Eure Ordnung ist auf Sand gebaut - Werkstatt - kultur 148 - Juli 2018

Eure Ordnung ist auf Sand gebaut
Foto: Thilo Beu
Eure Ordnung ist auf Sand gebaut
Foto: Thilo Beu

Blassrosa Gespenster

Zu ihrem Abschied hat Schauspieldirektorin Nicola Bramkamp noch mal die Novemberrevolution von 1918 ins Rampenlicht geholt. Eine kleine Rosa-Luxemburg-Ausstellung im Foyer der Kammerspiele, eine leicht gekürzte Fassung von Döblins Karl und Rosa auf der großen Bühne. Vor fünf Jahren begann Bramkamps Amtszeit mit der eindrucksvollen Inszenierung von Alice Buddeberg.
In der Werkstatt durften die drei Regieassistenten Julie Grothgar, Emmanuel Tandler und Frederik Werth in einer gemeinsamen szenischen Collage dann ihren eigenen Blick auf den Mythos Rosa Luxemburg werfen.
Das beginnt mit der Grabrede, die ihr Anwalt und Geliebter Paul Levi (hier zitiert von Wolfgang Rüter) bei der Beerdigung Rosa Luxemburgs am 13. Juni 1919 hielt. Ende Mai war die Leiche der am 15. Januar ermordeten Revolutionärin im Berliner Landwehrkanal gefunden worden. Wie in einem TV-Krimi folgt ein Leichenschau-Video mit dem Schauspieler Philipp Basener als Forensiker. Ein Fetzen von ihrem rosa Kleid und eine vertrocknete kleine Blume auf der Brust verweisen auf die Identität der Toten. Rosa Luxemburg, in Polen geborene Jüdin, in Zürich promovierte Akademikerin, liebte Blumen und alles Lebendige. Die Schauspielerin Lena Geyer trägt zu weißen Schnürstiefeln ein weißes Kleid mit üppiger Blütenapplikation, Basener als Verkörperung der androgynen Seite der wortmächtigen Politikerin und Frauenrechtlerin ein weißes Gewand mit Kimono-Anmutung (Bühne und Kostüme: Maria Strauch). Trotz diverser Originalzitate und Liebschafts-Anekdoten ist die Inszenierung keine einfache biografische Hommage.
„Eure Ordnung ist auf Sand gebaut. Die Revolution wird sich schon morgen wieder in die Höh‘ richten und zu eurem Schrecken mit Posaunenklang verkünden: Ich war, ich bin, ich werde sein!“, schrieb Luxemburg kurz vor ihrem gewaltsamen Ende. Von solch biblisch donnerndem Pathos ist die Aufführung ebenso weit entfernt wie von dem Festrede-Optimismus der Luxemburg-Gemeinde. Das junge Team wirft einen ironisch gebrochenen Blick auf die Welt nach dem Scheitern des Sozialismus. Im weißen, geometrischen Bühnenraum wird die historische Kampfzone überblendet mit Szenen aus dem vernetzten Leben heutiger Weltverbesserer. Laura Sundermann erscheint per Video als einsame Web-Akteurin, die vom Sofa aus Botschaften am Laptop verbreitet. Bequemer Kuschel-Antikapitalismus, gelegentlich beim Zähneputzen kopfüber rauschend in die Utopie von universaler Gerechtigkeit. „Auch die Komfortzone braucht eine Revolution“, lautet die Botschaft nach einer knappen Stunde. Gedanklich eher schlicht, dramatisch ziemlich unbeholfen, aber hübsch farbenfroh beleuchtet. Bestenfalls ein Gesellenstück, gerettet von zwei tapferen Darstellern. E.E.-K.

Die letzte Aufführung lief am 23.06.18.

Mittwoch, 16.01.2019

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