfreude verschwindet, er gerät in den Bann der kalten Herrscherin.
Die Sopranistin Julia Bauer, die in Bonn zuletzt auch schon als Königin der Nacht gastierte, meistert die glitzernden Koloraturen und eisigen Höhen ihrer Partie brillant. Dagegen steht der warme lyrische Sopran von Marie Heeschen als mädchenhafter Gerda, die unbeirrt ihren Gefühlen folgt und energisch allen Hindernissen auf dem weiten Weg zu Kays eisigem Gefängnis trotzt. Sie ist das emotionale Zentrum der Erzählung und die Identifikationsfigur für das junge Publikum. Den pubertierenden Knaben Kay verkörpert überzeugend der junge Bariton Di Yang, noch Student an der Kölner Hochschule für Musik und Tanz. Sehr schön zeigt er die plötzliche Verwandlung vom wissbegierigen netten Jungen in einen herzlosen Automaten, der das Rätsel der Schneekönigin allein nicht lösen kann.
Der Bass Martin Tzonev gibt beeindruckend den bösen Deubeltroll und hat später einen tief berührenden Auftritt als Rentier, das so sehnsüchtig seine Heimat im hohen Norden besingt, dass das selbstbewusste Räubermädchen (Katharina von Bülow, auch als Blumenfrau bezaubernd) ihm die Freiheit schenkt. Beinahe hätte Gerda ihre große Aufgabe ja schon bei den betörend schön singenden Blumenfrauen vergessen. Insbesondere die Damen des von Marco Medved einstudierten Opernchors haben da in traumhaften Blütenkostümen solistisch Einiges zu tun. Glücklicherweise lässt Gerda sich nicht einlullen und findet einen sympathischen Wegweiser in der Krähe. Der junge Tenor David Fischer leiht dem lustig auf einer Leiter herumturnenden Vogel seine feine Stimme und geleitet Gerda zu einem frisch verknallten Rokoko-Prinzenpaar. Louise Kermény (Prinzessin) und Christian Georg (Prinz) zelebrieren da eine köstliche Parodie eines adeligen Staats-Frühstücks im goldenen Bett.
Das kostbare Möbel wird bald umfunktioniert in eine Kutsche, dann kommen die Räuber und schließlich eine freundliche Finnin. Die Mezzosopranistin Susanne Blattert, langjähriges Ensemble-Mitglied, macht im Sauna-Outfit ebenso gute Figur wie als Märchen-Oma. Besonders lustig sind indes die beiden immer mal wieder auftauchenden kleinen Trolle in ihren ­animalischen Pelzkostümen. Ava Gesell (Tölpeltroll) und Taras Ivaniv (Trotteltroll) purzeln munter durch das Geschehen, das natürlich ein Happy End hat. Die tapfere Gerda weiß das Lösungswort und befreit ihren Kay aus dem Eis. Es ist wieder glücklicher Rosensommer im Häuschen der Großmutter. Die Kinder sind indes fast erwachsen geworden und haben begriffen, dass kalter Verstand nicht genügt, sondern dass Empathie zum menschlichen Dasein gehört.
Versierte Opernfreunde werden in dieser Schneekönigin allerhand musikalische Anspielungen und Dramen-Motive erkennen. Es ist tatsächlich eine Familienoper für alle Generationen und unbedingt empfehlenswert. Hingerissener langer Premierenbeifall aus dem ausverkauften Haus.
Auch wenn Gerda wie eine kindlich-naive Leonore ihr Rettungswerk verfolgt: Leider wird es in der Spielzeit 2019/20 hier keine neue Familienoper geben. Das ­Bonner Opernhaus wird (notgedrungen, weil die denkmalgeschützte Beethovenhalle bis dahin nicht fertig wird) Hauptspielstätte des großen Beethoven-Jubiläumsjahrs sein und ist deshalb jetzt schon komplett verplant. E.E.-K.

Spieldauer ca. 90 Minuten, keine Pause
Die restlichen Vorstellungen:
31.03. // 21.04. // 5.05. // 18.05.19

Donnerstag, 01.08.2019

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