Die Brüder Löwenherz - Junges Theater Bonn - kultur 137 - Juni 2017

Die Brüder Löwenherz, Junges Theater Bonn
Foto: actorsphotography
Die Brüder Löwenherz, Junges Theater Bonn
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Mut zum Dasein

Mut zum Dasein
Als Astrid Lindgrens Erzählung 1973 erschien, löste sie eine heftige Debatte darüber aus, ob der Tod Thema eines Kinderbuchs sein dürfe. In Zeiten, wo selbst in Kindergärten Bilderbücher über Krieg, Terror und auf der Flucht ertrunkene Menschen kursieren, erscheint diese Sorge müßig. Zumal es in Die Brüder Löwenherz vor allem um das Leben geht und um den Trost, den die Fantasie ermöglicht. Es spielt keine Rolle, ob das Land Nangijala wirklich existiert, in dem die beiden Jungen (Familienname „Löwe“) große Abenteuer erleben, oder ob Jonathan es erfunden hat, um seinem kleinen Bruder den schweren Weg ins Unbekannte zu erleichtern. Vielleicht ist die ganze Geschichte ein Traum des sterbenden Krümel, der durch die wundervolle Kraft der Poesie angstfrei den Sprung über die Grenze schafft.
Die Bühnenbearbeitung von JTB-Intendant Moritz Seibert und die Inszenierung von Konstanze Kappenstein (am JTB im Metropol führte sie bereits mehrfach Regie und präsentiert nun ihre erste Arbeit im großen Haus) lassen die Grenze zwischen Realität und Fantasie offen. Zutiefst berührend ist dennoch das Leid der alleinerziehenden Mutter (Katharina Felschen), die am Ende hilflos um ihre beiden Söhne trauert. Zu Tränen treibt auch die Sorge des tapferen Jonathan für den todkranken Karl, den alle „Krümel“ nennen. Wie er spielerisch dessen Krü­cken und Atemlosigkeit in besondere Energie verwandelt, ist schlicht fabelhaft. Klar, in heutigen Kinderzimmern haben die alten Märchenfiguren samt bösen Wölfen, mörderischen Stiefmüttern und kinderfressenden Hexen endgültig ausgedient. Star-Wars-Plakate sind angesagt. Heldenepen aus der fernen Vergangenheit in einem Zukunftsuniversum. Genau dahin geht die Reise, nachdem Jonathan bei einem Wohnungsbrand den kleinen Krümel aus den Flammen rettete und ihn nun in Nangijala erwartet. Alle Tränen trocknen bald, denn es gibt viel zu tun in dem von dunklen Mächten bedrohten Paradies.
„Gewisse Dinge müssen getan werden, selbst wenn sie gefährlich sind. Denn sonst bist du kein Mensch, sondern ein Nichts.“ Das ist ab jetzt die Devise der Löwenherz-Brüder. Aurel Bender (*2006) – alternierend mit Linus Moog (*2004) – spielte sich als Krümel bei seinem JTB-Debüt direkt in alle Herzen. Ricardo Rausch und Josia Vantroyen aus dem Nachwuchsensemble verkörpern gleichermaßen überzeugend den großen Bruder Jonathan, der dem Kleinen schnell klarmacht, dass der böse Tengil das friedliche Kirschtal in seine Gewalt bringen will. Die drehbare steile Schräge von Bühnenbildnerin Jule Dohrn-van Rossum gibt allen Verwandlungen Raum. Dieser Ort kann ohne naturalistische Requisiten nur mit Lichteffekten alles sein: Gebirge, Wasserfall, unterirdisches Labyrinth, heimliches Refugium und Schlachtfeld. Statt auf Pferden sausen die Recken auf Tret­rollern herum, die feindliche Armee hat rot leuchtende Neonschwerter nach Art der schwarzen Jedi-Ritter (tolle Kostüme: Brigitte Winter), und auch sonst trifft filmreifer Grusel auf komische Momente. Bernard Niemeyer gibt den freundlichen Hubert und den wahnsinnigen Herrscher Tengil. Thomas Kahle und Sandra Kerrenbach sind die nicht gerade mit Superhirnen ausgestatteten Tengilknechte. Christian Steinborn und Axel Hinz liefern weitere merkwürdige Charakter­masken. Bis Tengils ultimative Geheimwaffe Katla ihr schreckliches Drachenhaupt erhebt. Die Löwenherz-Brüder und ihre Freunde werden das Ungeheuer besiegen. Aber Jonathan will nicht töten. Katlas Gifthauch lähmt ihn, so dass nun Krümel ihn stützt beim kühnen Sprung ins Wunderland Nangilima. Das Leben wird also weitergehen.
Nur die Mutter sitzt einsam stumm im leeren Kinderzimmer. Die mutige Aufführung verschweigt bei aller fantastischen Abenteuerlust nicht, dass Trauer zurückbleibt, wenn Kinder früh in eine andere Welt ziehen müssen. Astrid Lindgrens fröhliche Pippi Langstrumpf hat sich mittlerweile nach fast 100 Vorstellungen vom JTB-Publikum verabschiedet. Dafür gibt es nun von derselben Autorin die fabelhafte Geschichte der Brüder Löwenherz, deren Liebe niemals sterben wird. E.E.-K.

Spieldauer ca. 2 Stunden inkl. Pause
nächste AufführungEn
10.06. ? 11.06. ? 1.07. ? 2.07.17
Empfohlen für Publikum
nicht unter 7 Jahren.

Dienstag, 12.09.2017

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Letzte Aktualisierung: 28.03.2024 21:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn