Die Zofen - Werkstatt - kultur 151 - Dezember 2018

Die Zofen
Foto: Thilo Beu
Die Zofen
Foto: Thilo Beu

Artifizieller Albtraum

Es ist ein ständig wiederholtes Ritual: Das Dienstmädchen Claire spielt die Gnädige Frau, ihre Schwester und Kollegin Solange spielt Claire. Manchmal tauschen sie die Rollen (das Timing regelt ein rabiater ­We­cker) und schmücken sich mit den Kleidern der großbürgerlichen Diva. Die Zofen proben den Aufstand gegen ihre Herrin, die sie hassen und verehren. Sie demütigen sich hingebungsvoll bis zur abgrundtiefen Selbstverachtung. Jean Genets 1947 in Paris uraufgeführtes Skandalstück Die Zofen gilt längst als Klassiker des absurden Theaters und wird entsprechend häufig gespielt.
In der Werkstatt hat die derzeit sehr begehrte Regisseurin Claudia ­Bauer (2017 mit der Leipziger Produktion 89/90 zum Berliner Theatertreffen eingeladen) das Werk inszeniert. Extrem künstlich, konsequent anti-psychologisch. Genet sah eigentlich männliche Darsteller für die drei Frauenrollen vor. In Bonn bilden Sophie Basse, Daniel Breitfelder und Holger Kraft das Albtraum-Trio. Alle drei Ensemble-Mitglieder haben schon mehrfach mit Bauer gearbeitet. Das tatsächliche Geschlecht der Akteure spielt hier keine Rolle. Kostümbildnerin Vanessa Rust hat alle mit voluminösen Frauenkörpern versehen, eine Art Fat-­Suits mit ausgeprägten weiblichen Geschlechtsmerkmalen. Die Gesichter sind durch Silikonmasken mit riesig aufgerissenen Mündern bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Alles Gesprochene wird durch Mikroports bizarr verfremdet. Die Stimmen klingen wie quietschendes Comic-Geplärr, die Musik tönt manchmal pathetisch opernhaft wie aus einer fernen Welt.
Franz Dittrichs Bühnenbild besteht aus einem Laufsteg mit großem, verschiebbarem Spiegel und Projektionsflächen im Hintergrund. Ein entschiedenes Sonderlob verdienen die Live-Sounds von Roman Kanonik. Er lässt die weltbedeutenden Bretter knarzen, Stöckelschuhe klappern, Schläge laut dröhnen, beim Kämmen weißblonden Haars rauscht das Meer, und wenn sich jemand auf den Kunstpelz-Hocker setzt, scheint eine Katze zu jaulen. Wenn nicht alles stets vollkommen synchron läuft, steigert das noch die Komik. Nichts ist echt in diesem Wahnsinnskampf um unmögliche Identitäten. Solange (Breitfelder) und Claire (Basse) stammeln und zittern sich virtuos durch die Vergeblichkeit ihres Tuns. Den mächtigen Gatten ihrer Herrin haben sie mit heimlichen Verleumdungen ins Gefängnis gebracht. Die Gnädige Frau (Kraft) quittiert das mit irren Verzweiflungsarien, beschenkt ihre Untergebenen reichlich und rauscht nach der Freilassung ihres Geliebten zum nächsten Taxi. Den vergifteten Lindenblütentee hat sie zum Leidwesen ihrer Untergebenen nicht angerührt. Die machen folglich immer mehr Ernst aus ihrem tödlichen Rollenspiel.
Die Aufführung überzeugt mit einem klaren ästhetischen Konzept. Es geht um das Spiel selbst als Voraussetzung des Überlebens, weniger um eine scheiternde Revolte. Das begreift man recht bald. Leider zieht sich das trotz schöner Einfälle qualvoll hin und lässt die Aufmerksamkeit irgendwann doch schrumpfen. Geteilter Premierenbeifall zwischen begeisterten Fans dieser Theaterform und der Mehrzahl von fluchtartig ins Freie Strömenden. E.E.-K.

Spieldauer ca. 1:50 Stunden, keine Pause
Die nächsten Vorstellungen:
11.12. // 18.12. // 22.12. // 27.12.18

Dienstag, 22.01.2019

Zurück

Merkliste

Veranstaltung

Momentan befinden sich keine Einträge in Ihrer Merkliste.


Letzte Aktualisierung: 24.04.2024 10:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn