Paul Weigl - kultur 152 - Januar 2019

Ein roter Faden für mehr als fünf Minuten – Paul Weigl wechselt vom Poetry Slam langsam Richtung Kabarett

von Thomas Kölsch

Fünf Minuten sind eine gute Länge. Zumindest für Poetry-Slammer. Während Kabarettisten in Mixed-Shows verzweifelt versuchen müssen, ihre Inhalte entsprechend zu kondensieren und zu konzentrieren, dass sie in ein derartiges Zeitfenster passen, kommen Künstler wie Paul Weigl damit ganz gut klar. Schwierig ist für sie eher der umgekehrte Weg: Aus kurzen Texten ein abendfüllendes Programm zu basteln. Doch Weigl, seines Zeichens deutscher Vizemeister 2014 im Poetry Slam, hat genau dies gewagt. Und gewonnen. Derzeit ist er mit seinem zweiten Solo Passionsfrüchtchen unterwegs, voller Anekdoten und Geschichten, kritischen Überlegungen und der ein oder anderen Kunstfigur. Ist das noch Poetry Slam oder schon Kabarett? Keiner weiß es, selbst Weigl nicht. „Was ich mache, funktioniert zum Glück noch in beiden Formaten“, sagt er im Interview. „Es sind schon noch einzelne Texte, die ich so auch auf einem Slam vortragen könnte, aber eingefügt in ein größeres Ganzes.“

Im Mittelpunkt steht dabei die Leidenschaft beziehungsweise deren Abwesenheit. „Natürlich bediene ich mit solchen Aussagen zunächst Klischees, aber im Vergleich zu anderen Ländern in Europa lodert das Feuer bei uns Deutschen ja nicht sonderlich hell“, sagt Weigl. Stichwort Gelbjacken in Frankreich, um nur ein Beispiel zu nennen. Wobei, aufregen können wir uns ja schon, Meckern ist schließlich längst zu einer Art Volkssport verkommen. Doch dahinter steckt eher Galle denn ehrliche Leidenschaft. Weigl weiß darum und reitet daher besonders gerne auf den vermeintlichen Bewusstlosigkeiten herum, auf dem berühmten Beamtentum etwa oder auf den Vorschriften auf einem Spielplatz. „Wie hierzulande mit Kindern umgegangen wird, ist schon kurios“, sagt er. „Ich war kürzlich in Indien, da freuen die Menschen sich, wenn der Nachwuchs mal beim Toben etwas lauter ist.“

Diese Kritik in bissige Worte zu fassen, das hat Paul Weigl immer fasziniert. Ursprünglich hatte er sich dazu dem Hip Hop zugewandt, wie er sagt. „Doch ich habe schnell gemerkt, dass das Publikum dabei die Melodie und die Beats viel mehr feiert als die Inhalte.“ Also wechselte er zum Poetry Slam. „2008 habe ich mich erstmals damit auseinandergesetzt“, führt der 36-Jährige aus; damals arbeitete er noch als Logopäde in Berlin. „Mir hat das Format sofort gefallen, weil es ausschließlich um die Kunst des Wortes geht.“ Schnell stellten sich erste Erfolge ein, 2014 dann besagter Vizetitel bei der Deutschen Meisterschaft. „Welch ekelhaften Mix aus Drogen und Morddrohungen musste das Publikum erleiden, um dies zu dulden?“, fragt er selbstironisch auf seiner Homepage. Selbstkritik statt Lobeshymnen. Dennoch wollte Weigl mehr, so wie etliche Kollegen vor ihm. Torsten Sträter, Jan-Philip Zymny, Nico Semsrott. Alles ehemalige Slammer mit unterschiedlichem Erfolg auf der Kabarettbühne, auf die nun auch Weigl drängt. Sein erstes Programm DeGenerationskonflikt war letztlich noch eine Ansammlung von Kurztexten, bei Passionsfrüchtchen ist er schon weiter. „Als Slammer ist man daran gewohnt, nach ein paar Minuten fertig zu sein“, gesteht er. „Ich kann relativ schnell Sachen zu Papier bringen – für mich besteht die Herausforderung aber darin, die einzelnen Texte mit einem roten Faden zu versehen, große Spannungsbögen zu konstruieren und gegebenenfalls auch mal das Tempo zu drosseln.“

Und was ist mit den Kunstfiguren, die Weigl immer wieder auf die Bühne bringt? Diese häufig aggressiven Gestalten, die sich so köstlich aufregen können über Peter Jacksons „Herr der Ringe“, über hörbehindertes Personal in der Fastfood-Gastronomie oder über Online-Shopper, die traurig über das Aussterben des Einzelhandels sind? Wie entstehen die? „Viele von denen entstehen einfach während des Schreibens“, sagt Weigl. „Ich probiere sie dann bei Poetry-Slams aus, lasse sie wachsen und feile an ihnen, bis sie dann ins große Programm kommen.“ Und dort ihr Leiden in Leidenschaft verwandeln.

Paul Weigl ist am 6.02.19 mit seinem Programm PASSIONSFRÜCHTCHEN - Wie man Leidenschaft
im Haus der Springmaus zu Gast.
Karten gibt es für Mitglieder auch bei der Theatergemeinde.

Mittwoch, 30.01.2019

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