Fremde Verwandte - Conta-Kreis-Theater - kultur 144 - März 2018

Fremde Verwandte
Foto: Contra-Kreis-Theater
Fremde Verwandte
Foto: Contra-Kreis-Theater

Ziemlich normale Patchwork-Familie

Short-Cuts aus dem wirklichen Leben: Ein raffiniertes Dialog-Puzzle bestimmt den ersten Teil der Vorstellung von Fremde Verwandte, verfasst von René Heinersdorff und inszeniert von Horst Johanning. Also einem Duo, das pfiffig geistreiche Unterhaltung garantiert und hier mit frecher Ironie das Verhalten geschlechtsreifer (hier teilweise sehr gereifter) bürgerlicher Stadtbewohner untersucht. Und in der Komödie Fremde Verwandte mit einem brillanten Sprachwitz überzeugt, der alle Figuren unbeschädigt lässt und so gut wie nie unter die Gürtellinie geht.
Gewiss nicht im Kindergarten, wo der nette Silver-Ager Heinz (wunderbar gelassen und abgeklärt: Christian Wolff) sein Söhnchen abholt. Um dessen Rhythmusgefühl zu fördern, rät Erzieherin Sonja (absolut liebenswürdig als grüne Hoffnungträgerin: Simone Pfennig) den Eltern des Kleinen zu Übungen mit Klanghölzchen. Bis sie begreift, dass Heinz nicht der Opa, sondern der Vater ist und auch einen 53-jährigen Sohn namens Pascal hat, der als kritischer Journalist bei Spiegel-Online tätig ist. Black und Spotlight auf Marita (grandios: Marianne Rogée), die gerade ihrem Pascal (beeindruckend sensibel: Patrick Wolff, außerhalb des fiktiven Bühnenlebens tatsächlich Sohn von Christian Wolff) nach zehn glück­lichen Jahren den Laufpass gibt, weil sie in ihrer weit fortgeschrittenen Lebenslust (freundlich gesagt, war sie bei Pascals Geburt über 20) neue Freiheiten möchte. Schnitt: Heinz trifft nach vielen Jahren wieder seinen vollreifen Sohn ­Pascal. Schnitt: Die reizende junge Nicole (als personifizierter Blondinenwitz: Eva Habermann) trifft nach der täglichen Shoppingtour und vor dem fast täglichen Mädelsabend ihre Mama Marita, die seit zwei Tagen einen neuen Lebenspartner im Visier hat. Die Wohnung inklusive Katze und Staubsauger darf Pascal behalten.
Schnitt: Auf der Couch des deutlich übergewichtigen Lebensberaters Kai (köstlich: Thomas Gimbel) liegt Nicole, die – als hübscher Running Gag – mit Fremdwörtern einige Probleme hat. Außerdem findet sie sich (zumindest an den Ohrläppchen) viel zu dick, hat ein traumatisches Verhältnis zu Kindern und möchte sich trennen von ihrem erheblich älteren Gatten Heinz, einem prominenten Architekten. Auf derselben Couch landet kurz danach auch der unglückliche Pascal. Bis Kai entnervt nach Hause kommt und bloß noch Fernsehsport glotzen möchte, während seine Frau Sonja von einem eigenen Kind träumt.
Bis zur Pause sind zumindest für die Zuschauer die chaotischen Beziehungen des charmanten Sextetts ziemlich klar. Beim Italiener um die Ecke treffen sich schließlich alle Bühnenfiguren (angenehmerweise wird keine denunziert, sondern in ihrer Eigenart ernst genommen) zur ersten Bereinigung der Verhältnisse. Etwas später treffen sich die vier Jüngeren zu einem gemixten Doppel bei der gemeinsamen Urlaubsplanung. Noch etwas später hofft Heinz, dass sein neues Töchterchen schon laufen kann, bevor er es verlernt. Sein jüngster Sohn spielt schon gut Baseball und hilft Papa bei der Sortierung der Apps auf dem Handy.
Das Allerschönste sind freilich die Wortgefechte zwischen Marita, die mit ihren verbalen Giftspritzen ganze Wälder entlauben könnte, und ihrem minimal jüngeren Schwiegersohn Heinz, der völlig unaufgeregt jede Gemeinheit punktgenau pariert.
Das irre Beziehungs-Durcheinander macht einfach Spaß, ohne dass man irgendwo unter Niveau lachen muss. Großer, überzeugter Premierenbeifall. E.E.-K.

Spieldauer ca. 2 ¼ Stunden inkl. einer Pause
Die nächsten Vorstellungen:
täglich außer montags bis zum 15.04.18

Donnerstag, 06.12.2018

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