Gianni Schicchi und Il Tabarro - Oper Bonn - kultur 143, Februar 2018

Gianni Schicchi / Il Tabarro
Foto: Thilo Beu
Gianni Schicchi / Il Tabarro
Foto: Thilo Beu

Jahresbeginn mit Komödie und Tragödie

Da warten sie voller Ungeduld, dass der reiche Alte endlich abkratzt und sie sich über die Erbschaft hermachen können. Ab und zu muss der kleine Gherardino (Maximilian Teschner / Louis Bungartz vom Kinderchor) mal schauen, ob Buoso Donati noch atmet. Regisseur Mark Daniel Hirsch hat dem heiteren Einakter Gianni Schicchi ein Vorspiel im Zuschauerraum vorangestellt, das die gierige Verwandtschaft vorführt, der der lis­tige Gianni Schicchi schließlich das Vermögen vor der Nase wegschnappt.
Es ist mittlerweile Tradition, dass die Oper Bonn das neue Jahr mit einer konzertanten Premiere begrüßt. Diesmal ist es eine semikonzertante oder besser halbszenische mit einem äußerst spielfreudigen Ensemble. Ein großes Bühnenbild vermisst man kaum. Eine im ersten Teil hell, im zweiten dunkel von unten beleuchtete Spielfläche und ein paar Möbel reichen für die dramatischen Situationen. Die Kostüme von Maria Strauch charakterisieren die Figuren perfekt. Das Beethoven Orchester ist auf der Bühne platziert, so dass man ihm und dem agilen Dirigenten Jacques Lacombe zuschauen kann bei der Erzeugung des musikalischen Farbenreichtums der beiden in der Stimmung scharf kontrastierenden Einakter.
Man vermisst auch kaum das Mittelstück, die lyrisch-romantische Geschichte der Nonne Suor Angelica. Puccinis 1918 in New York uraufgeführtes „Trittico“ ist hier auf ein Diptychon reduziert, das in dieser Konstellation tadellos funktioniert.
Das liegt bei dieser Präsentation naturgemäß in erster Linie an den famosen Sängern. Der Bassbariton Renatus Mészár, der zeitweise zum Bonner Ensemble gehörte, gibt mit komödiantischem Esprit den Außenseiter Schicchi, der der entsetzten Familie zu Hilfe kommt. Denn die verfällt angesichts des Tes­taments erst mal in Schockstarre: Donati hat alles der Kirche vermacht. Das ist fatal vor allem für das junge Liebespaar Rinuccio (mit feinem Tenor: Christian Georg) und Schicchis Tochter Lauretta. Die Sopranistin Sumi Hwang rührt mit ihrer Arie „O mio babbino caro“, dem absoluten Hit der Oper, nicht nur das Vaterherz, sondern lässt auch das Publikum dahinschmelzen.
Unerschütterlich bleibt dagegen Rinuccios Tante Zita (herrlich komisch: Ceri Williams): Ohne Geld keine Heirat. Auch die restliche Verwandtschaft ist köstlich karikiert: der alte Vetter Simone (Martin Tzonev), dessen Sohn Marco (Fabio Lesuisse) mit seiner hysterischen Gattin La Ciesca (Anjara I. Bartz), der Neffe Gherardo (David Fischer) mit seiner braven Gattin Nella (Ava Elisabeth Gesell) sowie der schnöselige Betto (Leonard Bernard).
Doch Schicchi weiß Rat: Die noch warme Leiche wird weggeräumt, er selbst legt sich ins Bett des angeblich noch Lebenden und diktiert dem flugs herbeigerufenen Notar (Ivan Krutikow) ein neues Testament. Natürlich zu seinen Gunsten. Und so können die jungen Liebenden auf einem hohen Steg hinter dem Orchester selig entschweben. Der Rest muss stillhalten, denn alle sind mitschuldig an der Testamentsfälschung, die Schicchi in Dantes Inferno landen ließ. Bis Puccini ihn erneut zum Leben erweckte.
Auf das muntere Spiel im sonnigen Florenz folgt die Tristesse im nächtlichen Paris. Die veristische Kurzoper Il Tabarro erscheint hier als psychologisches Kammerspiel. Lange bevor die Musik einsetzt, sitzt die unglück­liche Giorgetta auf einem Stuhl an Deck des Seine-Lastkahns, der ihrem Gatten Michele gehört. Yannick-Muriel Noah mit ihrer wunderbar leuchtenden warmen Sopranstimme verkörpert zutiefst berührend die frus­trierte Frau, die der Ehe mit dem wesentlich älteren Mann und der Enge des Daseins auf dem Schiff entfliehen möchte. Seit dem Tod ihres Kindes ist ihre Liebe zu Michele erkaltet. Ihre Lebenslust flammt wieder auf bei den Treffen mit ihrem heimlichen Geliebten Luigi, einem der Pariser Löscharbeiter. George Oniani befeuert mit strahlendem Tenor ihre Sehnsucht nach Zärtlichkeit und einem Leben in der Stadt. Sie träumt vom schillernden Paris, wobei das Orchester sehr deutlich La Bohème-Motive durchschimmern lässt. Ein Liedverkäufer (Johannes Mertes) und ein junges Liebespaar (David Fischer und Ava Elisabeth Gesell) am fernen Ufer steigern ihr romantisches Verlangen. Im krassen Gegensatz erscheint die im Müll wühlende alte Frugola (hervorragend: Ceri Williams).
Die ganze Tragik der verlorenen Illusionen zeigt großartig der Bariton Mark Morouse als eifersüchtiger Michele, der verzweifelt auf die Wiederkehr des einstigen Glücks hofft, als er Frau und Kind noch unter seinem großen Mantel („Tabarro“) beschützen konnte. Vorbei – am Ende verbirgt er darunter die Leiche des Nebenbuhlers und zeigt sie höhnisch seiner entsetzten Gattin.
Unverschämte Leichtigkeit und düstere Schwermut treffen hier zusammen. Verbunden durch Puccini, dessen Porträt im Hintergrund ganz sachte seinen Ausdruck verändert. Großer Premierenjubel für die exzellenten Solisten, das Orchester und insbesondere auch den Regisseur Mark Daniel Hirsch, der fast ein vollwertiges Musiktheater inszeniert hat. Selbstverständlich möchte man in der Oper weiterhin visuelle Opulenz, Bewegung und spannende Regiekonzepte. Aber so gefällt auch eine konzertante Aufführung. E.E.-K.

Spieldauer ca. 2¼ Stunden, inkl. Pause
Die Letzten Vorstellungen:
4.02. // 18.02.18

Kleiner Hinweis: Seit ein paar Wochen sieht auch das Publikum, dass im Opernhaus fleißig gearbeitet wird, um die Sicherheit zu gewährleisten. Einige Wandverkleidungen in den Treppenhäusern wurden bereits entfernt, was jedoch nicht weiter stört und vielen kaum auffällt. Die Unannehmlichkeiten für die Zuschauer halten sich in Grenzen.

Donnerstag, 02.08.2018

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