Carmen - Oper Bonn - kultur 141 - Dezember 2017

Carmen
Foto: Thilo Beu
Carmen
Foto: Thilo Beu

Spanischer Bilderbogen


Schwer begreiflich, warum die Bonner Intendanz ausgerechnet diese Carmen-Produktion eingekauft hat. Klar: Bizets populäres Meisterwerk mit seinen beliebten ‚Ohrwürmern‘ gehört zu den Top Ten der Opernwelt und garantiert fast immer volle Häuser. Nun ist die Inszenierung des Venezolaners Carlos Wagner, die nach der Premiere in Nancy einige Jahre an der Deutschen Oper Düsseldorf/Duisburg zu erleben war, bewusst keine aufregend moderne Neuinterpretation, sondern bleibt ziemlich nah an der dem Stoff zugrunde liegenden Novelle von Prosper Mérimée. Leider ist sie auch ziemlich spannungslos.
Für feuriges Temperament sorgt vor allem das exzellente Beethoven Orchester unter der Leitung von Jacques Lacombe. Musikalisch hervorragend präsentieren sich auch der von Marco Medved einstudierte Opernchor und Extrachor sowie der Kinder- und Jugendchor unter der Leitung von Ekaterina Klewitz. Allerdings stehen alle meistens nur ohne wirkliche dramatische Funktion auf der Bühne herum. Für Bewegung sorgen mitunter ein paar Tänzerinnen und Tänzer (Choreografie: Ana García).
Wagner wollte laut eigener Aussage alle folkloristischen Klischees vermeiden und die Oper zeitlos wie eine griechische Tragödie erzählen. Pate für einige Einfälle stand zudem die antike Minotaurus-Sage.
Das dunkle Bühnenbild von Rifail Ajdarpasic ist inspiriert von Goyas späten düsteren Fantasien und seinem grafischen Zyklus Desastres de la Guerra. An spanische Gemälde erinnert auch die raffinierte Lichtregie von Fabrice Kebour, die immer wieder einzelne Figurengruppen hervorhebt. Elegant sind auch die historischen Kostüme von Patrick Dutertre. Warum in der Schenke von Lillas Pastia jedoch plötzlich Figuren aus Velasquez‘ Gemälde Las Meninas herbeizitiert werden, bleibt ein Geheimnis.
Untadelig ist durchweg die sängerische Qualität. Allen voran zu nennen ist die junge Südkoreanerin Sumi Hwang, seit 2014 im Bonner Ensemble, als Micaëla. Ihr gelingt es großartig, die verletzten Gefühle des braven Mädchens vom Lande zu vermitteln. Sie berührt emotional zutiefst, und ihr leuchtender, warmer Sopran ist ein Ereignis, das bei der Premiere deutlich mit dem meisten Beifall bedacht wurde. Dass ihr Verlobter, der kleine Brigadier Don José, sein ehrliches Herz unwiderruflich an die Zigeunerin Carmen verloren hat, ist tatsächlich fatal.
Die genehmigt sich in der Arbeitspause der Tabakfabrik erstmal frech eine Zigarre, während die Soldaten aufgeregt hinter einem Gitter lauern. Die finnische Mezzosopranistin Niina Keitel, die die prominente Partie 2013 schon in Helsinki verkörpert hat, bleibt jedoch völlig cool. Von erotisch aufgeladener Verführungsmagie trotz akkurater sängerischer Rollengestaltung keine Spur, wenig auch von unbändigem Freiheitsverlangen. Sie ist weder stimmlich noch darstellerisch eine faszinierende ­Femme fatale, sondern eher eine distanzierte Spielerin. Das Muttersöhnchen Don José ist für sie allenfalls eine leicht zu fangende Beute mit kurzem Nutzeffekt. Der sympathische chilenische Tenor Felipe Rojas Velozo gibt wirklich alles, um die Frau seines Lebens für sich zu gewinnen. In den hohen Registern klingt seine metallisch glänzende Stimme zwar leicht martialisch, aber seine empfindsam gesungene „Blumenarie“ ist Herzschmerz pur.
Carmen will dagegen längst den Star-Torero Escamillo als neue Trophäe. Der Bariton Ivan Krutikov im goldglänzenden Stierkämpfer-Dress schmettert recht robust sein Matadoren-Lied „Auf in den Kampf“. Ganz lustig: Kurz werden auf Räder montierte Hörner durch die Szenerie gerollt, wie man sie zu Torero-Übungszwecken benutzt. Die gelb-roten Tücher, die das wilde Tier ermüden sollen, flattern noch harmlos herum.
Leutnant Zuniga (Leonard Bernad), der ebenfalls ein Auge auf Carmen geworfen hat, wird von ihrer Schmugglerbande schnöde hingerichtet. Sergeant Moralès (Fabio Lesuisse) kommt gerade noch mal davon. In den Nebenrollen der Schmuggler Dancaïro und Remendado machen Di Yang und David Fischer gute Figur zum bösen Spiel. Im den unvermeidlichen Tod ankündigenden Kartenterzett überzeugen Kathrin Leidig als Mercédès und Rosemarie Weissgerber als Frasquita.
Unfreiwillig komisch gerät der Schluss: Der eifersüchtige Don José erscheint mit blutiger Schlachterschürze und einer Schubkarre mit dem Haupt des Stieres, den Escamillo gerade unter dem Jubel der Massen erlegt hat. Wütend setzt der Gehörnte sich den toten Tierkopf auf und rammt die Hörner in den Leib der geliebten Carmen.
Die Zweitbesetzung der drei Hauptrollen mit Dshamilja Kaiser, George Oniani und Giorgos Kanaris könnte noch etwas mehr Schwung in die Aufführung bringen, die trotz aller Einwände sehens- und hörenswert ist. In den nicht gerade begeisterten Premierenapplaus mischten sich einige Buhs für das Regieteam, Bravi für die musikalische Leitung, das Orches­ter, die Chöre und Sumi Hwangs Micaëla. E.E.-K.


Spieldauer ca. 3 Stunden, eine Pause
Die nächsten Vorstellungen:
10.12. // 13.12. // 20.12. // 25.12.17 // 14.01. // 20.01. // 24.02.18

Dienstag, 16.01.2018

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