Radikal - Werkstatt (Theater Bonn) - kultur 138 - Juli 2017

Radikal
Foto: Thilo Beu
Radikal
Foto: Thilo Beu

Undurchsichtige Verbindungen



Von dem 2011 erschienenen Politthriller des Al-Qaida-Experten Musharbash ist nicht viel übrig geblieben in der Inszenierung von Mirja Biel. Stattdessen lässt sie die vier Schauspieler ausführlich reflektieren über ihre eigenen Verunsicherungen. Zweifel an so genannten Fakten sind gewiss angebracht, wenn ein rechtsradikaler Bundeswehroffizier sich als syrischer Flüchtling ausgeben und Anschläge planen kann. Auf der Bühne erscheint erst mal eine lustige Riesenkartoffel. Bekanntlich kein indigenes deutsches Gewächs, was zu allerhand Diskussionen über „Heimat“ führt. Unterbrochen von einer Explosion. Der (fiktive) grüne Bundestagsabgeordnete Lutfi Latif, liberaler Vorzeige-Muslim, ist einem Sprengstoffanschlag zum Opfer gefallen. Al Qaida bekennt sich zu der Tat, der Fall erscheint klar.
Doch Islam-Forscher Samuel Sonntag (Daniel Gawlowski) und Latifs voll integrierte muslimische Assistentin Sumaya (als Gast: Katharina Hackhausen) haben Zweifel. Ebenso wie deren Cousin Fadi (Alois Reinhardt) und die umtriebige Journalistin Merle (Lena Geyer). Sie geraten auf die Spur eines „Kommandos Karl Martell“, das sich der Rettung des christlichen Abendlands verschrieben hat. Steckt diese mit Ku-Klux-Klan-Kappen oder germanisch-heroisch in roten Gewändern zu Wagner-Gedröhn auftretende Gruppe hinter dem Attentat?
Die Frage bleibt offen in den vergitterten Bürozellen (Bühne: Matthias Nebel) mit ihren sich ständig verschiebenden Perspektiven. Dauernd schlüpfen die Schauspieler tapfer in andere Rollen oder Maskeraden
(Kos­­tüme: Katrin Wolfermann), futtern Kartoffelchips oder reden über ihre persönlichen Mutmaßungen. Am Ende zieht sich Sumaya minutenlang T-Shirts aus, jedes bedruckt mit anderen Logos. Das letzte ist verziert mit der bekannten Friedenstaube. Darunter kommt indes ein Sprengstoffgürtel zum Vorschein. Ist sie die echte Radikale?
Zwischen den allfälligen Videos, langatmigem Geschwätz und einer Überdosis Symbolik bleibt die Brisanz der Vorlage im Gitternetz der Bühne hängen. Eine eindeutige Wirklichkeit gibt es nicht. Wirklich überraschend ist diese Einsicht freilich nicht. E.E.-K.

Spieldauer ca. 90 Minuten, keine Pause
Die Letzten Vorstellungen in dieser Spielzeit:
30.06. ? 6.07.17 ? 14.07.17

Dienstag, 12.09.2017

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