Simon Pearce - kultur 151 - Dezember 2018

Suche nach dem bayrischen Nirwana – Simon Pearce will einfach nur seine Ruhe

von Thomas Kölsch

Warum kann der Mensch seinen Nachbarn nicht Mensch sein lassen? Einfach ein bisschen Toleranz zeigen und die anderen in Frieden lassen. So schwer ist das doch nicht. Auch Simon Pearce will eigentlich nur „sei Ruah“, wie er betont, kurzum einen Platz im bayrischen Nirwana. Wenn es nicht diese ganzen Phobien gäbe. Flugangst zum Beispiel. Oder Flüchtlingsangst. „Jeden treibt das Unbekannte um“, erklärt der Comedian und Kabarettist im Interview. „Es hat seinen Grund, warum zum Beispiel die AfD vor allem in jenen Gebieten am stärksten ist, in denen die wenigsten Migranten leben.“ Und die Lösung? Konfrontationstherapie. Je mehr man Menschen mit Flüchtlingen umgibt, desto mehr schwindet die Angst. Zumindest theoretisch.

In seinem Programm Pea(r)ce on Earth fordert der 37-Jährige immer wieder zu mehr Respekt auf und legt gerne so manchen Alltagsrassismus offen. Als Sohn der bayrischen Volksschauspielerin Christiane Blumhoff und eines Nigerianers begegnet Pearce immer wieder Vorurteilen. „Oft entsteht der unbewusst, noch nicht einmal mit einer bösartigen Intention“, sagt er. Und dennoch ist es bitter, wenn er auf der Bühne von Polizisten erzählt, die ihn am Münchner Hauptbahnhof direkt als verdächtig einstufen, nur weil er drei Minuten zwischen einer Weißwurst und einer Leberkäs-Semmel hin und her schwankt. Was noch eine der harmloseren Begebenheiten darstellt, von denen Pearce zu erzählen weiß. Beiläufig erwähnt er, dass einmal ein Mann seiner damals schwangeren Freundin vor die Füße gespuckt und sie als „Volksverräterin“ tituliert habe, weil sie Hand in Hand mit Pearce durch die Straßen lief. „Dieser offene Rassismus ist seit einigen Jahren wieder schlimmer geworden“, sagt er. „Man kann inzwischen wieder so viel sagen, was noch vor einigen Jahren unerhört gewesen wäre. Das lässt sich auch nicht mehr lustig verpacken.“

Insofern ist Simon Pearce zwiegespalten: Auf der einen Seite will er sich nicht aufregen und lieber Blödsinn machen, auf der anderen Seite ist Zurückhaltung keine Option. Schon alleine nicht wegen seiner Mutter, die nie einem Konflikt aus dem Weg ging. Insofern ist es kein Wunder, dass Pearce sich selbst als Stand-Up-Kabarettist bezeichnet, der beides in sich vereint, die brachialen Gags und die feinen Pointen, die Beschreibung eines Besuchs beim Urologen und die Erlebnisse in der U-Bahn, in der Leute den Platz wechseln, wenn er sich neben sie setzt. „Ich möchte ja nicht jammern und rumheulen, das liegt mir nicht“, betont er dabei noch einmal. „Eigentlich ist es mein Ziel, mein Publikum zum Lachen zu bringen. Aber manchmal sitzen die auch schweigend da und hören mir zu – das musste ich auch erst einmal aushalten lernen.“ Erst neulich, so berichtet er, sei er bei einem Abend mit dem Münchner Ex-Oberbürgermeister Christian Ude zu Gast gewesen und habe Auszüge aus seinem Programm
gebracht. „Da erzähle ich davon, wie eine alte Omma mir ganz spontan übers Haar streicht und sagt 'Mei, wie a Schaf'“, sagt er und lacht. „Natürlich ist das eine Art von Alltags-Rassismus, aber über solche Geschehnisse kann ich eigentlich herzhaft lachen. Aber an diesem Abend war es ziemlich still im Saal, und hinterher kam eine Frau zu mir, die das so mitgenommen hat, dass sie den Tränen nahe war.“ Und was macht das mit einem Kabarettisten? „Oh, irgendwie betroffen, weil ich ja diese Reaktion nicht erzielen wollte – aber auch ein wenig froh, dass manche Menschen noch so empathisch sein können.“

Ohnehin sind die Reaktionen aus dem Publikum in der Regel überaus positiv, hebt Pearce hervor. „Gut, auf dem Land hat man manchmal das Gefühl, dass zumindest ein Teil des Publikums sich denkt 'wieder die selbe Leier, wir können es nicht mehr hören', wenn ich mal für eine Viertelstunde etwas ernster werde, aber insgesamt bekomme ich viele schöne Rückmeldungen.“ Das spornt an, weiter zu machen – auch wenn die Suche nach dem bayrischen Nirwana dadurch vielleicht doch ein wenig länger dauert als erhofft.


Simon Pearce ist am 9.12.18, 19 Uhr mit seinem Programm „Pea(r)ce on Earth“ im Haus der Springmaus zu Gast.
Karten gibt es für Mitglieder auch bei der Theatergemeinde.

Dienstag, 29.01.2019

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