Arsen und Spitzenhäubchen - Kleines Theater - kultur 152 - Januar 2019

Spitzenhäubchen und Arsen
Foto: Kleines Theater Bonn
Spitzenhäubchen und Arsen
Foto: Kleines Theater Bonn

Mordsvergnügen mit Leichen im Keller

Es ist ein Klassiker des tiefschwarzen Humors. „Irgendjemand muss sich ja für diesen Beruf opfern“, erklärt Mortimer Brewster. Er ist Theaterkritiker. Kürzlich sah er ein Stück, in dem der Protagonist blindlings Verbrechern in die Arme lief, um dann gefesselt und geknebelt auf einem Stuhl zu landen. Während er das erzählt, widerfährt ihm selbst genau dieses. Wenn sich dann noch ein Polizist als verhinderter Bühnenautor entpuppt, wird die Lage ernst. Tatsächlich immer verrückter, denn man spielt im Kleinen Theater die unsterbliche ­Kriminal­groteske Arsen und Spitzenhäubchen von Joseph Kesselring (1902 – 1967). Das Anfang 1941 am Broadway uraufgeführte Stück blieb der einzige durchschlagende Erfolg des Autors und lief auch in London so hervorragend, dass die bereits fertige Hollywood-Verfilmung von Frank Capra erst später in die Kinos kommen durfte.
Andreas Lachnit hat die mordslustige Komödie mit einem zwölfköpfigen Ensemble herrlich witzig inszeniert und spart dabei auch nicht mit frechen Anspielungen aufs Theater selbst. Ausstatter Laurentiu Tuturuga hat dafür nicht nur einen liebevoll eingerichteten bürgerlichen Salon gebaut (inkl. Kellertreppe!), sondern gönnt den Darstellern auch Kostüme aus der guten alten Zeit. Die frommen alten Schwestern Abby und Martha Brewster (hinreißend: Susanne Flury und Ursula B. Kannegießer), wohnhaft in Brooklyn, tragen echte Spitzenhäubchen, wenn sie ihren Holunderwein mit Arsen und ein paar anderen Ingredienzen würzen. Die direkt in die ewige Seligkeit führende Wirkung auf einsame alte Herren haben sie seit langem sorgfältig erprobt. Bis ihr Neffe Mortimer (großartig in seiner zunehmenden Verwirrung: Wolf-Guido Grasenick) in der ­Fenstertruhe eine frische Leiche entdeckt. Was nicht bloß seine Heirats­pläne mit der liebreizenden Pfarrerstochter Ellen Harper (entzückend: Lucia Schulz) durchkreuzt, sondern seine kritische Intelligenz arg auf die Probe stellt.
Den jovialen Papa Dr. Harper verkörpert neben anderen Rollen souverän TV-Star Claus Wilcke (*1939). Der brave Geistliche ist ein gern gesehener Gast bei den gleichermaßen wohlhabenden wie wohltätigen Damen, die es mit der Religionszugehörigkeit ihrer Kurzzeit-Mieter nicht so genau nehmen. Apropos klassische Einheit von Ort und Zeit: Regelmäßig stellt jemand die Standuhr ein paar Stunden vor: Ein Running Gag des kurzweiligen Abends, wie die schrille Trompete von Neffe Teddy (wunderbar durchgeknallt: Karl-Heinz Dickmann). Der hält sich nämlich mit eiserner Haltung für den einstigen Präsidenten der Vereinigten Staaten Theodore Roosevelt und buddelt im Keller fleißig Schleusen für den ­Panamakanal. Exakt passend für die ‚Gelbfieber-Opfer‘ der (ganz in Schwarz) trauernd für ihr Seelenheil betenden Tanten.
Neffe Jonathan (gespenstisch komisch: Heiko Haynert) ist da weniger feinsinnig. Dass er wie Frankensteins Monster aussieht (Boris Karloff spielte den Lustmörder Jonathan bei der Uraufführung in New York) ist ein Ergebnis des zierlichen Gesichtschirurgen und Filmfreaks Dr. Einstein (Thors­ten Peter Schnick). Die beiden haben im Kofferraum ihres Autos leider selbst einen Toten zum Tatort mitgebracht, was den Platz im Keller echt strapaziert. Leutnant Roony (Stefan Krause) und seine drei Polizisten Klein (Ralf Baumann), Brofy (Christian Steinborn) und der in einer Theatergarderobe geborene O’Hara (Sören Ergang) sind mit den bizarren Vorgängen ­bestens beschäftigt, bis Mortimer endlich einen Teil seiner schrecklich netten Familie in eine noble Privatklinik entsorgen kann.
Geleitet von dem freundlichen alten Mr. Witherspoon (Claus Wilcke), der gern noch ein Schlückchen Holunderwein genießt, bevor die reizenden alten Damen in sein Sanatorium „Zum fröhlichen Hirten“ umziehen.Vermutlich eine perfekte Location für die gnadenreiche Mission der munteren Seniorinnen. Trost für Mortimer: Er ist keine Ausgeburt der wahnsinnigen Brewsters, insofern frei von kriminellen Hobbys, darf seine Ellen heiraten und weiter schreiben. Als Theaterkritikerin kann man den Besuch dieses köstlich makabren Bühnenspaßes nur dringend empfehlen. E.E.-K.
Spieldauer ca. 2 ½ Stunden, inkl. einer Pause
Letzte Vorstellung in Bad Godesberg am 21. Dezember.
Ab dem 29.12. ist die Produktion dann im Schlosstheater Neuwied
zu erleben.

Mittwoch, 30.01.2019

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