Ketten der Liebe - Contra-Kreis-Theater - kultur 143, Februar 2018

Ketten der Liebe
Foto: Contra-Kreis-Theater
Ketten der Liebe
Foto: Contra-Kreis-Theater

Lauter schräge Nervensägen

Es ist echt nicht sein Tag, obwohl die Fans schon Schlange stehen, um ihren Star zu bejubeln. Zwei Stunden vor dem ausverkauften Konzert ist der selbstverliebte Schmuse-Rocker Andy total schlecht gelaunt, meckert übers Essen und den ganzen Betrieb. Doch irgendwann schnappen die Handschellen zu, wenn die ­Ketten der Liebe allzu wörtlich genommen werden. Keine Sorge: Es geht nicht um irgendwelche Shades of Grey. Die Sache ist ziemlich jugendfrei und kriminell allenfalls die Gutmütigkeit des liebeswerten Trottels Mathias Bommes, der schon beim Dinner für Spinner sein Talent für perfekte Katastrophen bewies. Nun ist er am Ziel seiner innigsten Wünsche. Ein Backstage-Treffen mit seinem Idol, dessen Hit Ketten der Liebe alle Herzen dahinschmelzen lässt. Auch hier Entwarnung: Musik spielt eine absolute Nebenrolle in der Komödie Ketten der Liebe, verfasst von Tom Gerhardt und Franz Krause, die nach der Uraufführung Anfang Dezember am Düsseldorfer Theater an der Kö nun im Bonner Contra-Kreis-Theater zu erleben ist. Routiniert inszeniert von René Heinersdorff mit einem blendend spielfreudigen Ensemble.
Der quirlige Dustin Semmelrogge als struppiger Knuddeltyp Andy muss glücklicherweise selten singen in seiner Künstlergarderobe, mit vielen hübschen Details ausgestattet von Bühnenbildner ­Johannes Fischer. Er kommt auch kaum dazu, weil seine tüchtige Agentin Vera (als blondes Temperamentbündel in schwarzem Heavy-Metal-Look: Fabienne Hesse) ihm ein Image als „Star zum Anfassen“ verordnet hat. Inkl. friedensbewegter Benefizkonzerte ohne Gage, was Andys Stimmung nicht gerade hebt, aber noch mehr Shows garantiert, bei denen die Kohle stimmt. Jedes gepostete Fan-Selfie steigert den Umsatz, Medienpräsenz ist unerlässlich. Insofern ist das Stück trotz seiner schlichten Anlage auch eine amüsante Studie über die Verlogenheit des Bühnengeschäfts.
Enervierend ehrlich ist leider Bommes, der sein Hirn bestens unter dem unvermeidlichen Käppi versteckt und hinter seiner Brille so selig grinst, dass selbst die plattesten Gags noch auf Spurenelemente von Intelligenz schließen lassen.
Mit einem solch rührend begeisterten Fan kann selbstverständlich alles nur schiefgehen. TV-Star Tom Gerhardt, der sich zwischendurch auch einen kleinen Auftritt als Hausmeister Krause gönnt, fabriziert schon mit seinem selbstgebastelten Bühnenmodell einen Kurzschluss und sorgt für spektakuläre Effekte, die seinen widerwilligen Freund beinahe die Karriere kosten. Dass die eifersüchtige Vera ihm ihren Job und damit auch den Auftritt als weiß beflügelte Taube überlässt, ist nur der Beginn einer Serie von ebenso gutgemeinten wie bizarren Grausamkeiten.
Zumal die Journalistin Eva (unverschämt cool: Sonja Kerskes) eine ­prickelnde Story für ihr Boulevardblatt braucht und Bommes ein recht intimes Foto der reizenden minderjährigen Jessy (niedlich kokett: Swantje Riechers) besitzt. Zu ihrem 18. Geburtstag ein Bild mit Andy auf Seite Eins – für den Groupie-Traum kann Jessys Outfit (Kostüme: Andrea Gravemann) gar nicht scharf genug sein. Am besten mit dekorativen Handschellen, die arg lang halten, was keine Liebesketten versprachen. Klar: Nur Bommes hat den Schlüssel und folglich nicht mehr griffbereit.
„Du bist der Pulsschlag meines Lebens“ hat Andy wahrscheinlich etwas zu oft gesäuselt. Drei weibliche Nervensägen und ein durchgeknallter Verehrer sind jedoch Strafe genug. Für die Lösung des dramatischen Knotens braucht es einen bärenstarken Sanitäter (robust: Armin Riahi) und im letzten Moment noch ein Hamstervirus, das die „Bild“-Redaktion lahmlegt. Wie es sich gehört für Standup-Komödien, wo sich in der Mühle des Irrsinns ein paar Körnchen Wahrheit behaupten. Die Kunstfigur Andy Roth im roten Glitzeranzug wird die Fans nicht enttäuschen, der furchtlose Malheur-Spezialist Tom Gerhardt alias Bommes ist sowieso unschlagbar und hat seine spezielle Fangemeinde. Schwachsinn als höhere Kunst betrachtet, hat auch was.
Kurzweiliges Unterhaltungstheater mit übersichtlichem geistigem Anspruch. Herzhaft belacht und beklatscht vom gut gelaunten Publikum.
E.E.-K.
Spieldauer ca. 2¼ Stunden inkl. einer Pause
Die nächsten Vorstellungen:
täglich ausser montags bis zum 11.02.18 (nicht 8. + 9.02.)

Donnerstag, 02.08.2018

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