Geisterritter (Uraufführung) - Oper Bonn - kultur 142 - Januar 2018

Geisterritter
Foto: Thilo Beu
Geisterritter
Foto: Thilo Beu

Großes Musiktheater für junges Publikum


Seltsame Albtraumwesen suchen Jon schon während der Zugfahrt nach Salisbury heim. Der elfjährige Junge ist unterwegs in die Stadt mit ihrer berühmten alten Kathedrale. Er ist überhaupt nicht glücklich darüber, dass seine Mutter ihn ins dortige Internat abgeschoben hat, weil er mit ihrem neuen Mann nicht klarkommt. Und kaum ist er in seiner neuen Schule angekommen, geht auch schon ein gewaltiger Spuk los, der weit in die Vergangenheit führt.
Der „Opernthriller“ nach dem Roman Geisterritter der Bestsellerautorin Cornelia Funke erzählt eine spannende Fantasiegeschichte. Es ist die erste opernreife Vertonung eines Jugendbuchs der in Los Angeles lebenden deutschen Schriftstellerin und ein Auftragswerk von „Junge Opern Rhein Ruhr“, einem Kooperationsprojekt des Theaters Bonn mit der Deutschen Oper am Rhein und dem Theater Dortmund. Zum ersten Mal fand nun eine Uraufführung in Bonn statt und wurde bei der Premiere zu Recht stürmisch gefeiert.
Das Libretto des renommierten Autors Christoph Klimke reduziert die verzweigte ­Story geschickt auf eine überschaubare Handlung. Dazu funktioniert die at­mosphärisch vielseitige ­Musik des überwiegend im Kölner Raum tätigen ame­rikanischen Komponisten ­James Reynolds einfach ­fabelhaft. Ohne Scheu vor Stilbrüchen mixt er klassische Moderne mit Romantik, Pop und Hollywood-Schmelz, lässt mal den mittelalterlichen Hymnus „Dies Irae“ anklingen und sorgt mit üppig besetztem Schlagzeug für ordentliche Grusel-Effekte. Kapellmeister Daniel Johannes Mayr am Pult des großartig spielenden Beethoven Orchesters führt energisch alle Musiker im Graben und auf der Bühne durch das aufregende Geschehen.
Die Inszenierung von Regisseur Erik Petersen sorgt dafür, dass Witz und Ironie bei all den schauerlichen Momenten nicht zu kurz kommen. Zum großen Kino wird die Vorstellung jedoch durch das Bühnenbild und die Videos von fettFilm (Momme Hinrich und Torge Møller), die wie von Zauberhand alle gotischen Gemäuer beleben.
Die Kostüme von Kristopher Kempf sind ein weiterer Hingucker und lassen sogar steinerne Geister wild tanzen (Choreografie: Yara Hassan). Der Chor unter der Leitung von Marco Medved und der Jugendchor, einstudiert von Ekaterina Klewitz, agieren mit imponierender Spielfreude. Wobei die drei rappenden Kröten echt unschlagbar sind.
Sie gehören zum Haushalt von Ellas schrulliger Oma Zelda (köstlich: ­Susanne Blattert), die sich mit Geistern bestens auskennt. Das ist auch dringend nötig, nachdem Jon – hervorragend verkörpert von dem jungen Tenor David Fischer – verfolgt wird vom bösen Geist des für alle anderen unsichtbaren, mordgierigen Lord Stourton. Diesem von drei fiesen Dämonen begleiteten Ungeheuer leiht als Gast der Countertenor ­Bernhard Landauer seine hohe Stimme. Glücklicherweise begreift Jons ebenso kluge wie hübsche Schulkameradin Ella, glänzend gesungen und gespielt von Marie Heeschen, dass gegen solche Erscheinungen nur ein wirklicher Ritter helfen kann. Der Bariton Giorgos Kanaris verkörpert brillant den tapferen William Longspee, der aus seinem Grab aufsteht, um die Kinder vor den üblen Erscheinungen zu retten. Das wird verdammt dramatisch, als Ella in die Fänge der Schreckgespenster gerät und Jon mit Longspees Schwert ritterlich für ihre Befreiung kämpfen muss. Am Ende finden freilich alle jungen und alten Herzen zusammen. Denn das Ganze ist auch eine zarte Lovestory mit Coming-of-Age-Elementen.
Als Jons Zimmergenossen im Internat bewähren sich Fabio Lesuisse (Angus) und Julian Kokott (Stu), als Internatselternpaar Popplewell ­Anjara I. Bartz und Gintaras Tamutis. Für den meisten Spaß in der Schule verantwortlich ist jedoch der Geschichtslehrer Mr. Rifkin (stimmstark: der Bass Martin Tzonev), der gern mit Napoleon-Posen auftritt. Die neue Familienoper ist also bis in Nebenrollen sehr hochkarätig besetzt. Denn klar ist: Nur mit Qualität gewinnt man neue Opernfans der Generation Facebook, Youtube und WhatsApp.
Die unterhaltsame Aufführung macht aber auch Erwachsenen Vergnügen, ist also im besten Sinn ein Familienstück. Wenn man nicht alles versteht, macht das nichts. Geisterritter sind halt geheimnisvolle Wesen. Den Rest erklärt die Musik zusammen mit tollen visuellen Überraschungen. Ein Kinderstück ist weder Funkes Erzählung noch die Oper, also eher geeignet für Menschen ab 10 Jahren im Rollenalter der beiden jungen Protagonisten.
Der kaum zu stoppende Premierenbeifall bewies eindeutig, dass der Oper Bonn ein großer Wurf gelungen ist und die Messlatte für neue Familienopern nun sehr hoch geschraubt ist. Fand auch die bei der Uraufführung anwesende Schirmherrin Isabel Pfeiffer-Poensgen, seit Mitte 2017 Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW. E.E.-K.

Vom Theater empfohlen für Publikum ab 8 Jahren.

Spieldauer ca. 2 Stunden, inkl. Pause
Die Letzten Vorstellungen:
30.12.17 // 6.01. // 12.01. // 25.01. // 25.02. // 4.03.18

Dienstag, 13.02.2018

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