Dshamilja Kaiser - kultur 151 - Dezember 2018

Dshamilja Kaiser
Foto: Thilo Beu
Dshamilja Kaiser
Foto: Thilo Beu

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Dshamilja Kaiser – Penthesilea, Carmen und Ortrud

Die Frage nach ihrem ungewöhnlichen Vornamen ist schnell geklärt: „Meine Eltern waren begeistert von der wunderschönen Liebesgeschichte ‚Dshamilja‘ des kirgisischen Schriftstellers Tschingis Aitmatow. Dass darin der Gesang eine entscheidende Rolle spielt, war vielleicht eine Vorahnung.“ Dshamilja Kaiser lacht, was sie sowieso gerne tut. „In meiner Familie wurde viel gelesen und klassische Musik gehört. Gesungen habe ich schon als Kind gern und laut. Meine Mutter behauptet sogar, ich hätte früher gesungen als gesprochen. Statt in den Kindergarten ging ich zur musikalischen Früherziehung, lernte Flöte und bekam später als Schülerin privaten Geigenunterricht.“
Geboren wurde sie in Wuppertal und wuchs überwiegend in Remscheid auf. Irgendein frühes Schlüsselerlebnis mit Oper oder Theater gibt es nicht. „Wir besuchten eigentlich nur Konzerte.“ Die Entscheidung für den Gesang fiel eher zufällig. „Als mein Geigenlehrer umzog, und die Warteliste für den neuen Unterricht an der Musikschule endlos lang war, fragte mich der Jugendchorleiter, ob ich es nicht mal mit der Stimme versuchen wollte. Für Gesang sei noch ein Platz frei.“ Nach dem Abitur bewarb sie sich an der Hochschule für Musik Detmold und bekam sofort einen Studienplatz. Klavierspiel gehört natürlich zur Gesangsausbildung. „Das war für mich eine echte Qual. Man muss die Hände ganz anders einsetzen als bei der Violine. Hier an der Bonner Oper haben wir tolle Korrepetitoren. Wenn ich für andere Häuser Partien einstudiere, muss ich die Pianisten eben aus eigener Tasche bezahlen. Schwarze und weiße Tasten sind für mich eine Herausforderung, dafür kann ich aber sehr gut vom Blatt singen.“
Bereits während des Studiums sang sie in diversen Hochschulproduktionen und gastierte in Haydns komischer Oper Il mondo della luna an den städtischen Bühnen Münster. 2005 gewann sie den Landeswettbewerb Gesang NRW in Düsseldorf und wurde 2006 Stipendiatin der Studienstiftung des Deutschen Volkes sowie der Richard-Wagner-Stiftung. 2007 legte sie ihre künstlerische Reifeprüfung ab – als Carmen am Landestheater Detmold. In dieser Partie war sie zehn Jahre später auch in ihrer ers-ten Bonner Spielzeit zu erleben. Parallel zu ihrem Aufbaustudium, das sie 2009 mit dem Konzertexamen abschloss, war sie zwei Jahre lang fest am Theater Bielefeld engagiert. Dort erarbeitete sie sich ein umfangreiches Repertoire und hatte Gastauftritte in Münster, Schwerin, Linz und Essen.
Von 2009 bis 2017 war sie festes Ensemblemitglied der Oper Graz. Sie sang dort viele große Partien vom Barock über Belcanto bis zu Wagner und Werken des 20. Jahrhunderts und arbeitete mit zahlreichen namhaften Regisseuren und Dirigenten. 2014 debütierte sie an der Wiener Volksoper als Carmen und sang dort in der folgenden Spielzeit die Dorabella in Così fan tutte. Besonders aufregend fand sie 2016 die Oper Die griechische Passion von Bohoslav Martinu, inszeniert von Lorenzo Fioroni und musikalisch geleitet von Dirk Kaftan. Sie sang die große Partie der Katerina. Ein Live-Mitschnitt der Grazer Produktion erschien auf CD und wurde mit dem Deutschen Schallplattenpreis ausgezeichnet. Im Sommer 2016 gab sie ihr umjubeltes Debüt bei den Bregenzer Festspielen als Königin Gertrud in der fast vergessenen Hamlet-Oper von Franco Faccio. Von dieser Aufführung gibt es eine DVD.
