Frank Goosen - kultur 146 - Mai 2018

Geschichtenerzählen mit Ruhrpott-Charme - Frank Goosen über Politik, Gesellschaft und König Fußball

von Thomas Kölsch

Manchmal kann man sich nur wundern. Wundern darüber, dass die Welt scheinbar aus den Fugen geraten ist. Oder darüber, dass sich Menschen immer noch über Donald Trump wundern. Doch für Frank Goosen ist derzeit das größte Wunder, dass der VfL Bochum zumindest rein theoretisch noch eine Chance zum Aufstieg hat. „Das hätte ich vor einigen Monaten nicht erwartet“, bekennt der Autor und leidenschaftliche Fußball-Fan, der Ende vergangenen Jahres nach einigen Querelen von seinem Posten im Aufsichtsrat des Vereins zurück­getreten ist, ihm aber immer noch die Treue hält. Und sich daher freut, dass er sich wundern kann.
Ohnehin spielt dieses Gefühl für den 51-Jährigen derzeit eine wichtige Rolle. In seiner aktuellen Leseshow Was ist da los widmet er sich einmal mehr den Absurditäten des Alltags, über die man oft genug den Kopf schütteln kann. „Ich schöpfe dabei immer aus dem eigenen Erleben“, sagt er. Und das spielt sich, trotz zahlreicher Touren durch die ganze Republik, doch in erster Linie im Ruhrgebiet ab. Hier kommt Goosen her, hier gehört er hin. Seit Jahren ist er einer der großen Pott-Poeten, der sich nicht nur, aber doch zu einem nicht unerheblichen Teil mit der Heimat beschäftigt. „Ich denke nicht, dass wir in dieser Hinsicht ein Defizit haben, wie es gerne von rechts herüberschallt“, sagt er. „Spätestens bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 haben wir gesehen, wie es gehen kann. Daher brauchen wir auch kein Heimatministerium. Wichtig ist eigentlich nur, dass die Heimat offen ist und nicht jemanden ausschließt.“
Zumindest in seinen Geschichten ist das auch so. Die Heimat (sei es nun der Pott oder ganz Deutschland) schwingt immer mit, allerdings ohne ständig thematisiert zu werden, erst recht nicht im politischen Kontext. Von diesem hält Gossen sich ganz bewusst fern, sagt er. „Wer meine Bücher liest, weiß wahrscheinlich relativ gut, wo ich stehe“, sagt er. „Und ich beschäftige mich schon intensiv mit Politik, sowohl in unserem Land als auch zum Beispiel in den USA. Das interessiert mich, das bewegt mich. Aber ich bin eben ein Geschichtenerzähler, kein Kabarettist. Derartige Texte würden bei mir nicht funktionieren. Ich beschreibe viel lieber Menschen.“ Bei denen blickt Goosen ganz genau hin, nimmt sie im besten Fall auf, gibt ihnen einen Platz in seinem Werk und einige schräge, urkomische Dialoge. Ob es nun die Omma ist, nur echt mit mindes­tens zwei M, das jugendliche Trio Mücke, Spüli und Pommes oder der Schriftsteller Förster, Protagonist von Goosens letztem Roman. „Solche Gestalten lassen mich oft nicht los“, gesteht der Autor. „Ich arbeite auch gerade an einem neuen Buch, das im kommenden Jahr erscheinen soll und sich mit dem Mauerfall auseinandersetzt, da werden Förster und seine Freunde auch wieder eine Rolle spielen.“
Der nostalgische Blick in die Vergangenheit: Noch so ein Aspekt, der sich wie ein roter Faden durch Goosens Werk zieht. „Der Versuch, mit seiner eigenen Geschichte klarzukommen oder eine bestimmte Zeit wieder aufleben zu lassen, hat mich schon immer umgetrieben“, sagt er. „Es geht um das, was einen ­glück­lich macht, inklusive aller Konsequenzen, und um die Entscheidungen, die man in seinem Leben trifft.“ Zumindest in seinen Romanen schöpft Goosen seine Kraft aus Charakteren, die nicht mit sich selbst im Reinen sind, die sich hinterfragen und nach einer Alternative zum eigenen Leben suchen – und die gerade deswegen immer wieder in skurrile Situationen geraten, die denen ähneln, die in Kurzgeschichten und Blog-Einträgen gerne mal skizziert werden. Alles Fiktion, möchte man jetzt rufen. Aber nein. „Viele Dinge fallen mir nicht ein, sondern auf“, betont Goosen. Hinweisschilder an Kneipen etwa, nicht das Personal abzulecken, oder die Offenbarung eines telefonierenden Zug­fahr­­gas­tes, dass Barbecue doch auch Fettverbrennung sei. Absurde Momente, die vielen auffallen, aber aus denen nur wenige etwas machen. Frank Goosen schon. Melancholie trifft auf den alltäglichen Wahnsinn, die nachdenkliche Vergangenheit auf die verrückte Gegenwart, bis man sich wirklich fragt, was denn da bitte los ist. Und sich dadurch besser fühlt, dass man sich wundert.


Frank Goosen ist am 16.05.18 mit seinem Programm
„Was ist da los?“ – Blogs und Stories – Leseshow.
im Pantheon zu Gast.

Karten gibt es für Mitglieder auch bei der Theatergemeinde.

Dienstag, 15.01.2019

Zurück

Merkliste

Veranstaltung

Momentan befinden sich keine Einträge in Ihrer Merkliste.


Letzte Aktualisierung: 18.04.2024 21:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn