Linie 16 - Schauspielhaus - kultur 150 - November 2018

Linie 16
Foto: Thilo Beu
Linie 16
Foto: Thilo Beu

Unterhaltsame musikalische Reise

So kann öffentlicher Nahverkehr richtig Spaß machen. Von den Stadtwerken Bonn und den Kölner Verkehrsbetrieben hat das Theater sogar Original-Straßenbahnteile erhalten für Simon Solbergs (Inszenierung und Bühne) Linie 16. Beim Theaterfest im September gab es schon einen kleinen Vorgeschmack auf die Fahrt von Köln-Niehl nach Bad Godesberg. Daraus ist nun mit sehr kurzer Probenzeit und großem Einsatz der Werkstätten und der Technik von Theater Bonn eine vergnügliche Aufführung geworden. Ein bisschen nach dem Erfolgsrezept von Volker Ludwigs Berliner Linie 1 und der beliebten Liederabende von Franz Wittenbrink wie Eltern oder Sekretärinnen.
Dass es eine „Achterbahnfahrt durch den rheinischen Untergrund“ sein soll, muss man nicht wörtlich nehmen. Bis auf einige Haltestellen-Ansagen gibt es kaum Lokalkolorit, obwohl die echte Linie 16 ja ober- und unterirdisch sehr unterschiedliche soziale Biotope durchquert. Diese Bahn könnte auch in Stuttgart oder Frankfurt unterwegs sein. Dafür entschädigt freilich ein blendend aufgelegtes, sängerisch überzeugendes Schauspiel-Ensemble, begleitet von den Musikern Philip Breidenbach, Jann Marvin Beranek und Thomas Esch.
Die Straßenbahn ist jedenfalls ein perfekter Ort für die Beobachtung von Leuten und die Erfindung von Hintergrundgeschichten. So haben alle hier in diversen Rollen köstliche Soloauftritte mit herrlich verrückten Effekten. Annika Schilling brilliert als Geschäftsfrau mit Handy am Ohr und Leerfloskeln auf der Zunge. Plötzlich dringt Rauch aus ihrer Handtasche, und sie singt Bruce Springsteens I’m on Fire. Später wird ein menschengroßes Smartphone einsteigen. Timo Kählert bleibt unvergesslich als Mann mit der Klopapierkanone, eingeführt mit dem berühmten Mundharmonika-Motiv aus Spiel mir das Lied vom Tod. Lena Geyer gerät bei Zucker und Fett in Ekstase und gibt später die Umweltschützerin und die schwer gefährdete kugelrunde Mutter Erde (Kostüme: Katia Köhler). Christian Czeremnych surft per Windmaschine beschleunigt durch den Wagen, Christoph Gummert laboriert an Vaterproblemen.
Den meisten Beifall erntet freilich der ungemein wandlungsfähige Daniel Stock, der sich in Bonn als Voltaires Candide vorstellte. Mal gibt er den Stotterer, mal predigt er wie berauscht Kapital und Konsum. Eine echte Comedy-Nummer ist seine schwäbelnde Hausfrau, berührend der alte Mann mit Rollator und Queens „Who Wants to Live Forever“. Am Schluss singen sie alle Michael Jacksons „Man in the Mirror“.
Die intelligente Show reiht viele gelungene szenische Miniaturen und genau damit verbundene Pop-Songs aneinander. Ein spontan ins Programm genommener Schnellschuss gewiss und nicht so anspruchsvoll wie die Liederabende von Michael Barfuß in der Ära Klaus Weise, aber sicher ein reizendes Angebot für ein breiteres Publikum. E.E.-K.
Ca. 90 pausenlose Minuten, also fast genauso lang wie die Linie 16 für die Strecke braucht.

Montag, 21.01.2019

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