Seit der Spielzeit 2017/18 ist Dshamilja Kaiser fest in Bonn engagiert. Wie mehrere Ensemblemitglieder mit einem Teilspielvertrag, der ihr genügend Freiheiten für Gastengagements lässt. Ihren spektakulären Bonner Einstand gab die junge Mezzosopranistin, die Generalintendant Bernhard Helmich zusammen mit dem Generalmusikdirektor Dirk Kaftan aus Graz abwarb, mit der Titelpartie der Opernrarität Penthesilea von Othmar Schoeck in der großartigen Inszenierung von Peter Konwitschny. Die Aufführung war nicht nur ein Riesenerfolg, sondern brachte ihr auch eine Nominierung für den Deutschen Theaterpreis „Der Faust“ ein. „Klare Haltungen hat sie gefunden in dieser komplexen Rolle und vermittelt sie durch eine gerade für Opernsänger außergewöhnlich expressive Körpersprache, in Kombination mit stimmlichem Totaleinsatz“, heißt es in der Begründung. Den Preis hat sie dann doch nicht erhalten, aber zu den drei Auserkorenen zu gehören, ist schon eine besondere Auszeichnung.
Zur Preisverleihung nach Regensburg fahren konnte sie ohnehin nicht, denn am nächsten Tag stand bereits die Premiere von Wagners Lohengrin an, wo sie die Ortrud verkörpert und vom Publikum enthusiastisch gefeiert wurde. „Ortrud ist eine richtig böse Frau, aber deshalb auch so spannend. In meinem Stimmfach ist man halt öfter die Widersacherin oder Rivalin der Heldin. Viel Spaß machen auch einige Hosenrollen. Einen naiven Cherubino möchte ich mittlerweile jedoch nicht mehr singen. Den Orlofski mag ich nicht so besonders. Octavian kann ich mir vorstellen.“ Aktuell faszinieren sie eher die vielschichtigen Frauenrollen, besonders die abseits des gängigen Repertoires. Im vergangenen Somme gastierte sie zum Beispiel als Lucrezia in der Oper Beatrice Cenci des Schreker-Schülers Berthold Goldschmidt bei den Bregenzer Festspielen. „Ein großartiges, aber furchtbar düsteres, hoffnungsloses Stück.“ Ab März 2019 wird Kaiser in Linz wieder als Penthesilea zu erleben sein, denn die vielgepriesene Bonner Produktion ist eine Kooperation mit der oberösterreichischen Landeshauptstadt.
Im Frühjahr 2018 gastierte sie als Adalgisa in Norma an der Den Norske Opera Oslo. „Während der ganzen Probenzeit hat es geschneit, wochenlang habe ich die Sonne nicht gesehen. Dabei liebe ich die Wärme und bin ein totaler Griechenland-Fan. Ich hatte vorher gescherzt: Das Schlimmste wäre, wenn ich in Norwegen einen interessanten Mann kennenlernte. Und prompt ist genau das passiert.“ Vor der zweiten Lohengrin-Vorstellung war sie also kurz ein paar Tage in Oslo, dessen neue Kulturmeile um das wunderbare moderne Opernhaus herum sie einfach toll findet.
In ihrer neuen Heimat Bonn fühlt Dshamilja Kaiser sich sehr wohl. „Die fröhliche Mentalität der Rheinländer entspricht meinem Naturell. Das Haus und die Kollegen sind super. Klar. Die Garderoben sind nicht gerade luxuriös, aber das stört mich kaum. Außerdem kann ich mit dem Fahrrad zur Oper fahren, und gleich drei Flughäfen sind schnell erreichbar.“ Dem Bild einer Operndiva entspricht sie absolut nicht. „Ich bin nirgendwo im Streit gegangen, sondern habe immer noch tollen Kontakt zu vielen ehemaligen Kollegen.“ Dazu gehört übrigens auch die schwedische Sopranistin Victoria Granlund. „Ich kenne Dirk Kaftans Frau schon länger als ihn selbst. Wir waren zusammen in Bielefeld engagiert und durften dort auf der Bühne u. a. schon das Lakmé-Blumenduett gemeinsam singen.“
In der traditionellen konzertanten Aufführung im Bonner Opernhaus wird Kaiser die Laura in La Gioconda singen (Premiere am 1.1.2019). Eine gefragte Konzertsängerin ist sie auch. In der Beethovennacht des Beethoven Orchesters Bonn am 16.12. in der Oper singt sie den Mezzosopran-Part in Beethovens 9. Sinfonie. Im Oktober war sie beim ersten Kammerkonzert des BOB im ehemaligen Bundesrat zu erleben und mochte die spezielle Atmosphäre dort. Weitere Pläne? „Ach, wenn man nur noch an die Karriere und die nächsten Aufführungen denkt, verliert man die Wirklichkeit aus dem Blick.“ Deshalb steht auf ihrer schönen Homepage auch als Motto ein Zitat von Hanns Eisler: „Wer nur etwas von Musik versteht, versteht auch davon nichts.“

Dienstag, 29.01.2019

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