Pinocchio - JTB im Thalia - kultur 142 - Januar 2018

Pinocchio
Foto: actorsphotography
Pinocchio
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Lustiges Spiel im Spiel


Schon wieder hat das Mädchen schlechte Noten und auch sonst lauter Flausen im Kopf. Sie schmollt, weil Papa immer nur arbeitet und nie Zeit für sie hat. Aber schließlich muss er Geld mit seinem Holzspielzeug verdienen. Also schlägt er seiner Tochter vor, noch mal die Geschichte von Pinocchio zu spielen, die ihnen früher so viel Spaß machte.
Regisseur Andreas Lachnit entwickelt die Handlung – nach einer modernen Bühnenfassung von Erpho Bell – pfiffig aus einer Spielsituation. Das Kind und der Vater schlüpfen in ihre Rollen und nutzen alles, was in der ärmlichen Schnitzer-Werkstatt halt griffbereit ist. Da kann aus den Fransen eines Wischmops zur großen Freude der Zuschauer schnell die blaue Haarpracht der freundlichen Fee werden. Auch alle anderen Fantasiefiguren entstehen im Handumdrehen, die scharfzüngige Schlange z. B. aus einem langen gelben Strumpf. Alles bleibt pures Spiel ohne aufwändige Illusionen. Das funktioniert in der intimen Studiobühne des Jungen Theaters im Kuppelsaal der Thalia-Buchhandlung im Metropol besonders schön, weil das Publikum sehr nah am Geschehen ist und ganz direkt den Aktionen der beiden Schauspieler folgen kann.
Auf der Bühne von Ausstatterin Katharina Kastner dominiert der große hölzerne Arbeitstisch des Meisters Gepetto, der einst aus einem ganz besonderen Stück Pinienholz eine Puppe schnitzte. Die erwachte auf wundersame Weise zum Leben und begrüßte ihren Schöpfer mit einem fröhlichen „Papa!“. Als „Pinocchio“ wurde das von dem italienischen Schriftsteller Carlo Collodi vor über 135 Jahren erfundene Wesen mit der grünen Hose und dem roten Wams weltberühmt.
Die quirlige junge Olja Artes, Absolventin der Alanus-Hochschule und 2017 schon in zwei großen Rollen im Contra-Kreis zu erleben, spielt bezaubernd das aufgeweckte Mädchen, das sich vergnügt in eine ungelenke Holzpuppe verwandelt, die ein echtes Kind werden möchte. Der alte Gepetto ist hier auch keineswegs ein Kinderhasser, sondern ein liebevoller Vater, der den Tatendrang seines neugierigen Sprösslings irgendwie bändigen muss. Daniel Coninx verkörpert den Vater, der sein ganzes Geld investiert in einen Schulranzen, damit Pinocchio etwas Nützliches lernt. Aber schon der Schulweg ist viel zu aufregend, um nicht Halt zu machen bei einer duftenden Bäckerei oder einem Theater.
Und dann kommt noch eine räuberische amerikanische Fuchskatze, die Pinocchio großspurig ein Riesenvermögen verspricht. Eigentlich gehörte diesem Betrüger ja die lange Lügennase, die Pinocchio plötzlich im Gesicht trägt, nachdem die blaue Fee ihn aus höchster Not befreite. „Ich war in der Schule“ – zisch: das Ding wächst. Ein paar ehrliche Aussagen machen es wieder kürzer, aber irgendwann ist die Spinnerei ausgereizt: „Länger wird das Ding nicht mehr“.
Der gebürtige Belgier Coninx spielt witzig virtuos die ganze Märchen-Menagerie, bis Pinocchio trotz aller Warnungen der strengen Grille als Esel in einem Zirkus landet und wegen mangelnder Bildung ins Meer geworfen wird. Im Bauch eines Riesenhais trifft er endlich seinen Vater wieder, der ihn überall gesucht hat. Damit der gewaltige Fisch die beiden wieder ausspuckt (tatsächlich hocken Papa und Tochter nur unter dem Tisch, und kein Hai bleckt seine Zähne), muss das gesamte Publikum aber lautstark helfen. So gelingt die Flucht ins Spielzeugland. Die Musik und die ­lus­tigen Songs dazu hat Christian Steinborn komponiert, festes Ensemble-Mitglied am JTB und aktuell dort als Herr Taschenbier im Sams zu erleben. Ein Sonderlob verdient die Licht- und Tongestaltung von Julia Bogner-Dambeck. Nach einer heiteren Stunde ohne pädagogisch erhobenen Zeigefinger vergnügter Premierenbeifall für die beiden Spieler bei ihrem JTB-Debüt und das einfallsreiche Inszenierungsteam. E.E.-K.

Spieldauer ca. 60 Minuten, keine Pause
Empfohlen für Publikum ab 5 Jahren.
Die nächsten Vorstellungen:
27.01. // 17.02. // 3.03. // 17.03.18

Dienstag, 13.02.2018

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