Ein Sommernachtstraum - als Stück für alle Generationen im Schauspielhaus - kultur 152 - Januar 2019

Ein Sommernachtstraum
Foto: Thilo Beu
Ein Sommernachtstraum
Foto: Thilo Beu

Wunderbar aufgeweckt

Die Liebe ist bekanntlich eine ziemlich komplizierte Angelegenheit. Hermia und Lysander sind total ineinander verknallt, aber das Mädchen ist von seinem Vater bereits Demetrius versprochen. Dieser liebt Hermia auch, ist befreundet mit seinem Konkurrenten und wird mit heißem Verlangen verfolgt von der hübschen Helena. Irgendwie mag er sie schon, aber sein Herz hängt halt an der anderen. Die jungen Leute fliehen also aus der Stadt Athen in den Wald, wo ihre Gefühlsverwirrungen von allerhand Zauberwesen plötzlich in einem „Sommernachtstraum“ lustvoll durcheinander gewirbelt werden.
Das raffiniert mit verschiedenen Ebenen ausgestattete Bühnenbild von Ralf Käselau sorgt für vielfältige Überraschungen. Auf der Drehbühne unten nehmen die aktuellen menschlichen Leidenschaften ihren Lauf, weiter oben streitet Elfenkönig Oberon wahrscheinlich schon ewig mit seiner geliebten Titania. Ständig passiert etwas in der beweglichen ­Holz­konstruktion, die an Shakespeares Londoner Globe Theatre erinnert, wo seine beliebte Komödie Ein Sommernachtstraum wahrscheinlich kurz vor 1600 seine Uraufführung erlebte. Im Bonner Schauspielhaus hat indes die Natur die Ränge mit Wurzelwerk und grünen Bäumen so munter zurückerobert, dass man sich vor der Finsternis gespenstisch schlauer Regie-Neuinterpretationen nicht zu fürchten braucht. Seine Textfassung der beliebten Shakespeare-Komödie hat der Bonner Schauspieldirektor Jens Groß bereits an seiner früheren Wirkungsstätte am Schauspiel Frankfurt erprobt. Sie basiert auf der poetischen Übersetzung des frühromantischen Dichters August Wilhelm Schlegel, der seit der Gründung der Bonner Universität 1818 hier bis zu seinem Tod 1845 lehrte und zu den prominenten Urvätern der internationalen Philologie gehört.
Vieles in der traumhaft heiteren Inszenierung der versierten Musiktheater-Regisseurin Corinna von Rad reimt sich jedoch nicht nur sprachlich elegant (ein paar Handlungsmomente sind ebenso gestrichen wie ­Shakespeares nicht ganz jugendfreie Unverschämtheiten), sondern gerät zu einem märchenhaften spielerischen Kunststück. Wunderbar stimmungsvoll live begleitet von den Musikern Karsten Süßmilch und ­Henning ­Nierstenhöfer.
Die jungen Menschenpaare sind ganz und gar mit ihren eigenen Liebeswirren beschäftigt, während im Elfenreich andere Gesetze herrschen. Annika Euling gibt das reizende Mädchen Hermia, Sandrine Zenner die frustrierte Helena, die verzweifelt ihrer Sehnsucht folgt und dann plötzlich gleich von zwei Liebhabern umschwärmt wird. Gustav Schmid als Lysander und Timo Kählert als Demetrius taumeln hilflos zwischen den Gefühlen, die ihnen der spitzbübische Puck mit seinem Zaubersaft eingebrockt hat. Ungemein agil verkörpert Alois Reinhardt den stets zu Scherzen aufgelegten Diener des Elfenkönigs Oberon. Eigentlich soll Puck ja nur der Elfenkönigin Titania einen bösen Streich spielen, hat aber zunehmend Spaß an dem Wirbel der Verwechslungen.
Er gehört zum Zauberreich der Waldgeister, die erstaunt das merkwürdige Verhalten der Menschen beobachten, aber vor allem ihrer Königin Titania helfen wollen. Herrscher Oberon – Sören Wunderlich im schwarzen Anzug mit Baumzweigen (die Kostüme von Sabine Blickenstorfer sind eine echte Augenweide) – ist nämlich sauer auf die Elfenkönigin Titania (wunderbar alterslos: Ursula Grossenbacher), die traumverloren in ihrer Badewanne hockt und wenig Interesse an ihrem Gemahl zeigt. Wie uralte Kinder erscheint ihre wollweiß kuschelig gekleidete, skurrile Elfenschar. Genau darin liegt der geniale Trick der Aufführung: Die Geschichte wird präsentiert aus der Perspektive der naiven Elfen und Trolle.
Birte Schrein (Senfsamen) mit lustigem Rüsselschnäuzchen, Wilhelm Eilers (Spinnweb), Christoph Gummert (Bohnenstange) und Lukas Metzinger (Motte) sind dabei nicht nur ein putziges Geisterstunden-Quartett, sondern mimen als witziges Spiel im Spiel auch die braven Handwerker, die im Wald zur allgemeinen Erbauung eine tief tragische Komödie proben. Inklusive Löwenmähne, Mondschein und natürlich Zettels legendärem Eselskopf, der Titania zu zärtlichen Fantasien animiert.
Nach allen wilden Turbulenzen dieser magischen Sommersonnenwende leuchtet am Ende doch wieder der klare Sternenhimmel friedlich über den ernüchterten Leidenschaften. Das ist mit einem fabelhaften großen Ensemble pures Theaterglück für Anfänger und Fortgeschrittene. Mit dem Mut zu bewegenden Emotionen, sprachlicher Wortlust und einer unwiderstehlichen szenischen Opulenz, die die Notwenigkeit des Live-Erlebnisses nachdrücklich beweist.
Shakespeares Sommernachtstraum war für manche im älteren Publikum einst die ‚Einstiegsdroge‘ in die lebendigen Bühnenillusionen. Mit dieser höchst unterhaltsamen Produktion für Kinder, Erwachsene, Familien und Schulen öffnet das Bonner Schauspiel seine Türen weit für neugierige Freund*innen der Bühnenkunst. Das funktioniert garantiert auch in langen Winternächten. Zumal hier der größte Dichter des elisabethanischen Zeitalters nicht nur als prominenter Autorenname draufsteht, sondern mit frischem Respekt blitzgescheit auf die weltbedeutenden Bretter gesendet wird. Pucks rhetorische ‚Captatio benevolentiae‘ am Schluss ist da kaum noch nötig. „Begrüßt uns mit gewognen Händen!“ – das tut man wirklich sehr gern nach diesem ebenso kurzweiligen wie hellsichtigen Traumspiel. E.E.-K.

Empfohlen für Publikum ab 9 Jahren.

Ca. 2 Stunden, inkl. einer Pause,
Die nächsten Vorstellungen:
6.01. (ausverkauft) // 27.01. (ausverkauft) //
8.02. // 17.02. // 17.03.19

Mittwoch, 30.01.2019

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