Die unendliche Geschichte - Junges Theater Bonn - kultur 140 - November 2017

Die unendliche Geschichte
Foto: actorsphotography
Die unendliche Geschichte
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Fantasiereise in ein Buch


Michael Endes 1979 erschienener großer Roman Die unendliche Geschichte ist eine Hommage an das Lesen und hat mittlerweile Generationen das Tor zur Welt der Bücher geöffnet. In ein Antiquariat flüchtet Bastian Balthasar Bux vor seinen Mitschülern, die ihn ständig mobben. „Psycho“ nennen sie den sensiblen Jungen, der nach dem Tod seiner Mutter allein bei seinem wortkargen Vater lebt. Ein Buch zieht ihn magisch an. Die Erzählung beginnt zu leben. Mehr noch: Bastian muss selbst Teil der Handlung werden, um das Land Phantásien vor der Vernichtung zu retten.
Moritz Seibert, Intendant des Jungen Theaters Bonn, hat in seiner neuen Inszenierung die vielschichtige Erzählung wunderbar klar auf die Bühne gebracht, ohne die gedankliche Komplexität der Geschichte mit ihren subtilen Spiegelungen zu vereinfachen. Unversehens gerät der Zuschauer in den Sog der Lektüre und folgt Bastian in die dramatische Traumwirklichkeit. Auf der Einheitsbühne von Laurentiu Tuturuga, der auch die vielen Puppen entworfen hat, markieren hölzerne Streben den Dachboden der Turnhalle, auf dem Raum und Zeit zusammenfließen. Immer mehr Teile des Landes Phantásien werden vom Nichts verschlungen. Die Kindliche Kaiserin leidet an einer geheimnisvollen Krankheit, die nur durch einen neuen Namen, also ein Wort, zu heilen ist. Sie schickt ihren treuen jungen Ritter Atréju auf eine gefährliche Mission, die jedoch nur zu einem guten Ende gebracht werden kann, wenn er einen mutigen menschlichen Mitstreiter findet. Denn eins ist sicher: Je mehr poetische Phantasie verschwindet, umso größer wird die Flut der Lügen in der Menschenwelt.
Tristan Witzel (Bastian) und Oscar Kafsack (Atréju), beide bühnenerfahrene Mitglieder des JTB-Nachwuchsensembles, spielten bei der ersten Premiere ungemein eindringlich die beiden Jungen, die nur gemeinsam den schweren Auftrag erfüllen können. Wie immer sind die jugendlichen Rollen doppelt besetzt. Bei der zweiten Premiere spielten Jari Suppert und Lewin Mayer-Tasch die ungleichen Freunde. Die Kindliche Kaiserin (Tamina Friedrich / Louise Buhl) dürfen sie nur einmal sehen. Aber sie haben einen fabelhaften großen Gefährten: den weißen Glücksdrachen Fuchur, geführt von dem Schauspieler Jan Herrmann, der auch in diversen anderen Rollen glänzt. Einfach köstlich sind die großen und kleinen Figuren, die mit ihren Dimensionswechseln ständig in Frage stellen, was wirklich ist oder pures Spiel.
Was das erwachsene Profi-Ensemble auf und hinter der Bühne leistet, ist kaum genug zu loben. Katharina Felschen u.a. als Irrlicht, Giselheid Hoensch als Orakel, Sandra Kernenbach als bissiger Gmork, Christian Steinborn als Felsenbeißer und Andrea Brunetti, die am Ende mit einem bunten Früchtehut (tolle Kostüme: Brigitte Winter) erscheint, liefern die Grundsubstanz all der atemberaubenden Verwandlungen. Unaufdringlich begleitet von der Bühnenmusik des Komponisten Serge Weber und suggestiv ausgeleuchtet vom kreativen Technik-Team.
Dennoch darf man nicht zu lange in Phantásien verweilen, denn sonst vergisst man sich selbst. Bastian wird also aus dem Buch zurückkehren in seine Welt. Selbstbewusster als zuvor. Aber bereichert durch eine fantas­­- tische Lebenserfahrung – ebenso wie das begeisterte Publikum.
Empfohlen für Publikum ab 7 Jahren. E.E.-K.
Spieldauer ca. 2 Stunden inkl. einer Pause
Die nächsten Vorstellungen:
8.12. // 9.12. // 22.12. // 23.12. // 30.12. // 31.12.17
Die jungen Spieler Oscar Kafsack (13) und Tristan Witzel (15) haben ihre Proben-Erfahrungen bei You-Tube auf ihrem Kanal „Bastreju-JTB“ ins Netz gestellt und beantworten dort auch Fragen zum Stück und der Inszenierung. Die Kraft der Poesie muss im digitalen Zeitalter nämlich keineswegs verschwinden.

Freitag, 12.01.2018

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