No No No (Uraufführung) - Werkstatt- kultur 146 - Mai 2018

No no no
Foto: Thilo Beu
No no no
Foto: Thilo Beu

Training für das Konsumparadies

Sie scheinen ziemlich müde zu sein. Wie in Zeitlupe betreten die vier Personen in rosa Kitteln den leeren Supermarkt. Die Regale sind halbvoll, die Einkaufswagen bereit für die Kundschaft. Das Personal trainiert für die Eröffnung des neuen Konsumtempels. Freundlichkeit ist das oberste Gebot, denn nur zufriedene Kunden kommen wieder.
„Tücken und Abgründe des amerikanischen Traums“ lautet der Untertitel des neuen Stücks, das der irische Regisseur Gavin Quinn zusammen mit dem Ensemble entwickelt hat. Durch harte Arbeit zu Erfolg und Wohlstand: Das ist der Mythos, den schon Hemingway als „American Nightmare“ bezeichnete. Im Supermarkt-Drama (ausgestattet von Quinns langjähriger Partnerin Aedin Cosgrove) klingen Motive aus Arthur Millers Tod eines Handlungsreisenden an, bis hin zum Selbstmord, mit dem der alte Willy Loman seine Familie vor dem finanziellen Ruin rettet. Auch Motive aus Werner Schwabs Fäkaldrama Die Präsidentinnen, zumal das famose Damentrio aus Robert Gerloffs Inszenierung hier wieder auf der Bühne steht. Ursula Grossenbacher mit blauer Perücke gibt die taffe Filialleiterin Olivia, Birte Schrein die scheinbar wunschlos zufriedene Mitarbeiterin Daphne, deren hysterisches Gelächter einfach unwiderstehlich ist. Lena Geyer ist die junge Mathilda, die auch schon Mal eine Kundin spielen muss und auf einer Mischung aus Ketchup und Mayonnaise ausrutschen, damit Daphne üben kann, wie man eine solche Situation meistert.
Als männliche Verstärkung haben sie sich den jungen Kevin geholt. Manuel Zschunke spielt den Sonny-Boy, der sich über Tinder ein Date mit einer amerikanischen Spieltheoretikerin verschafft hat, vom leichtverdienten großen Geld träumt und sogar Reklamationen wegen Gammel-Hähnchen mit strahlendem Lächeln quittiert.
Empathie ist das neue Geschäftsmodell, eiserne Freundlichkeit oberstes Gesetz. Ansonsten herrscht untereinander gepflegtes Desinteresse. In den durch harte Blacks getrennten Szenen reden sie sich von Belanglosigkeiten in Katastrophenfan­tasien. Sex, Kindheitstraumata, Übergriffigkeit am Arbeitsplatz, Hilfe zur Selbsttötung (Mathilda kennt sich da anscheinend sehr gut aus) und Überlebenschancen bei einem Angriff –­ alles kommt vor in diesem zunehmend gespenstischen Sprechfluss. Einmal stimmen sie den Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“ an. Klar: Die protestantische Ethik stand Pate für den Traum von Chancengleichheit, stetigem Fortschritt und durch Fleiß gewonnenem Kapital.
Formal mixt die Inszenierung die streng ritualisierten Bewegungen des japanischen No-Theaters mit Slapstick-Elementen. Das ist ziemlich unterhaltsam, vor allem wegen des exzellenten Schauspieler-Quartetts, das das Recht auf Glück mit frecher Ironie hinterfragt. Bei der besuchten, restlos ausverkauften zweiten Vorstellung gab es langen, freundlichen Applaus. E.E.-K.

Spieldauer ca. 80 Minuten, keine Pause
Die nächsten Vorstellungen:
18.05. // 6.06. // 20.06. // 28.06.18

Dienstag, 15.01.2019

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