Oh, mein Gott! - Theater Die Pathologie - kultur 151 - Dezember 2018

Oh, mein Gott!
Foto: Theater Die Pathologie
Oh, mein Gott!
Foto: Theater Die Pathologie

Ein besonderer Patient

Der Patient scheint dringend Hilfe zu brauchen. Deshalb hat die Psychologin Ela ihre Praxis an diesem Abend doch noch nicht geschlossen. Obwohl sie sich eigentlich noch um ihren Sohn kümmern wollte. Der Patient, ein grauhaariger älterer Herr, der sich nur G nennt, ist offenbar eine wichtige Persönlichkeit. Alter: 5778 Jahre, Beruf: Künstler. Wie lange er sich schon krank fühle? Seit zweitausend Jahren. „Oh, mein Gott!“ seufzt die überzeugte Atheistin. Ela ist Psychologin und keine Psychotherapeutin für dissoziative Störungen. Doch wer da verzweifelt auf ihrem Sofa sitzt und das Gespräch sucht, ist Gott selbst.
Die israelische Autorin Anat Gov (1953 – 2012) hat das ebenso ernsthafte wie humorvolle Stück Oh, mein Gott! verfasst, das 2008 am renommierten Cameri-Theater in Tel Aviv ­herauskam. Im Bonner freien Theater die Pathologie hat Rafael Tabor, in Israel ein TV-Star und derzeit auch in Frankreich auf großen Bühnen als Schauspieler zu sehen, den dramatischen Dialog inszeniert. Sein in der Nähe von Bonn lebender Bruder Victor Tabor spielt G sehr menschlich. Allwissend zwar, aber eben auch zutiefst enttäuscht von seiner Schöpfung. Bis zum fünften Tag sei alles gut gewesen, aber dann mit Adam völlig aus dem Ruder gelaufen. Eine Frau habe der Idiot verlangt, und die habe mit ihrem Apfel bloß Unheil gebracht. Jetzt sei es an der Zeit, das ganze Werk zu vernichten.
„Eine neue Sintflut also, sozusagen ein ­Up­date“, meint Ela. Maren Pfeiffer verkörpert überzeugend die nüchterne Analytikerin, die das Irreale der Situation zwar ungläubig begreift, aber dennoch die Identität ihres Gegenübers als Wirklichkeit akzeptiert. Mit der Bibel in der Hand sucht Ela nach Argumenten gegen den geplanten Weltuntergang. Außerdem versorgt die Frau mit den wilden schwarzen ­Lo­cken selbst ein unvollkommenes Geschöpf. Ihr sechzehnjähriger Sohn ist Autist und kann nicht „Mama“ sagen. So wie viele den Herrn nicht mehr Vater nennen. Aber wären fehlerlose, nur den Wünschen ihrer Erschaffer entsprechende Kreaturen tatsächlich erstrebenswert?
Empathie bringt die beiden Figuren schließlich in einer weltrettenden, zärtlichen Umarmung zusammen. Es wird einfach normal regnen. Das letzte Wort hat freilich die Frau: „Gnädiger Gott, wann wirst du endlich erwachsen?“ Von dem Sprachwitz und den emotionalen Tiefenschichten im theologisch-philosophischen Streitgespräch hätte man gern mehr erlebt. Leider hat die Regie den brillanten Text auf eine knappe, schauspielerisch jedoch intensive Stunde reduziert. Verdienter Beifall für die beiden vorzüglichen Akteure. Ein paar Textstreichungen sollen demnächst wieder geöffnet werden, so dass die kurzweilige Sprechstunde dann einige Minuten länger Zeit zum Nachdenken lässt.
E.E.-K.

Spieldauer ca. 60 Minuten, keine Pause
Die nächsten Vorstellungen:
7. + 8.12. // 14.12.18 // 11.+13.01.19

Dienstag, 22.01.2019

Zurück

TERMINE

Momentan können wir Ihnen leider keine Termine anbieten.

Merkliste

Veranstaltung

Momentan befinden sich keine Einträge in Ihrer Merkliste.


Letzte Aktualisierung: 24.04.2024 19:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn