Prix Pantheon 2018 - Pantheon - kultur 148 - Juli 2018

Prix Pantheon 2018 - Die Gewinner
Foto: Pantheon Bonn
Prix Pantheon 2018 - Die Gewinner
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Comedy- und Satire-Preis im Pantheon, 5.-6.06.2018

Der Prix Pantheon gehört zu den traditionellen Frühjahrs-Highlights der Kabarettszene. Bereits seit dem Jahr 1995 findet dieses zweitägige Fes­tival, bei dem sich zehn Newcomer der Szene in einer „Kleinkunst-Olympiade“ messen, im Pantheon statt, in diesem Jahr zum zweiten Mal am neuen Standort in Beuel.
So lange es kultur gibt, so lange ist auch die Redaktion als Zuschauer dabei, um Sie über diese spannenden Wettkampftage zu informieren. Dabei bleibt es nicht aus, dass man die aktuelle Veranstaltung mit ihren Vorgängern vergleicht. Am neuen Standort ist alles räumlich großzügiger, es gibt deutlich mehr Zuschauerplätze und Hausherrin Martina Steimer hat der Spielstätte mit phantasie- und geschmackvoller Dekoration ein angenehmes Lounge-Flair verliehen. Der WDR zeichnet die Veranstaltung nach wie vor auf und führt das Regie-Regiment, was auch das Publikum zu spüren bekommt: Es gibt Klatschproben, manchmal muss eine Moderation wiederholt werden und man muss damit leben, während der Show von verschiedenen Kameras, die durch den Zuschauerraum geführt werden, gefilmt zu werden.
„Während der Show“? Ja – und hier zeigt sich ein Trend. Mehr denn je gleicht die Prix-Pantheon-Veranstaltung einer TV-Comedy-Show. Der Kabarettist (oder Comedian) Tobias Mann, selbst Gewinner des Prix-Pantheon-Publikumspreises im Jahr 2008, führt als Moderator durch die zwei Abende, freundlich, empathisch und gewürzt mit einigen Pointen. Aber die Feierlichkeit und die spezielle Wettkampfstimmung sind im Vergleich zu früheren Zeiten auf der Strecke geblieben. Man erinnert sich an Rainer Pause und Norbert Alich, die bis vor einigen Jahren in ihren Rollen als Fritz und Hermann als Gastgeber und Leiter der Veranstaltung auftraten und das Publikum mahnten, sich Notizen zu machen, um bei der Wahl des Publikumspreises ein fundiertes Urteil treffen zu können. Heute ist es den Veranstaltern scheinbar am wichtigsten, dass das Publikum einfach fernsehgerecht „gut drauf“ ist.

Das diesjährige Publikum bekam am ersten Abend zehn Kurzauftritte aller Kandidaten präsentiert. Gemäß den Statuten gelangen fünf Kandidaten in das am nächsten Tag stattfindende Finale, wo sie sich mit je einem weiteren Kurzauftritt präsentieren: Die zwei Top-Kandidaten der Publikumswahl des ersten Abends und die drei Favoriten der fünfköpfigen Fachjury unter der Leitung von Susanne Pätzold.
Diese erste Hürde nahmen im Jahr 2018
- der unermüdliche Deutschlehrer Herr Schröder (Johannes Schröder, *1974 in West-Berlin), der seine Erfahrungen mit den Schülern im Teenie-Alter mit enormer Frustrationstoleranz zu anekdotenreichen Berichten verarbeitet – humorvoll, manchmal nah an der Resignation, aber stets empathisch. Schröder versteht es, zu verhindern, dass sein der Schule entwachsenes Publikum Distanz aufbaut. Nur wenige Sätze und man spürt sie wieder, diese generationenübergreifende Schulatmosphäre, an die sich mancher mit Wehmut und mancher mit Schaudern erinnert – je nachdem, auf welcher Position man sich damals befand: im Bus z.B. in den letzten vier Reihen, bei den „pädogogischen Härtefällen“, die wohl den meisten Spaß hatten, oft auf Kosten anderer – oder eher vorne, bei denen mit der „geringsten Schulhof-Lebenserwartung“.
- die klug-provokante Comedy-Künstlerin Tahnee (*1992 in Heinsberg), die von den Erfahrungen ihrer Partnerin als lesbische Frau mit Migrationshintergrund berichtete, und großes Stimmennachahmungs­talent bewies. Auch wenn sie sich derzeit in der Comedy-Szene etabliert, öffnen ihre klugen Pointen und ihr Kampf gegen Klischees gegenüber Frauen aller Art die Tür in Richtung politisches Kabarett.
- der auf den Rollstuhl angewiesene Comedian Tan Caglar, der seine Diskriminierungserfahrungen als Türke mit Handycap im deutschen Alltag zum Thema macht,
- der Schauspieler und Synchronsprecher Jan van Weyde, der in seiner neuen Profession als Comedian von seinen Erfahrungen als Vater einer inzwischen dreijährigen Tochter berichtet und Kostproben des unverwechselbaren Tonfalls synchronisierter US-amerikanischer TV-Serien gab,
- und Helene Bockhorst, die einen kleinen Einblick in ihr erstes Soloprogramm Die fabelhafte Welt der Therapie gab, in dem es um das Überleben als „Underdog“ und um Dating-Erfahrungen geht.
Vom Wettkampf verabschieden mussten sich am ersten Abend
- der als Mitglied des TV-Comedy-Ensembles „Rebellcomedy“ bekannte indischstämmige Comedian Salim Samatou,
- der von der Tätigkeit als Synchronsprecher in die Comedy-Szene gelangte Marcel Mann,
- der 17-jährige Newcomer der Theater-Szene Bernard Paschke, der bereits als Bühnenautor, Regisseur, Schauspieler und Kabarettist erfolgreich Erfahrung gesammelt hat,
- der die ersten 13 Lebensjahre in den USA aufgewachsene Vincent Pfäff­-­lin, der von seinen irritierenden Erfahrungen mit der deutschen Sprache bei seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik berichtete
- und die aus der Poetry-Slam-Szene stammende dreiköpfige Berliner Boy-Group „Frau Rotkohl“.

Am zweiten Abend war es nach den Auftritten der fünf Finalisten und einem Rahmenprogramm mit Gast-Auftritten renommierter Vertreter der Kleinkunstszene (u. a. Wilfried Schmickler, die letztjährige Prix Pantheon-Jury-Preisträgerin Lisa Eckhart, „Das Lumpenpack" (Prix Pantheon-Publikumspreisträger 2016) soweit: Zeit für die Ehrung der Gewinner!
Rainer Pause verkündete feierlich den Gewinner des Publikumspreises Beklatscht und Ausgebuht: Herr Schröder!
Susanne Pätzold ehrte als Vertreterin der Jury die Gewinnerin des Jury-Preises Frühreif und Verdorben: Thanee, der es – so Pätzold in ihrer Laudatio – „gelingt, das Tiefe an der Oberfläche zu verstecken, das Politische im Privaten aufzudecken. Um es mit ihren eigenen Worten zu sagen: Sie gibt romantisch auf die Fresse!"
Außerhalb des Wettbewerbs wurde Hugo Egon Balder (*1950 in West-Berlin) nach einer Laudatio von Guido Canz mit dem mit 4.000 € dotierten Prix-Pantheon-Ehrenpreis Reif und Bekloppt ausgezeichnet. Er eroberte die Herzen des Publikums schnell mit seinem Auftritt am Flügel mit einem tiefenentspannten, selbstkomponierten Lied „Ich bin reif und bekloppt und hab’ nen kleinen Bauch ... oh ist das schön ... die Pubertät fängt grad’ neu an...!“

Insgesamt entstand in diesem Jahr der Eindruck, dass das Genre Comedy den Wettbewerb fest in der Hand hat. Die Kleinkunst-Bereiche politisches Kabarett, Typen-Kabarett, musikalische Unterhaltung und A cappella-Musik scheinen wenig preisverdächtigen Nachwuchs zu haben oder wurden von der Jury nicht so sehr berücksichtigt. J.S.

Mittwoch, 16.01.2019

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