Kiss me, Kate - Oper Bonn - kultur 149 - Oktober 2018

Kiss me, Kate
Foto: Thilo Beu
Kiss me, Kate
Foto: Thilo Beu

Spaß mit Shakespeare

Premierenfieber in Baltimore, wo Fred sein Theater eröffnen will mit Shakespeares Der Widerspenstigen Zähmung. Aber der Anfangssong „Another Opening“ ­passte perfekt zum Saisonstart der Bonner Oper mit Cole Porters 70 Jahre altem Musical-Klassiker Kiss me, Kate. Es ist eine Koproduktion mit der Oper Dortmund, wo die Inszenierung des Briten Martin Duncan vor drei Jahren herauskam. Für Bonn natürlich noch mal ganz frisch aufpoliert und mit einem neuen Ensemble erarbeitet. Es ist vitales Show-Business, geistreich, frech, ein bisschen frivol und vor allem mit brillant swingender Musik und Ohrwurm-Melodien. Das Beethoven Orchester Bonn unter der Leitung des Kapellmeisters Daniel Johannes Mayr spielt das (inkl. etlicher Solonummern) so mitreißend schwungvoll, dass man im Graben fast eine Band der Extra-Klasse vermutet.
Spätestens beim walzerseligen „Wunderbar“ springt der Funke über. Auch zwischen Theaterproduzent, Regisseur und Hauptdarsteller Fred Graham und der Schauspielerin Lilli Vanessi, die mittlerweile auf Hollywood-Sterne spekuliert. Das ehemalige Paar ist seit einem Jahr glücklich geschieden, aber die erotische Spannung ist noch keineswegs verklungen. Auf einer untergründigen Anziehungskraft basiert ja auch Shakespeares vermutlich 1594 uraufgeführte Komödie The Taming of the Shrew, in der der freche Petrucchio sich die streitlustige Katharina mit reichlich groben Methoden gefügig macht. „Frauen brauchen eben eine starke männliche Hand“ – das ist in „Me-Too“-Zeiten wirklich das Letzte. Hier aber ziemlich egal, denn der Clou des Stücks ist das Spiel im Spiel.
Auf Freds wackliger Wanderbühne mimen sie in quietschbunten, pseudohistorischen Kostümen (tolle Ausstattung: Fred O’Connor) ­Shakespeare-Figuren, Backstage zwischen heruntergekommenen Garderoben, Backsteinfassaden und Feuerleitern herrscht Zoff. Nicht nur weil Fred mal wieder fast pleite ist und dringend einen zugkräftigen Star braucht. Er hat sich auch noch verknallt in das junge Tingeltangel-Sternchen Lois Lane, was Lilli mit einem eifersüchtigen Wutausbruch quittiert und dafür auf offener Bühne von Fred übers Knie gelegt wird.
Die charismatische Musical-Darstellerin Bettina Mönch, hier zuletzt als Evita zu erleben, ist das Zentrum der Aufführung. Wenn sie als Lilli/Kate ihr „I Hate Men“ schmettert (dabei kokett auch kurz dem Dirigenten seinen Stab entwindet) wird schon klar: Das ist kein kratzbürstiges Kätzchen, sondern eine Powerfrau, die sich garantiert nicht unterbuttern lässt. Gesprochen wird übrigens auf Deutsch, nur die Songs werden auf Englisch mit deutschen Übertiteln präsentiert. Was auch gut ist, denn der Wortwitz der von Cole Porter selbst getexteten Lieder ist kaum zu übertreffen.
Als Schwerenöter Fred/Petrucchio mit einem ganzen Leporello voller ­Dates, die er als melancholisches Schattenspiel Revue passieren lässt, glänzt Oliver Arno. Ein tänzerisch und sängerisch ungemein präsentes sexy Energiebündel ist Kara Kemeny als Lois/Bianca. Bianca, geschlechtsreifes Früchtchen des reichen Kaufmanns Baptista (Stefan Viering) will – mindestens – einen Mann, aber Papa möchte zuvor ihre ältere Schwester Katharina verheiraten, was bei deren Revolverschnauze trotz üppiger Mitgift ein Problem ist. Weil Lois‘ aktueller Lover Bill ­Calhoun (Frank Wöhrmann), der im Drama den Lucentio gibt, der Spielsucht verfallen ist, gibt es jedoch eine überraschende Lösung, nachdem Lilli mitten in der Vorstellung wütend ausgestiegen ist. Schließlich ist sie verlobt mit dem mächtigen General Harrisson Howell (Daniel Berger), der auch gleich mit einem roten Straßenkreuzer andampft und seine Soldaten in Stellung bringt, um die Hochzeit mit Lilli strategisch perfekt auf den Weg nach Washington zu bringen.
Aber die Mafia schläft nie. Bill hat seine Spielschulden mit einer gefälschten Unterschrift an Fred weitergegeben. Und der wittert seine Chance, als zwei Pistolen-Typen auftauchen, um das Geld zu fordern, das er nur liefern kann, wenn Lilli weiterspielt. Mit der Besetzung des Ganoven-Duos ist der Oper Bonn ein echter Coup gelungen: Michael Schanze und Hans-Jürgen Schatz zwingen Lilli mit Waffengewalt auf die Bühne zurück. Außerdem können sie vor lauter Theaterbegeisterung kaum noch aufhören bei ihrer Glanznummer „Schlag nach bei Shakespeare“. Der sprachspielerisch geniale Hit wird ausnahmeweise doch auf Deutsch gesungen.
Ein verdammt heißes Glanzstück ist nach der Pause das unverschämt laszive „Too Darn Hot“. Der Bonner Opernchor unter der Leitung von Marco Medved zeigt nicht nur seine stimmliche und tänzerische Beweglichkeit, sondern ist auch in vielen Solorollen aktiv. Die rasante Choreografie von Nick Winston hat der Choreograf Ste Clough weitgehend neu gestaltet mit Hilfe von Dance-Captain Eveline Gorter und einem vierköpfigen Profi-Tänzer-Ensemble.
Der große Aufwand hat sich freilich gelohnt: Es braucht nur noch einen Mord ex Machina, damit die kriminellen Schuldeneintreiber woanders ihr Geschäft betreiben können. Lilli begreift, dass die Sache mit dem Militär doch nicht so ganz ihrem emanzipierten Verstand entspricht und bringt selbstbewusst ihre Rolle bis zum klassischen Happy End. Sozusagen „Shakespeare With Love“ in einem munteren Doppelspiel mit einer exzellenten, höchst aufgeweckten Crew. Intelligenter Broadway-Boulevard auf Best-Niveau und entsprechend vom Premierenpublikum mit Beifalls-Ovationen gefeiert.

Spieldauer ca. 3 Stunden, inkl. einer Pause
Die Letzten Vorstellungen:
6.10. // 26.10. // 10.11. // 17.11. // 19.12.18 //05.01.19

Außerdem gibt es für den vergnüglichen Abschluss des Jahres 2018 zwei Aufführungen an Silvester. Für beide Aufführungen (15 Uhr und 20 Uhr) haben wir ein kleines Kartenkontingent für unsere AbonnentInnen auf Seite 18 dieser Ausgabe.

Donnerstag, 17.01.2019

Zurück

Merkliste

Veranstaltung

Momentan befinden sich keine Einträge in Ihrer Merkliste.


Letzte Aktualisierung: 23.04.2024 14:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn